„Malerfürst“ Jan Matejko in der Bundeskunsthalle
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Alle drei, Lenbach, Kaulbach und Stuck, waren ebenso wie Makart bürgerlicher Herkunft[7] und verdankten den vom Volksmund, vom Kunstpublikum und der Presse verliehenen Titel als „Malerfürst“ keineswegs den ihnen im Laufe ihrer Karriere verliehenen Adelstiteln. Das bayerische Königshaus und insbesondere Prinzregent Luitpold (1821-1912) erhoben in geradezu inflationärer Weise Künstler zu Professoren und in den persönlichen Adelsstand,[8] was natürlich dennoch einen Höhepunkt in der jeweiligen Biografie darstellte. Die Reputation als „Maler‑“ oder „Künstlerfürst“ speiste sich vielmehr aus einer Vielzahl an persönlichen und beruflichen Merkmalen: der Gunst der jeweiligen Monarchen und dem persönlichen Umgang mit ihnen und anderen Fürstlichkeiten, dem durch Kunst erworbenen Reichtum vorzugsweise aus den Bereichen der Historien‑ und der Porträtmalerei, dem Besitz herrschaftlich ausgestatteter Ateliers und Villen, Huldigungen durch Presse und Öffentlichkeit, repräsentativem Auftreten bei Künstlerfesten und Festzügen und nicht zuletzt Freigebigkeit gegenüber Künstlervereinigungen und jüngeren Malerkollegen.
Diese Merkmale ließen sich natürlich auch anderen Künstlerpersönlichkeiten zuordnen. Schon Kaulbachs Onkel, der Akademiedirektor Wilhelm von Kaulbach (1805-1874), hatte alle diese Eigenschaften öffentlichkeitswirksam gepflegt.[9] Über den „Malerfürsten“ Carl von Piloty schrieb der Münchner Kunstschriftsteller Friedrich Pecht (1814-1903), dieser gehöre wie nach ihm Makart zu jenen Künstlern, „die sich im Umgang mit den Großen dieser Welt gefallen“.[10] Der in München gefeierte Maler Gabriel von Max (1840-1915) verschmähte hingegen die ihm von der Öffentlichkeit zugedachte Rolle eines „Malerfürsten“ und zog sich in die Einsamkeit am Starnberger See zurück,[11] während vor einigen Jahren anlässlich einer Berliner Ausstellung Max Liebermann (1847-1935) neben Lenbach und Stuck zum „Künstlerfürsten“ ernannt wurde.[12] Auch den seit 1863 in München lebenden polnischen Maler Józef Brandt (1841-1915), der sich in Deutschland aufgrund seiner Herkunft aus einer polnischen Adelsfamilie Josef von Brandt nannte und die in der bayerischen Hauptstadt ansässige polnische Künstlerkolonie anführte, seinen Ruhm mit Historiengemälden begründete, sich später aber auf Jagd- und Reitermotive spezialisierte, ein prächtiges Atelier, eine repräsentative Münchner Wohnung und ein adliges Gut in Polen besaß, freundschaftlichen Umgang mit dem bayerischen Prinzregenten pflegte und sich gemeinsam mit dem ähnlich erfolgreichen und wohlsituierten polnischen Maler Alfred Wierusz-Kowalski (1849-1915) um die jüngeren polnischen Malerkollegen kümmerte, kann man aufgrund aller dieser Merkmale als „Malerfürsten“ bezeichnen.[13]
Nun hat die Bundeskunsthalle in Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, in Kooperation mit dem Nationalmuseum Krakau/Muzeum Narodowe w Krakowie nach dreijähriger Vorbereitungszeit in einer umfangreich angelegten Ausstellung unter dem Titel „Malerfürsten“ (Bonn, 29.9.2018-27.1.2019, Abb. 16-21) den vier klassischen Vertretern, Makart, Lenbach, Kaulbach und Stuck, drei weitere europäische Maler zugeordnet: den Engländer Frederick Lord Leighton (1830-1896), den Polen Jan Matejko (1838-1893) und den in Paris und Luxemburg ansässigen Ungarn Mihály von Munkácsy (1844-1900). Erarbeitet wurde die Ausstellung von der freien Kuratorin Doris H. Lehmann, die zur Wiener Historienmalerei promovierte und schon früher zum Thema „Malerfürsten“ publizierte.[14] Für die Bundeskunsthalle wurde die Ausstellung von der aus Polen stammenden Kuratorin Katharina Chrubasik verantwortet, die 2008 in Bonn über das Grabmal König Władysław II. Jagiełło auf dem Wawel in Krakau promovierte.[15] Zur Ausstellung erschien ein dreihundert Seiten starker Katalog mit Aufsätzen der beiden Kuratorinnen und von Fachkollegen, die bereits früher zum Umfeld der genannten „Malerfürsten“ publiziert haben. Darüber hinaus enthält der Katalog Biografien der Künstler, Einführungen zu den Ausstellungskapiteln, durchgehend farbige Abbildungen zu etwa achtzig Prozent der Ausstellungsobjekte, eine vollständige Liste der rund 380 gezeigten Werke und eine Bibliografie.
[7] Jooss, Birgit: „Bauernsohn, der zum Fürsten gedieh“. Die Inszenierungsstrategien der Künstlerfürsten im Historismus, in: Plurale. Zeitschrift für Denkversionen, 5, 2005, Seite 196-228
[8] Jooss, Birgit: „Ein Tadel wurde nie ausgesprochen“. Prinzregent Luitpold als Freund der Künstler, in: Ulrike Leutheusser/Hermann Rumschöttel (Herausgeber): Prinzregent Luitpold von Bayern. Ein Wittelsbacher zwischen Tradition und Moderne, München 2012, Seite 159 f.
[9] Vergleiche das Kapitel „Der Künstlerfürst“, in: Brigitte Langer: Das Münchner Künstleratelier des Historismus, Dachau 1992, Seite 51-53
[10] Friedrich Pecht: Carl von Piloty. Ein Malerfürst der Gegenwart, in: Die Gartenlaube, Nr. 40, 1880, Seite 651 (Digitalisat: https://archive.org/details/bub_gb_JVxRAAAAYAAJ/page/n657)
[11] Neue Deutsche Biographie 16, 1990, Seite 457 f., online: https://www.deutsche-biographie.de/sfz59357.html#ndbcontent
[12] Künstlerfürsten. Liebermann, Lenbach, Stuck, Ausstellungs-Katalog Max-Liebermann-Haus, Berlin 2009
[13] Axel Feuß: Józef Brandt – Ein polnischer Malerfürst in München, Online-Ausstellung auf diesem Portal, https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/jozef-brandt
[14] Doris H. Lehmann: Historienmalerei in Wien. Anselm Feuerbach und Hans Makart im Spiegel zeitgenössischer Kritik (zugleich Dissertation Universität Köln, 2005), Köln 2011; Doris H. Lehmann: Status „Malerfürst“. Konstrukt oder soziales Phänomen?, in: The Artist Between Court and City, herausgegeben von Dagmar Eichberger und anderen, Petersberg 2017, Seite 68-97
[15] Katharina Chrubasik: Das Grabmal von Ladislaus II. Jagiełło (1386 - 1434). Inszenierung und Legitimation der Macht (Dissertation Universität Bonn, 2008), Bonn 2009