Jan Polack. Meister der Spätgotik
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In allen Untersuchungsreihen konnten bei den Unterzeichnungen mindestens fünf verschiedene Hände, also unterschiedliche Handschriften in der Art der Zeichnung, festgestellt werden. Die Malschichten, so Peter B. Steiner, von 1979 bis 2007 Direktor des Diözesanmuseums Freising, scheinen jedoch einheitlicher zu sein.[21] In den Malerwerkstätten des späten Mittelalters kannte man noch nicht die alleinige Urheberschaft eines einzelnen Meisters. Die Festtagsseite der mehrfach aufklappbaren, also verwandelbaren Altäre erfuhr die größte Aufmerksamkeit der Werkstatt. Dort kam der Meister zum Zuge, während an den Alltagsseiten die Gesellen arbeiteten. Einen besonderen Typus der Unterzeichnung, also vermutlich die Hand Jan Polacks, finde man daher, so Ingo Sandner, seinerzeit Professor für Gemälderestaurierung an der Dresdner Kunsthochschule, auf den äußeren Flügeln des Weihenstephaner Altars (Abb. 2-6 . ), auf den Flügeln des Hochaltars in der Blutenburg (Abb. 17 . ) und auf den Flügelgemälden des Altars der Münchner Franziskanerkirche St. Antonius (Abb. 23, 24 . , . ). Sie ist beim Blutenburger Retabel aber auch auf den zugeklappten Werktagsseiten der Flügel zu erkennen, vermutlich weil dort der Stifter, Herzog Sigismund, dargestellt ist.[22]
Schon der Kunsthistoriker Claus Grimm, von 1983 bis 2007 Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, bemerkte 1983 in der Unterzeichnung der geschlossenen Flügel in Blutenburg außergewöhnlich feine und anatomisch angepasste Schraffuren in den Gesichtskonturen der Heiligen, bei der Körpermodellierung sowie kräftige Schraffuren bei den Gewandfalten, die auf den Meister selbst schließen lassen. Das Bildnis des Stifters, der vor dem heiligen Bartholomäus kniet und zum heiligen Sigismund betet, schildere die Physiognomie des Herzogs so fein und detailreich, dass die Unterzeichnung des Gemäldes frei nach einem vorherigen Entwurf auf Papier ausgeführt worden sein könne. Vergleiche man die Unterzeichnung mit den wenigen erkennbaren groben Unterzeichnungsstrichen auf der gleichzeitigen, sehr viel kleineren Porträttafel Herzog Sigismunds in der Alten Pinakothek (Abb. 1 . ), so dürfe diese kaum mehr Jan Polack als unmittelbarem Autor zuzuschreiben sein.[23]
Meister Polack, schreibt Sandner, war bei allen Aufträgen „die bestimmende Kraft. Er überließ aber auch Teilleistungen ganz den Mitarbeitern. Das betrifft den Entwurf der Komposition, die Unterzeichnung und die Malerei. Beginnt man beim frühesten Jan Polack zugeordneten Werk, dem Weihenstephaner Altar, so dürften zumindest die äußeren Flügel vom Entwurf bis zur Umsetzung hauptsächlich vom Meister selbst ausgeführt worden sein [Abb. 2-6 . ]. […] Die Tafeln des erhaltenen mittleren Flügels [Abb. 7 . ] lassen bereits in der Unterzeichnung eine zweite Hand erkennen. Dieser noch weitestgehend durch den Inhaber bestimmte Werkstattbetrieb muss spätestens mit der gleichzeitigen Bewältigung von mehreren Großaufträgen um 1490 Auflockerung erfahren haben. Neben Polack waren mindestens vier weitere Kräfte maßgeblich an der Realisierung der Aufträge beteiligt. Das waren nicht nur ein vielleicht aus der Werkstatt hervorgegangener Mitarbeiter, der relativ viele Arbeitsgewohnheiten vom Figurentypus bis zum Unterzeichnungstypus von Polack übernahm, sondern auch Partner, die andere Schulung zeigen oder zumindest wesentliche Anregungen in anderen Werkstätten aufgenommen haben müssen.“ Man dürfe sich jedoch, so Sandner, keinen manufakturartigen Betrieb wie bei Lucas Cranach dem Älteren (1472-1553) vorstellen: „Polack erledigte die Fülle an Aufträgen rationell mit den verfügbaren Kräften, die in ihrem Anteil zwar eingeschränkt, aber immer noch erfassbar sind.“[24]
Die Aufträge für die Altäre der Klosterkirche Weihenstephan vergab Abt Leonard II. Nagel (Abt 1481-1484) in den Jahren 1482/83 an Jan Polack. Gefertigt wurden sie in Polacks Münchner Werkstatt. Schon 1484 erhielt der Meister Zahlungen, die zunächst den heute verlorenen Achatius-Altar, später auch den Hochaltar betrafen. 1489 wurden die letzten Rechnungen beglichen, die auch den Transport nach Weihenstephan einschlossen. Der Hochaltar war ein zweifach zu öffnender Wandelaltar mit einer Höhe von drei und – in geöffnetem Zustand – einer Breite von fünf Metern. Öffnete man nach der ersten Wandlung, also dem Aufklappen der Flügel, auch die beiden inneren Klapptafeln, so wurde im Schrein eine geschnitzte Figur der Muttergottes mit dem Kind, flankiert von Heiligenfiguren, sichtbar. Auf den jetzt geöffneten Innenflügeln befanden sich offenbar rechts und links der geschnitzten Figuren Relieftafeln, die heute verloren sind. Das Retabel wurde 1690 durch einen barocken Altar aus Stuckmarmor ersetzt. Dabei blieben die gemalten Tafeln und die geschnitzten Figuren in der Abtei. Bei der Säkularisation des Klosters im Jahre 1803 wurden diese Werke versteigert. Die Bildtafeln gelangten einzeln als „Säkularisationsgut“ in die späteren Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Drei Tafeln gingen verloren. Unsere heutige Vorstellung von dem Altar folgt daher einer Rekonstruktion.[25]
[21] Steiner: Jan Polack – Werk 2004 (siehe Anmerkung 2), Seite 25
[22] Ingo Sandner: Unterzeichnungstypen auf Bildtafeln der Werkstatt Jan Polacks, in: Steiner/Grimm 2004 (siehe Literatur), Seite 83 f.
[23] Grimm 1983 (siehe Literatur), Seite 193-196
[24] Sandner: Unterzeichnungstypen 2004 (siehe Anmerkung 22), Seite 93 f.
[25] Steiner/Grimm 2004 (siehe Literatur), Katalog Nr. I, Seite 125-147