Stefan Arczyński. Ein Meister der Fotografie in zwei Kulturen
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Arczyńskis Interesse galt den Erscheinungsformen des gesellschaftlichen und des kulturellen Lebens. Bekannt sind viele seiner Stadtansichten und seine Aufnahmen historischer Bauwerke, so dass man sagen darf, seine Fotografien hätten den nahezu unbekannten Landesteil nahegebracht, der 1945 wieder zu Polen kam. Dabei näherte er sich Details akribisch mit der Sorgfalt eines Dokumentars. Sein besonderes Augenmerk galt der Stadt Wrocław. Die Aufnahmen der Odermetropole aus verschiedenen Zeitabschnitten stellen heute ein wertvolles Zeugnis für den enormen Wandel der Stadt nach 1945 dar.
Bei alledem war die fotografische Bewahrung der wichtigsten Baudenkmäler der Stadt mit ihren Kirchen, den weltlichen Gebäuden und den Nutzbauwerken eine Herausforderung. Dass er diese Aufgabe beispielhaft gemeistert hat, kommentiert der ausgewiesene Kenner polnischer Fotografie Adam Sobota wie folgt:
„Ausgezeichnet hat ihn seine Fähigkeit, handwerkliche Solidität mit der damals selten verwendeten Ästhetik der Moderne zu verbinden, die sich bei voller Nutzung der Grauskala in der dynamischen Gegenüberstellung von Formen und Flächen manifestiert. Diese Art der Fotografie schloss die Lücke zwischen der avantgardistischen und der piktorialistischen Fotografie.“[1]
Arczyński spezialisierte sich auf schwierige und anspruchsvolle Fotografien von Theater- und Opernszenen. So hat er die Arbeit des Wrocławski Teatr Pantomimy Henryka Tomaszewskiego (Breslauer Henryk Tomaszewski-Pantomimetheater) viele Jahre begleitet, indem er in den Aufführungen fotografierte, mit dem Theater auf Auslandstourneen ging und die Künstler in seinem Atelier porträtierte.
1952 lernte er seine spätere Frau, die Ballettsolistin Lidia Cichocka, kennen, von der er damals ein Plakatporträt machen sollte und die schließlich oft eine Inspiration für seine Bilder war. Er reiste viel um die Welt. 1960 besuchte er die USA, wo er nach langen Jahren der Trennung seinen Bruder traf. Sein Gesamtwerk umfasst Aufnahmen aus allen Gegenden der Welt, zumal aus Europa, China, Indien, Afrika und den USA.
Hunderte Bilder haben sich im Laufe der Zeit zu Serien gefügt, die der Fotograf in vielen Ausstellungen im In- und Ausland erfolgreich zeigte. In Publikationen diverser Verlage, unter anderem Ossolineum, Arkady, Sport i Turystyka, Ruch sowie in den letzten Jahre auch Via Nowa, erschienen Bilder von ihm. Arczyński war auch der Urheber von Aufnahmen, die auf vielen Titelseiten von Zeitschriften gedruckt wurden und als Motive für Ansichtskarten dienten. Seine künstlerischen Leistungen wurden mit diversen Diplomen und Medaillen gewürdigt. In diesem Sinne wurde er als einziger Empfänger in der Geschichte des Preises der Stadt Wrocław (Nagroda Miasta Wrocławia) zwei Mal mit dieser Auszeichnung bedacht (1959, 2000). Arczyński wurde mehrfach für die Ehrenbürgerwürde der Stadt nominiert und er hat den renommierten Schlesischen Kulturpreis erhalten (Śląska Nagroda Kulturalna, 1992). Der polnische Minister für Kultur und nationales Erbe verlieh ihm ebenfalls zwei Mal die Gloria-Artis-Medaille für kulturelle Verdienste (Medal Zasłużony Kulturze Gloria Artis): 2006 in Silber und 2011 in Gold.
Arczyński, der im Laufe seines langen Lebens viele dramatische Ereignisse des 20. Jahrhunderts kennengelernt hat, blieb ein Mensch zweier Kulturen. Seine Beziehungen zu Deutschland und den Deutschen hat er nie verleugnet. Er hat wiederholt als Fotograf für deutsche Verlage gearbeitet und da er die Empfindlichkeiten und die Erwartungshaltungen der Deutschen kannte, erfreute er sich großer Beliebtheit. Über diese deutschen Bindungen schrieb vor einigen Jahren treffend der Historiker Michał Kaczmarek:
„Wie kein anderer der polnischen Kunstschaffenden fühlt er, der die Seele des deutschen Lesers kennt, der einst das Land verließ, sich ausgezeichnet in seine Psyche ein, liest seine Träume und seine Sehnsucht nach dem verlorenen Reich der Kindheit. Doch gleichzeitig holt er all das hervor, was in den Landschaften universell und zeitlos sowie gegen politische Veränderungen resistent ist. Sein konsequentes und eindeutiges Handeln stellt ihn heute in eine Reihe dieser Künstler, die ihr Leben lang das Werk der Annäherung zwischen den beiden Nachbarländern umgesetzt haben, und zwar ohne sich in die Politik zu vertiefen, ohne überflüssige Worte und ohne hochtrabende Sprüche.“[2]
Krzysztof Ruchniewicz, Mai 2019