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Karol Broniatowski. Gegenwart und Abwesenheit der Skulptur

Karol Broniatowski, Ausstellung im Willy-Brandt-Haus, Berlin 1998.

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  • Abb. 1a: Zeitungspapierfiguren - Zeitungspapier, Polyester. Diplomausstellung, Antresola, Akademie der Bildenden Künste, Warschau.
  • Abb. 1b: Zeitungspapierfiguren - Teil rechts von 1a.
  • Abb. 1c: Während der Arbeit an den Zeitungspapierfiguren - In der Akademie der Bildenden Künste, Warschau.
  • Abb. 2: Zeitungspapierfiguren, fotografiert in Warschau-Radość - Zeitungspapier, Polyester, Höhe 175 cm.
  • Abb. 3a: Zeitungspapierfiguren - Ausstellung Biuro Wystaw Artystycznych in Lublin.
  • Abb. 3b: Auf der Biennale in Venedig - Ausstellung der Zeitungspapierfiguren.
  • Abb. 4: Big Man - Projektzeichnung, in: Ausstellungs-Katalog Big Man, Neuer Berliner Kunstverein.
  • Abb. 5: Big Man, Fragment 1: Zeitungspapier und Granit - 9 Pakete zu je 100 Tageszeitungen, Höhe: 17-24 cm; Impala-Granit, Höhe 4,5-9 cm, ausgestellt im Neuen Berliner Kunstverein.
  • Abb. 6: II. Präsentation des Big Man - Bronze, Holzplatte, 103 x 103 x 10 cm.
  • Abb. 7: III. Präsentation des Big Man - Performance „Klopfspiel“ im Dom Plastyka, Warschau.
  • Abb. 8: Performance „Werkzeug“, 1979 - Muzeum Sztuki, Łódź 1979.
  • Abb. 9: Auf- und abbaubare Figur - Bronze, Höhe: 42 cm.
  • Abb. 10a: Selbstporträt in zwölf Stadien - Bronze, Höhe 16-28 cm.
  • Abb. 10b: Selbstporträt in zwölf Stadien 2 - Bronze, Höhe 25 cm.
  • Abb. 11: Wettbewerb Europa-Center - 2. Preis für Idee für den Breitscheidplatz, Berlin.
  • Abb. 12a: Wettbewerb Prinz-Albrecht-Palais - Gestaltung der künftigen Gedenkstätte, Berlin. Ankauf des Entwurfs.
  • Abb. 12b: Wettbewerb Prinz-Albrecht-Palais 2 - In Zusammenarbeit mit Architekten Bangert, Jansen, Scholz, Schultes.
  • Abb. 13: Wettbewerb Kurfürstendamm - 1. Platz für die Idee zur Platzgestaltung Kurfürstendamm/Joachimsthaler Straße, Berlin.
  • Abb. 14: Skulpturenprojekt Römerberg - Wettbewerb für eine Großskulptur auf dem neu zu bebauenden Römerberg in Frankfurt.
  • Abb. 15a: Brunnenanlage mit drei Bronzeplastiken - Auf dem Franz-Neumann-Platz, Berlin-Reinickendorf. Granit, Bronze.
  • Abb. 15b: Brunnen auf dem Franz-Neumann-Platz - Detail.
  • Abb. 15c: Brunnen auf dem Franz-Neumann-Platz - Draufsicht.
  • Abb. 16: Säulenreihe am Albert-Einstein-Gymnasium - Berlin-Neukölln, 9 Säulen, Beton, Höhe 80 bis 650 cm.
  • Abb. 17a: Mahnmal für die deportierten Juden Berlins - S-Bahnhof Berlin-Grunewald. Beton, Höhe: 300 cm, Breite: 200 cm, Tiefe: 80-150 cm.
  • Abb. 17b: Mahnmal für die deportierten Juden Berlins - Detailaufnahme.
  • Abb. 17c: Mahnmal für die deportierten Juden Berlins - Detailaufnahme 2.
  • Abb. 18: Schreitende Figur II - Bronze, Höhe 190 cm.
  • Abb. 19: Akt II - Bronze, Höhe: 113 cm.
  • Abb. 20: Akt III - Bronze, Höhe 147 cm.
  • Abb. 21: Akt IV - Bronze, Höhe 127 cm.
  • Abb. 22: Iris - Bronze, Höhe: 75 cm. Ausstellung in der Galeria Sztuki Współczesnej Zachęta, Warschau.
  • Abb. 23: Gruppe 93 - (auch: Kleine Schreitende) Bronze, Höhe 23 bis 30 cm.
  • Abb. 24: Fuß von Bendern - Hof der LGT-Bank in Bendern/Liechtenstein., Bronze, Höhe: 515 cm.
  • Abb. 25: Kreis - Gouache, 110 x 103 cm.
  • Abb. 26: Vier rote Frauenfiguren - Gouache, 110 x 137 cm.
  • Abb. 27: Blick in die Ausstellung - Galeria Sztuki Współczesnej Zachęta, Warschau.
  • Abb. 28: Zeitungspapierfiguren von 1975 - Die Ausstellung galt Arbeiten von 1969-1999.
  • Abb. 29: Zeitungspapierfiguren von 1975 - Detail. Die Ausstellung "Karol Broniatowski. Werke von 1969-1999"
  • Karol Broniatowskis Mahnmal für die deportierten Juden Berlins - Film von Liu Ke.

