Menu toggle
Navigation
Tłumaczenie na ten język nie jest niestety w tej chwili dostępne.

„Der Sturm“ und seine polnischen Künstler 1910–1930

Titelseite von „Der Sturm“, 13. Jahrgang, 2. Heft, Berlin 1922, mit einer Zeichnung von Louis Marcoussis (Ludwik Kazimierz Władysław Markus, 1878-1941)

Mediathek Sorted

Mediateka
Titelseite von „Der Sturm“, 13. Jahrgang, 2. Heft, Berlin 1922, mit einer Zeichnung von Louis Marcoussis (Ludwik Kazimierz Władysław Markus, 1878-1941)
Titelseite von „Der Sturm“, 13. Jahrgang, 2. Heft, Berlin 1922, mit einer Zeichnung von Louis Marcoussis (Ludwik Kazimierz Władysław Markus, 1878-1941)

Walden hatte große Teile der Ersten Internationalen Kunstausstellung mit organisiert, die das Junge Rheinland vom 28. Mai bis 3. Juli 1922 im vierten Geschoss des Warenhauses Tietz an der Düsseldorfer Königsallee präsentierte. Die Ausstellung zeigte in zwei Sektionen 340 deutsche und ausländische Künstlerinnen und Künstler aus 19 Nationen.[78] Neben der Section française, die der Maler Pierre Hodé, ein Mitglied des Pariser Salon d’Automne, unter Beteiligung des in Paris ansässigen Marek Szwarc organisiert hatte, wurde Frankreich durch eine zweite, vermutlich von Walden getroffene Auswahl repräsentiert, in der Werke der Sturm-Künstler Braque, Derain, Dufy, Friesz, Gleizes, Léger, Marie Laurencin, Marcoussis, Matisse und De Vlaminck zu sehen waren. Polen wurde in der Ausstellung ausschließlich durch Künstler aus der Gruppe Jung Idysz mit Jankel Adler (Łódź), Henryk/Henoch Barczyński (Dresden), Joseph Hecht, Henryk Hayden und Moise Kisling (Paris), Pola Lindenfeld (Wiesbaden), Szamaj/Szymon Mondzain/Mondszajn und Jan/Jean Rubszak (Paris), Stanislaus Stückgold (München), Szwarc und Wacław Zawadowski („Zawado“, Paris) repräsentiert.[79] Berlewi veröffentlichte im Anschluss eine ausführliche Rezension der Ausstellung in der Warschauer jüdischen Tageszeitung Nasz Kurier, ließ die polnische Sektion aber unerwähnt.[80]

1923 organisierten Berlewi und Walden gemeinsam in Warschau eine Internationale Ausstellung „Junger Kunst“/Międzynarodowa Wystawa „Młodej Sztuki“. Zu sehen waren Werke von Sturm-Künstlern: aus der expressionistischen Künstlergruppe Brücke Heckel, Pechstein und Schmidt-Rottluff, aus dem Umkreis des Blauen Reiter Kandinsky, Klee und Alfred Kubin, außerdem Werke von Kokoschka, Feininger, Heinrich Richter-Berlin, Hermann Seewald und Laurencin. In der polnischen Abteilung waren Arbeiten der Gruppe Jung Idysz aus Łódź von Samuel Hirszenberg, Karol Hiller, Wincenty Brauner, Ignacy Hirszfang und Szwarc ausgestellt sowie von den frühen polnischen Konstruktivisten Aleksander Rafałowski, Henryk Stażewski, Szczuka, Zarnower und Karol Kryński. 

Im Mai/Juni 1923 fand in Vilnius die erste Schau mit polnischer konstruktivistischer Kunst statt, die Ausstellung Neuer Kunst/Wystawa Nowej Sztuki, die der litauische Maler Vytautas Kairiūkštis (1890-1961) und der Pole Władysław Strzemiński organisiert hatten. Beide hatten in Moskau studiert und waren gut mit Kasimir Malewitsch bekannt. Außer ihnen nahmen an der Ausstellung Maria Puciatycka, Stażewski, Kryński, Szczuka und Zarnower teil. In den letzten Monaten des Jahres 1923 wanderte die Warschauer Ausstellung „Junger Kunst“ nach Łódź und wurde dort durch die komplette Ausstellung aus Vilnius ergänzt. In Łódź trafen also Sturm-Künstler, die Gruppe Jung Idysz und die neuen polnischen Konstruktivisten erstmals in einer Ausstellung aufeinander.[81] Die Konstruktivisten gründeten im Anschluss an die Ausstellung in Vilnius zusammen mit anderen in Warschau die Gruppe „Blok“ Kubistów, Suprematystów i Konstruktywistów/Der Block, Kubisten, Suprematisten und Konstruktivisten, die bis 1926 bestand. Das erste Heft ihrer Zeitschrift mit dem Titel Blok. Czasopismo awangardy artystycznej/Der Block. Zeitschrift der künstlerischen Avantgarde erschien in acht Ausgaben vom 3. März 1924 bis zum 1. März 1926.[82]

