Jan Polack. Meister der Spätgotik
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Der einzige Ort, an dem Werke von Jan Polack unverändert und in der ursprünglichen Situation erhalten sind, ist die Kapelle von Schloss Blutenburg im idyllisch gelegenen Stadtteil Obermenzing im Westen von München. Nachdem sich Herzog Sigismund im Jahre 1467 auf der Burg niederließ um dort seinen Lebensabend zu verbringen, ließ er ab 1488 eine neue Schlosskapelle zur Heiligen Dreifaltigkeit errichten. Die Bauhütte der Münchner Frauenkirche fügte die Kapelle der Schlossanlage wahrscheinlich nach Plänen von Jörg von Halspach (†1488) hinzu.[36] Wohl 1497 mit dem Einsetzen der Fenster abgeschlossen, blieb der Bau mit seiner Innengestaltung seitdem ohne wesentliche Veränderungen erhalten. Für die Ausstattung der Kapelle mit einem Haupt- und zwei Seitenaltären (Abb. 16 . ) beauftragte Sigismund spätestens 1491 die beste Münchner Werkstatt, die von Jan Polack. In dieses Jahr ist der südliche, also der vom Betrachter aus rechte Seitenaltar (Abb. 19 . ), datiert.
Die Altäre interpretieren entsprechend der Widmung der Kapelle „das Mysterium der Heiligsten Dreifaltigkeit in den Geheimnissen von Menschwerdung, Erlösung und Ewigkeit“ (Chris Loos).[37] Der Hauptaltar (Abb. 17 . ) zeigt in der Mitteltafel eine traditionelle Darstellung des „Gnadenstuhls“, einen greisenhaften, auf seinem Thron sitzenden Gottvater, der den Leichnam Christi hält und auf seiner Schulter eine Taube trägt: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Vorbild war möglicherweise eine im späten Mittelalter häufig wiederholte Komposition einer um 1428 entstandenen Grisaillemalerei des Meisters von Flémalle.[38] Auf den Seitenflügeln sind (links) eine Taufe Christi und (rechts) eine Marienkrönung zu sehen. In geschlossenem Zustand zeigen die Flügel (links) über einem prächtig gestalteten Wappen der Herzöge von Bayern den heiligen Burgunderkönig Sigismund (†523/24), dessen Gebeine im 14. Jahrhundert nach Freising kamen, und (rechts), wie bereits erwähnt, den knienden Stifter der Kapelle, Herzog Sigismund, vor dem heiligen Apostel Bartholomäus. Auf der Predella sind Brustbilder der vier Evangelisten dargestellt.
Nach Untersuchung der Unterzeichnungen werden der Gnadenstuhl, die Taufe Christi sowie die Alltagsseiten der Flügel mit dem Stifter und den Schutzheiligen dem Meister Jan Polack zugeschrieben, während an den Seitenaltären offenbar zwei Gesellen arbeiteten. Der nördliche (linke) Seitenaltar (Abb. 18 . ) zeigt Christus als Weltenherrscher im Gefolge der Heiligen und auf der Predella die Vierzehn Nothelfer, in deren Mitte der von der Herzogsfamilie besonders verehrte heilige Wolfgang von Regensburg mit Bischofsstab und Kirche als seinen Attributen steht. Auf dem südlichen (rechten) Seitenaltar (Abb. 19 . ) sind die Verkündigung an Maria, auf der Predella die Heilige Sippe, also die Verwandten Jesu, dargestellt. Die Predellen aller drei Altäre wurden zuletzt Hans Mair von Landshut zugeschrieben,[39] der zeitweise in Freising tätig war.