    Karol Broniatowskis Mahnmal für die deportierten Juden Berlins

    Film von Liu Ke.
Karol Broniatowski, Ausstellung im Willy-Brandt-Haus, Berlin 1998.
Karol Broniatowski, Ausstellung im Willy-Brandt-Haus, Berlin 1998.

Seit 1983 lebt Broniatowski in Berlin. Bereits seit 1981 hatte er sich in Deutschland an Gestaltungswettbewerben für den öffentlichen Raum beteiligt: in Berlin für das Europacenter am Breitscheidplatz, 1984 für die geplante Gedenkstätte auf dem Gelände des Prinz-Albrecht-Palais sowie für die Platzgestaltung an der Ecke Kurfürstendamm/Joachimsthaler Straße, 1983 in Frankfurt am Main für eine Skulptur auf dem neu zu bebauenden Römerberg (Abb. 11-14). Eine tiefgreifende Modellierung des Terrains durch verschiedene Ebenen und Treppenanlagen (Abb. 11, 12a), aber auch die Gliederung großer Flächen durch Säulen oder Stelen (Abb. 12b, 13) sind zu beobachten. Die Treppenanlage der Gedenkstätte Prinz-Albrecht-Palais[10] sollte auf einer Fläche von 40 x 40 Metern die Form einer auf die Spitze gestellten Pyramide erhalten (Abb. 12a). Sie hätte in gewisser Weise die Treppenanlagen des Nazi-Architekten Albert Speer (1905-1981) auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg ironisiert: Während jene auf die Kanzel hinaufführten, von der Hitler seine Reden hielt, wollte Broniatowski die Besucher mit seiner Treppenanlage zwölf Meter in die Tiefe leiten, wo man mittels eines Durchgangs von 150 Zentimetern Höhe das Ruinengelände hätte unterqueren können. Für den Frankfurter Römerberg projektierte der Künstler eine monumentale Sphinx nach griechischem Vorbild (Abb. 14).

Ebenfalls als Ergebnis eines Wettbewerbs erhielt er 1984 den Auftrag für die Gestaltung eines Springbrunnens auf dem neu zu gestaltenden Franz-Neumann-Platz zwischen der Mark- und der Residenzstraße in Berlin-Reinickendorf.[11] Korrespondierend zur Form des Platzes entwickelte er eine dreieckige Brunnenanlage mit drei Ebenen, auf denen er jeweils eine überlebensgroße sitzende, eine kniende und eine liegende weibliche Aktfigur aus Bronze platzierte (Abb. 15a-c). Gegossen wurden die Figuren in der Berliner Bildgießerei Hermann Noack, in der schon Ernst Barlach, Henry Moore und später Georg Baselitz ihre Plastiken produzieren ließen und mit der Broniatowski bis heute zusammenarbeitet.[12] Michael S. Cullen sah dort die Figuren gleich nach ihrer Fertigstellung und entdeckte „nichts Heiteres, eher etwas Nachdenkliches“ in den Gesichtern und vermutlich auch in der Körperhaltung.[13] Ihre Oberfläche zeigt absichtlich nicht geglättete Strukturen des Tonmodells, Folgen des Aufbaus der Figuren aus einzelnen Tonklumpen, wie sie noch prägnanter bei Broniatowskis Arbeiten an der Warschauer Akademie[14] oder beim Selbstporträt von 1981 (Abb. 10a, b) sichtbar sind. 1989 schuf er für das Albert-Einstein-Gymnasium in Berlin-Neukölln eine Säulenreihe zur Akzentuierung der Gebäudeform (Abb. 16).[15]