Walden war also zweifellos über die aktuelle Kunstentwicklung in Polen bestens informiert. Schon im Juni 1923, also etwa gleichzeitig mit den Ausstellungen in Warschau und Vilnius, waren im Sturm zwei der wichtigsten Protagonisten der späteren Gruppe Blok, das Künstlerpaar Zarnower und Szczuka, an einer Gruppenausstellung mit nur zwei weiteren Künstlern, dem Ungarn Aurél Bernáth (1895-1982) und dem Bauhaus-Künstler Lothar Schreyer (1886-1966), beteiligt (PDF 22). Bernáth, der in der Künstlerkolonie Nagybánya studiert hatte, malte seit Anfang der Zwanzigerjahre expressionistisch. Schreyer, der seit 1916 als Autor und Schriftleiter an der Sturm-Zeitschrift mitarbeitete, hatte 1918 zusammen mit Walden die expressionistische Sturm-Bühne gegründet und bis 1921 geleitet. Von 1921 bis 1923 führte er als Meister die Bühnenwerkstatt des Weimarer Bauhauses. Zarnower zeigte in dieser Ausstellung Gips- und Betonplastiken, Zeichnungen und Aquarelle, darunter Entwürfe für Denkmäler und Architekturen, aber auch figürliche Arbeiten wie Akte und den Entwurf für einen „Mechanischen Mann“. Szczuka stellte ebenfalls Denkmal- und Architekturentwürfe aus, außerdem „Raumkonstruktionen“ und ein „Theaterprojekt“ sowie siebzehn Blätter mit Poesie. Ein Aquarell ist als „suprematistisch“ ausgewiesen. 

Zwei gleichzeitig in der Sturm-Zeitschrift erschienene Bildtafeln zeigen vermutlich Werke aus der Ausstellung. Die „Architektur-Plastik“ von Zarnower (Abb. 12) mit dem Charakter eines schweren, vollplastischen Bronzegusses, auch wenn aufgrund des Katalogeintrags nur Gips oder Beton als Material infrage kommen, erinnert an die kubistischen Werke von Alexander Archipenko (1887-1964), der 1920-23 in Berlin lebte, oder an die stereometrischen Schichtungen von Jacques Lipchitz (1891-1973), der aus Litauen stammte, aber in Paris studiert hatte und dort ansässig war. Bei den übrigen Werken von Zarnower in der Ausstellung, darunter ein Aquarell zum Thema „Revolution“, kämen aufgrund der Titel Entwürfe von Wladimir Tatlin (1885-1953) als Vergleiche infrage. Beim „Mechanischen Mann“ könnten Plastiken von Archipenkos „Médranos“ (1913) bis zu Hausmanns „Mechanischem Kopf“ (1919/20) als Anregungen gedient haben. Noch deutlicher an Tatlin, nämlich an dessen „Monument für die Dritte Internationale“ (1919/20) und seine „Konterreliefs“ aus geometrischen Formen und Stäben, erinnert die „Raumkonstruktion“ von Szczuka (Abb. 13). Diese Arbeit ist aus anderen zeitgenössischen Fotografien unter dem Titel „Denkmal des Revolutionärs“ (1922) und in einer modernen Rekonstruktion bekannt.[83] Auch das „Suprematistische Aquarell“ deutet auf russische Vorbilder, nämlich von Malewitsch und El Lissitzky. In der Sturm-Gesamtschau im Juli 1923 war das Künstlerpaar erneut vertreten, Zarnower mit einem Akt und dem „Mechanischen Mann“, Szczuka mit einer „Suprematistischen Zeichnung“ (PDF 23).

[78] Vergleiche Kaufhof / Warenhaus Tietz auf https://deu.archinform.net/projekte/1770.htm#cite_note-7

[79] Katalog der ersten internationalen Kunstausstellung Düsseldorf 1922 vom 28. Mai bis 3. Juli 1922 im Hause Leonhard Tietz, A.-G., Düsseldorf / Veranstalter: Das Junge Rheinland, Düsseldorf 1922. ­– Ich danke der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Stiftung Weimarer Klassik, Digitale Sammlungen, für Überlassung entsprechender Auszüge aus dem Katalog.

[80] Henryk Berlewi: Międzynarodowa wystawa sztuki w Düsseldorfie, in: Nasz Kurier, Nr. 209, Warschau, 2. August 1922; englische Übersetzung auf https://modernistarchitecture.wordpress.com/2010/10/22/henryk-berlewi%E2%80%99s-%E2%80%9Cthe-international-exhibition-in-dusseldorf%E2%80%9D-1922/

[81] Zur Internationalen Ausstellung „Junger Kunst“ 1923 in Warschau und Łódź vergleiche Głuchowska 2012 (siehe Literatur), Seite 470 sowie Bartelik 2005 (siehe Literatur), Seite 151, 159. Zur Ausstellung Neuer Kunst 1923 in Vilnius vergleiche Viktoras Liutkus: Lithuanian Art and the Avant-Garde of the 1920s. Vytautas Kairiūkštis and the New Art Exhibition in Vilnius, in: Lithuanian Quarterly Journal of Arts and Sciences, Band 54, Nr. 2, Vilnius 2008, online: http://www.lituanus.org/2008/08_2_03%20Liutkus.html

[82] Informationen zur Gruppe Blok und Download sämtlicher Ausgaben der Zeitschrift online auf Monoskophttps://monoskop.org/Blok
[83] Głuchowska 2012 (siehe Literatur), Seite 469, Abbildung 14