Noch zur Entstehungszeit der Blutenburger Altäre erhielt Polack von Herzog Albrecht den Auftrag für einen neuen Hochaltar der Münchner Franziskanerkirche St. Antonius (Abb. 20-24 . ). Das Jahr der Vollendung, 1492, findet sich auf der Altartafel mit der Geißelung Christi, auf der auch der kniende Stifter mit dem Wappen der bayerischen Herzöge dargestellt ist. Ihm gegenüber kniet unterhalb einer Kreuztragung die Ehefrau des Herzogs, Kunigunde von Österreich (1465-1520). Dieselbe Jahreszahl ist auch auf der steinernen Brüstung im Ecce-Homo-Bild (Abb. 22 . ) vermerkt. Die Franziskaner waren, so Weniger,[40] den Wittelsbachern eng verbunden. Ihr Kloster stand in unmittelbarer Nachbarschaft zur Münchner Residenz, wurde aber im Zuge der Säkularisation 1802/03 mitsamt der Kirche abgerissen, um Platz für das Nationaltheater am späteren Max-Joseph-Platz zu schaffen. Zwei der beidseitig bemalten Altarflügel wurden während eines barocken Umbaus des Altars halbrund beschnitten und am unteren Rand gekürzt (Abb. 21-24 . ). Beschreibungen des Altars aus dem 18. Jahrhundert, um 1740 von dem Franziskanerpater Narziß Vogl und 1782 von dem Theologen und Historiker Lorenz von Westenrieder (1748-1829), ermöglichen heute eine „recht verlässliche Rekonstruktion“ (Weniger).[41] Beim Abriss der Kirche ersteigerte ein Bibliotheksdiener den Altar und verkaufte ihn 1810 an die Centralgemäldegaleriedirektion in München. Nach Umwegen über Landshut und Burghausen sind seit 1910 sämtliche Tafeln im Bayerischen Nationalmuseum vereint. Die heutige Aufstellung im Kirchensaal des Museums zeigt eine vor 1906 erfolgte Zusammenstellung mit falsch montierten Seitenflügeln (Abb. 20 . ), die wegen der Beschneidungen der ursprünglichen Flügel nicht korrigiert werden konnte.[42]
Der zweifach wandelbare Altar zeigt ausschließlich Szenen aus der Passionsgeschichte. In geschlossenem Zustand waren das Gebet am Ölberg und die Gefangennahme Jesu mit dem Judaskuss zu sehen, die heute als Innenseiten der Außenflügel montiert sind (Abb. 20 . ). Nach der ersten Wandlung waren außen die Geißelung und die Kreuztragung mit den Bildnissen des Stifterehepaars zu sehen, innen die Dornenkrönung (Abb. 21 . ) und das Ecce-Homo (Abb. 22 . ). In den phantasievollen und perspektivisch exakt wiedergegebenen Architekturen, aber auch bei den bewegten Soldatenfiguren des Ecce-Homo wird neuerdings die Handschrift des Hans Mair von Landshut erkannt.[43] Nach der zweiten Wandlung wurde in ganz geöffnetem Zustand kein Schrein, sondern eine monumentale Kreuzigung (Abb. 20 . ) sichtbar, während auf den Außenflügeln (links) die Nagelung ans Kreuz (Abb. 23 . ) und (rechts) die Grablegung Christi (Abb. 24 . ) dargestellt waren. Meister Jan Polack lassen sich aufgrund der Unterzeichnungen Teile der Kreuzigung, nämlich der gekreuzigte Christus und die Gruppe der klagenden Frauen, zuordnen. Außerdem stammen die zugehörigen Flügel, also die Kreuznagelung und die Grablegung, vermutlich von ihm.
[36] Vergleiche Unser Schlösserblog (Blog der Bayerischen Schlösserverwaltung), https://schloesserblog.bayern.de/geheimnisse/die-schlosskapelle-von-blutenburg
[37] Steiner/Grimm 2004 (siehe Literatur), Katalog Nr. II, Seite 149-163
[38] Meister von Flémalle: Gnadenstuhl, um 1428-30. Mischtechnik auf Eichenholz, 148,7 x 61 cm, Städelmuseum, Frankfurt am Main, Digitale Sammlung: https://sammlung.staedelmuseum.de/de/werk/gnadenstuhl
[39] Gammel 2011 (siehe Anmerkung 31), Seite 306 f.
[40] Steiner/Grimm 2004 (siehe Literatur), Katalog Nr. III, Seite 165-188
[41] Narziß Vogl: Monumentorum ecclesiae fratrum minorum Monachii …, um 1750, Staatsbibliothek München clm. 1755, Abschrift bei Rosthal 2001 (siehe Literatur), Seite 190; Lorenz von Westenrieder: Beschreibung der Haupt- und Residenzstadt München, München 1783, Seite 183. Vergleiche hierzu ausführlich Wallner 2005 (siehe Literatur), Seite 9
[42] Vergleiche auch Wallner 2005 (siehe Literatur), Seite 12
[43] Gammel 2011 (siehe Anmerkung 31), Seite 304