1991 wurde dem Künstler die Gestaltung eines Mahnmals übertragen „zum Gedenken an die mehr als 50.000 Juden Berlins, die zwischen Oktober 1941 und Februar 1945 vorwiegend vom Güterbahnhof Grunewald aus durch den nationalsozialistischen Staat in seine Vernichtungslager deportiert und ermordet wurden“.[16] Auftraggeber waren der Berliner Senat und der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Der erste Deportationszug mit 1.251 Juden hatte den Bahnhof Grunewald am 18. Oktober 1941 verlassen. Von Gleis 17, aber auch vom Güterbahnhof Moabit und vom Anhalter Bahnhof, gingen bis Kriegsende 185 Transporte mit jeweils mehr als eintausend Menschen zunächst in die Ghettos von Litzmannstadt (Łódź), Minsk, Riga und Warschau, ab Ende 1942 in das Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt und in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Vom Bahnhof Grunewald fuhren etwa 35 Züge mit 17.000 Juden nach Auschwitz.[17]

Broniatowski gestaltete das „Mahnmal für die deportierten Juden Berlins“ (Abb. 17a-c) als über zwanzig Meter lange Betonwand neben dem heutigen S-Bahnhof Berlin-Grunewald an der Auffahrt zum dortigen Güterbahnhof. Sie stützt und modelliert den dahinter liegenden Hang, auf dem sich Gleis 17 befindet. Bildliche Gestaltungselemente in der Wand sind Aussparungen bzw. Negativformen menschlicher Silhouetten, die als Zug der Deportierten interpretiert werden können, die aber vor allem aus der Nähe ertastbare und greifbare Symbole der ewigen Abwesenheit der deportierten Juden sind  –  „in massiver Materie hinterlassene hohle Spuren menschlicher Präsenz“, wie Lech Karwowski schrieb,[18] die Besucher heute durch das Aufstellen von Kerzen in der Dunkelheit zu Lichtgestalten werden lassen. Der Betonwand verlieh der Künstler durch Bearbeitung mit Steinsägen eine bewegte skulpturale Oberfläche.

[10] Auf dem Gelände des Prinz-Albrecht-Palais und der benachbarten Kunstgewerbeschule befindet sich seit 1987 die 1992 eröffnete Gedenkstätte Topographie des Terrors und seit 2010 das gleichnamige Dokumentationszentrum zur Geschichte des Reichssicherheitshauptamts und der Gestapo.

[13] Michael S. Cullen in: Ausstellungs-Katalog Karol Broniatowski 1984, Seite 10

[14] Abbildungen im Ausstellungs-Katalog Karol Broniatowski 1984, Seite 6 f.

[16] Text der Bronzetafel beim Mahnmal von Karol Broniatowski am Bahnhof Berlin-Grunewald. Der Text fährt fort: „Zur Mahnung an uns, jeder Missachtung des Lebens und der Würde des Menschen mutig und ohne Zögern entgegenzutreten.“ http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/ges…

[17] Andreas Engwert, Susanne Kill: Sonderzüge in den Tod. Die Deportationen mit der Deutschen Reichsbahn. Eine Dokumentation der Deutschen Bahn AG, Köln, Weimar, Wien 2009, Seite 129; Kiran Klaus Patel: Der Bahnhof Grunewald. Die Deportation der Juden aus Berlin (1941-1945), Deutsches Historisches Museum, Berlin: http://www.dhm.de/archiv/ausstellungen/holocaust/univeranstaltung/pg/or…

[18] Lech Karwowski: Der Terminus „Dialektik“ …, in: Ausstellungs-Katalog Karol Broniatowski 1999, Seite 20