„Der Sturm“ und seine polnischen Künstler 1910–1930
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Teresa Zarnower/Żarnowerówna (1897-1949) stammte aus einer jüdischen Warschauer Familie. Von 1915 bis 1920 studierte sie in Warschau an der Schule der Schönen Künste/Szkoła Sztuk Pięknych w Warszawie Bildhauerei bei Edward Wittig (1879-1941). Vermutlich dort lernte sie Szczuka kennen, der während dieser Zeit an der Kunstschule Malerei studierte und mit dem sie bis zu dessen Lebensende 1927 zusammenblieb. Szczuka schrieb ihr die eigentliche Initiative zu, nach der Konstruktivisten-Ausstellung in Vilnius 1923/24 die Gruppe Blok gegründet zu haben.[84] In der gleichnamigen Zeitschrift, die sie zusammen mit Szczuka, Stażewski und dem Schriftsteller Edmund Miller redaktionell betreute und gestaltete, veröffentlichte sie weiterhin ihre stereometrischen Plastiken (Abb. 14). Neu waren ihre „typographischen“ Entwürfe, die jedoch nicht mit Schrift in Verbindung standen, sondern ein konstruktivistisches System zur grafischen Gestaltung von gedruckten Publikationen darstellten, indem sie gegenständliche Themen wie Porträts (Abb. 15, 17) oder Landschaften (Abb. 16, 18, 21) in geometrische Raster übertrug und sogar zum Film in Beziehung setzte (Abb. 18). Außerdem publizierte sie Architekturentwürfe in der Art von De Stijl (Abb. 19) und Konzepte für konstruktivistische Bühnenbilder (Abb. 20).
In der Zeitschrift Blok veröffentlichte die Redaktion neben den Arbeiten der eigenen Gruppe ein breites, internationales Spektrum an Werken des Kubismus von Baumeister, Braque, Gleizes, Léger, Marcoussis, Gris, Henri Laurens, Lipchitz, Mattis Teutsch, Marcel Janco und Servranckx, der russischen Suprematisten und Konstruktivisten Malewitsch und El Lissitzky sowie von Moholy-Nagy und Katarzyna Kobro, von Künstlern des Stijl wie Van Doesburg, J.J.P. Oud und Rietveld sowie von Kurt Schwitters und Erich Mendelsohn. Walden steuerte für die Doppelnummer 6/7 einen Text über die neueste deutsche Literatur, „Najnowsza literatura niemiecka“, bei.
Tatsächlich schuf Zarnower auch Schriftentwürfe und Buchcover, meist unter Verwendung von Fotomontagen, so 1925 für eine polnische Ausgabe der Dichtungen von Wladimir Majakowski, 1929 für das Buch „Europa“ von Anatol Stern, für das Szczuka drei Jahre zuvor das Layout entworfen hatte, und 1931 für die Zeitschrift des Zentralkomitees der Polnischen Kommunistischen Partei, Czerwony Sztandar/Das rote Banner. Nach dem Tod von Sczcuka gab sie bis zum Juli 1928 die von ihm gegründete künstlerische und literarische Monatsschrift Dźwignia/Die treibende Kraft heraus. Hatte sie Anfang der Zwanzigerjahre auch abstrakte und geometrische Kompositionen auf Papier und Leinwand und im Linolschnitt geschaffen, so gab sie Malerei und Bildhauerei ab 1924 vorübergehend auf, um ihre Kunst „nützlichen“ Aufgaben zu widmen. Zusammen mit Szczuka und mit Unterstützung von Architekten entwickelte sie zwischen 1924 und 1926 Architekturprojekte für Gartenstadt-Siedlungen, die an Entwürfe von Le Corbusier (1887-1965) anschlossen und mit denen sie 1926/27 an internationalen Architektur-Ausstellungen in Warschau und Moskau teilnahm. 1928 gestaltete sie eine Serie von Wahlplakaten und Prospekten für die linke Arbeiter- und Bauernpartei, der sie auch politisch nahestand. Ihr Bruder, der Mediziner David Zarnower, war Mitglied der Kommunistischen Partei.
1937 verließ sie Polen und ging nach Paris, wo sie von ihrer künstlerischen Arbeit jedoch kaum leben konnte. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie dort unter anderem für die Propaganda-Abteilung der polnischen Exilregierung. Nach der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen ging sie nach Spanien und Portugal und emigrierte 1941 über Kanada in die USA. Dort nahm sie die Ölmalerei und die Arbeit an Fotomontagen wieder auf, unter anderem für ein 1942 erschienenes Buch „Obrona Warszawy/Die Verteidigung von Warschau“. Wegen ihrer weiterhin schwierigen Lebensbedingungen nahm sie sich 1949 vermutlich das Leben.[85]
[84] Ebenda, Seite 468
[85] Zu Teresa Zarnower/Żarnowerówna vergleiche unter anderem Andrzej Turowski/Milada Ślizińska: Teresa Żarnowerówna (1897-1949). Artystka końca utopii, Ausstellungs-Katalog Kunstmuseum Łódź/ Muzeum Sztuki w Łodzi, 2014; Ewa Gorządek: Teresa Żarnower (Żarnowerówna), auf culture.pl (2015), https://culture.pl/en/artist/teresa-zarnower-zarnowerowna . Der künstlerische Nachlass, soweit erhalten, befindet sich im Kunstmuseum Łódź.