Józef Szajna in Maczków
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Józef Szajna - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Selten hat das, was man als „Ironie der Geschichte“ bezeichnet, eine solche Bedeutung erfahren: Das Lager Oberlangen wurde ausgerechnet von Polen befreit, und zwar von der unter den alliierten Verbänden kämpfenden Ersten Panzerdivision des Generals Stanisław Maczek. Die Verblüffung und die Freude müssen geradezu dramatisch gewesen sein, als die polnischen Soldaten völlig unerwartet auf junge polnische Mädchen und Frauen stießen und gemeinsam mit ihnen das Kriegsende feiern konnten. Nur einige Monate später fand eine Massenhochzeit mit über achtzig Paaren statt, nach der später zahlreiche Kinder geboren wurden. Die Stadt erhielt zu Ehren des Generals Maczek den polnischen Namen Maczków sowie eine komplette polnische Verwaltung und Infrastruktur. Auch die Straßennamen wurden ins Polnische geändert. Es gab Kindergärten, Schulen, ein Gymnasium, an dem Szajna Abitur machte, zwei Theater, polnische Bibliotheken und Zeitschriften. Handwerksbetriebe sorgten für den täglichen Bedarf. Das gesellschaftliche Leben war rege. Die Menschen schienen dort glücklich zu sein, und Maczków, für kurze Zeit ein polnisches Paradies in der Fremde, wirkte auf die anderen Polen in Deutschland wie ein Magnet.
Auch Józef Szajna hat hier eine Atmosphäre angetroffen, die er später als seine Wiedergeburt bezeichnete. Bereits nach einem Jahr Aufenthalt in „Klein-Polen“ an der Ems fand er zu seiner alten athletischen Erscheinung zurück, worauf er, betrachtet man die Fotografien von seiner Zeit an der Ems, stolz war. Hier, im polnischen Paradies auf Zeit auf dem Gebiet der Täter, entstand sicherlich auch seine Lebensmission, die auf dem niemals wirklich überwundenen Komplex des eigenen Überlebens basierte. „Wenn ich schon unter solchen unglaublichen Bedingungen überlebt habe“, berichtete er später in zahlreichen Gesprächen und Interviews, „dann möchte ich meine Erfahrungen als Mahnung weiterreichen“. Er wählte dazu die Mittel der bildenden Kunst und des Theaters. Bereits 1947 begann er mit dem Studium an der Krakauer Kunstakademie. Rasch wurde er zu einem der bekanntesten Künstler und Theatermacher der Moderne in Polen und in einem Atemzug mit Jerzy Grotowski sowie Tadeusz Kantor genannt, mit dem er sich persönlich jedoch nie verstand.
Sein Gesamtwerk erreichte Ende der 1970er-Jahre internationale Bedeutung. Seine Gemälde, Theaterstücke und Installationen wurden weltweit, auch in Deutschland, präsent. Aus heutiger Perspektive ist dabei bemerkenswert, dass Szajna in seiner Kunst niemals direkt über den Tod sprechen wollte, sondern sich auf eine „Hinwendung zur Zukunft“ konzentrierte, „zu Begriffen, die mit dem durch den Krieg unterbrochenen Paradigma der Moderne in Verbindung standen, die das Dunkel der jüngsten Erfahrungen vergessen ließen“[3]. Dabei hat er sich stets gegen die Vereinfachung und Schematisierung des Blicks auf die Täter und auf die Lebenswelten nach dem Krieg eingesetzt, ohne freilich sein Überlebenstrauma jemals endgültig hinter sich lassen zu können. Józef Szajna ist am 24. Juni 2008 in Warschau gestorben.
Jacek Barski, Oktober 2016
Weiterführende Informationen zum Werk von Józef Szajna (polnisch):
http://teatr-rzeszow.pl/project/szajna-galeria/
http://culture.pl/pl/tworca/jozef-szajna
[3] Anda Rottenberg, Der Künstler blickt auf den Krieg, in: Tür an Tür, Katalog zur Ausstellung „Polen-Deutschland. 1000 Jahre Kunst und Geschichte.“, Berlin, Warszawa, Köln 2011, Seite 621