Stefan Arczyński. Ein Meister der Fotografie in zwei Kulturen
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Die Herausforderungen des Kriegs
1938 wird Arczyński als Reichsbürger erst zum Arbeitsdienst und dann, nach dem Ausbruch des Krieges, zum deutschen Militär eingezogen, wo er erst in der Luftwaffe und später in der Infanterie diente. Sein Beruf als Fotograf bewahrte ihn davor, den Einheiten zugeteilt zu werden, die Polen überfielen. Sein Bruder Tadeusz nahm hingegen am Polenfeldzug teil und kämpfte als Offizier im polnischen Heer.
Bei alledem traf die Geschwister Arczyński eine große Tragödie. Nach Ausbruch des Krieges kam es zu Massenverhaftungen von Mitgliedern polnischer Organisationen in Deutschland. Die meisten wurden in Lager deportiert, wo ein Teil von ihnen das Leben verlor. Dieses Schicksal traf auch den Vater, Wiktor Arczyński, der mit anderen Angestellten von Krupp, die wie er Mitglieder des Bundes der Polen in Deutschland waren, verhaftet und wegen „Polenfreundlichkeit“ zum Tode verurteilt wurde. Das Urteil wurde 1940 in Berlin vollstreckt. Auch Stefan Arczyński wurde einige Wochen in den Gefängnissen in Berlin-Moabit und Berlin-Plötzensee festgehalten und mit seinem Vater konfrontiert, bis er schließlich freigelassen und zu einer Einheit der Luftwaffe abgestellt wurde.
Das Regiment, in dem Arczyński Luftaufnahmen entwickelte und sicherte, nahm am Frankreichfeldzug teil. Später wurde er an die Ostfront abkommandiert, wo er am Überfall auf die Sowjetunion mitwirkte und an den Kämpfen um Stalingrad beteiligt war. An der Front hatte er immer seinen Fotoapparat dabei. Im Januar 1942 wurde er verwundet und in Artjomowsk ärztlich versorgt, was ihn vor dem Tod im Kessel von Stalingrad bewahrte. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde er hinter die Front geschickt. In den Genesungslazaretten in Ziemia Kłodzka (Glatzer Land), Kłodzko [dt. Glatz] und Międzygórze [dt. Wölfelsgrund] kehrte er allmählich zu Kräften zurück. Nachdem er wiederhergestellt war, schickte man ihn erneut zu seiner Stammeinheit der Luftwaffe an die Ostfront zurück, die sich zu diesem Zeitpunkt im Baltikum befand. Das Kriegsende erlebte er in Lettland, wo er in russische Gefangenschaft geriet. Dort ging er mehreren Beschäftigungen nach, unter anderem in einer Streichholzfabrik, einer Brauerei und in einem Sägewerk. Zu seinem Glück wurde er nicht ins tiefste Russland deportiert.
Nach mehrmonatiger Gefangenschaft übergaben ihn die Russen den polnischen Behörden. Die Gründe für seine Entlassung waren seine polnische Herkunft und das tragische Schicksal des Vaters, eines Funktionärs im Bund der Polen in Deutschland. Er kam in das Durchgangslager in Sieraków bei Poznań [dt. Zirke bei Posen].
Ganz anders verlief das Nachkriegsschicksal von Bruder Tadeusz. Ihn verschlug es nach dem sowjetischen Überfall auf Polen nach Lettland, wo er nach der russischen Annexion der Republik festgesetzt und in ein Arbeitslager nach Sibirien verschleppt wurde. Schließlich verließ er die UdSSR mit der nach dem polnischen General Władysław Anders benannten Anders-Armee und war danach an Kämpfen in Italien, unter anderem bei Monte Cassino, beteiligt. Nach dem Krieg kehrte er nicht nach Polen zurück, sondern blieb im Ausland und siedelte sich in Kalifornien in den USA an.