Sławomir Elsner. Präzision und Unschärfe
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Nicht in der Wiesbadener Ausstellung berücksichtigt sind mehrere Serien von Farbstiftzeichnungen, die der Künstler ab 2006 nach Cindy Shermans „Untitled Film Stills“ und unter den Titeln „Populaires“, „Displaced“, „Odyssee“ und „Selfshots“ nach Fotografien und mit unterschiedlichen konzeptionellen Implikationen gearbeitet hat. Sie wurden 2012 anlässlich der Verleihung des Falkenrot Preises an den Künstler im Künstlerhaus Bethanien in Berlin gezeigt und sind durch den begleitenden Katalog dokumentiert. 2006 zeigte die Galerie Gebr. Lehmann in Dresden Elsners Ölgemälde aus der Serie „Panorama“, zu der im selben Jahr nicht weniger als 130 Bilder in unterschiedlichen Größen vom Kabinettstück bis zum wandfüllenden Format entstanden sind, und gab dazu zwei Jahre später einen umfangreichen Katalog heraus. In dieser Serie übertrug der Künstler Zeitschriftenfotos aus dem Jahrgang 1976 der in Kattowitz erschienenen Publikumszeitschrift „Panorama“, also aus seinem Geburtsjahr, in die Ölmalerei. Die Besonderheit der Zeitschriftenbilder bestand darin, dass sie aus westlichen Presseprodukten ausgeschnitten und nachgedruckt worden waren um der sozialistischen Wirklichkeit in Polen eine gewisse Weltoffenheit gegenüberzustellen, die noch dazu in ebenfalls reproduzierten Pin-up-Girls, den „Mädchen der Woche“, gipfelte. Elsner dokumentierte in seinen Gemälden nicht nur die graphischen und farblichen Unvollkommenheiten dieser Wiederabdrucke, sondern hielt vor allem „die Wurzeln und politischen Bedingungen der zeitgenössischen visuellen Kultur“ im Bild fest, wie der Warschauer Kunsthistoriker, Publizist und Galerist Łukasz Gorczyca im Katalogbuch schreibt. Elsner habe analysiert „wie grafische und politische Deformationen unser Bewusstsein, unsere Sensibilität und unsere historische Erinnerung bis heute prägen“.
Die Wiesbadener Ausstellung geht einher mit der für das Jahr 2020 erfolgten Verleihung des Otto-Ritschl-Preises an Sławomir Elsner. Der Preis wird vom Museumsverein Ritschl e.V. in Zusammenarbeit mit dem Museum verliehen und ist mit einem Preisgeld und der vom Museum ausgerichteten Ausstellung verbunden. Verliehen wird der Preis im Andenken an den in Wiesbaden ansässigen Schriftsteller und Maler Otto Ritschl (1885-1976), einen herausragenden Vertreter der abstrakten Kunst. Er geht an überregional bedeutende Künstlerinnen und Künstler, deren Werk „thematisch Farbe und Farbraum zum Gegenstand hat“ und wurde zuvor 2001 an Gotthard Graubner, 2003 an Ulrich Erben, 2009 an Kazuo Katase und 2015 an Katharina Grosse verliehen. Anlässlich der Preisverleihung führte Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden und Mitglied der Jury aus: „Schon seit vielen Jahren beobachte ich das hohe künstlerische Niveau und die beeindruckende Konsequenz, mit der Elsner sich den malerischen Grundphänomenen Licht und Farbe zuwendet und dabei eine sehr eigenständige Position im zeitgenössischen Kunstgeschehen entwickelt.“
Axel Feuß, Februar 2022
Literatur:
Slawomir Elsner. Präzision und Unschärfe / Precision and Chance, herausgegeben von Andreas Henning und Lea Schäfer, Ausstellungs-Katalog Museum Wiesbaden und Dr. Cantz’sche Verlagsgesellschaft, Berlin, 2021 (mit Aufsätzen von Lea Schäfer: Zur Aneignung des visuellen Gedächtnisses – Bilddiskurse im Frühwerk von Slawomir Elsner; Anne-Marie Bonnet: Paradoxien der Schönheit – Slawomir Elsners zeichnerisch-malerische Evokationen; Nils Ohlsen: Lichtatem – Slawomir Elsners abstrakte Aquarelle; 144 Seiten, deutsch/englisch)
Sławomir Elsner. Colored Pencil Drawings. Falkenrot Preis 2012, Ausstellungs-Katalog Künstlerhaus Bethanien, Berlin 2012 (mit Texten von Raimar Stange: Windows on the World. Kunst nach Nine-Eleven; Natalie de Ligt: Populaires. Bilder entstehen im Kopf; Esther Ruelfs: Stills. An den Rändern des Mediums; Chris Lünsmann: Phantome. Die im Dunkeln sieht man doch; Karin Pernegger: Selfshots. Die Löschung des Selbstbildnisses; 96 Seiten, deutsch/englisch)
Sławomir Elsner. Panorama, Ausstellungs-Katalog Galerie Gebr. Lehmann, Dresden/Berlin, Köln: Dumont-Buchverlag, 2008 (mit einem Text von Łukasz Gorczyca: Panorama, 1976; 158 Seiten, polnisch/deutsch/englisch)
Links:
Curriculum Vitae von Sławomir Elsner auf der Webseite der Galerie Gebr. Lehmann, Dresden/Berlin, zuletzt vervollständigt bis 2021, https://www.galerie-gebr-lehmann.de/artists/slawomir-elsner/cv/
Ausstellung im Hospitalhof Stuttgart, 2015, https://www.hospitalhof.de/kunst/ausstellungen-archiv/slawomir-elsner-nichts-ist-wie-es-scheint/
Ausstellung als Sommergast 2017 in den Museen Böttcherstraße in Bremen, https://www.museen-boettcherstrasse.de/ausstellungen/sommergast-2017-slawomir-elsner/
Ausstellung in der Sammlung Blauer Reiter des Lenbachhauses München 2020, https://www.lenbachhaus.de/entdecken/ausstellungen/detail/slawomir-elsner
Ausstellung „Präzision und Unschärfe“ im Museum Wiesbaden, 2021/22, https://museum-wiesbaden.de/slawomir-elsner
Interview mit Ritschl-Preisträger Sławomir Elsner auf der Webseite der Freunde des Museums Wiesbaden, 2021, https://www.freunde-museum-wiesbaden.de/news/interview-mit-slawomir-elsner/
(Alle Links wurden zuletzt im Februar 2022 aufgerufen.)