Das Sammlerehepaar Joanna und Mariusz Bednarski redet über polnische Plakatkunst
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Auf Ihrer Webseite verzeichnen Sie über einhundert Plakatkünstler mit teilweise ebenso vielen Abbildungen. Von Henryk Tomaszewski allein zeigen Sie 123 Plakate. Haben Sie schon alle Künstler erfasst und streben Sie Vollständigkeit an?
J: Vollständigkeit werden wir nie erreichen, denn es kommen immer neue Künstler hinzu. Allein Leszek Żebrowski, der zurzeit bei uns eine Ausstellung zeigt, hat über vierhundert Plakate entworfen. Von Tomaszewski gibt es zwischen 1500 und 2000 Plakate. Das ist eine Lebensaufgabe. An der Webseite muss man jeden Tag arbeiten, Fotos vorbereiten und so weiter. Das ist keine enzyklopädische Auswahl. Wir zeigen zum Beispiel auf der Webseite junge Künstler, die vielleicht nur zwölf Plakate entworfen haben, während wir arrivierte Künstler wie Bronisław Zelek noch nicht berücksichtigen konnten.
1948 wurde Henryk Tomaszewski auf der Internationalen Plakatausstellung in Wien mit fünf von neun zu vergebenen Preisen ausgezeichnet.
M: Ja, das war der Beginn der polnischen Plakatkunst nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer ganz neuen Ästhetik.
Was waren diese neuen bahnbrechend wirkenden Gestaltungselemente?
J: Die individuelle Handschrift der Künstler war unverkennbar. M: Das war das eine. Die Handschrift von Tomaszewski war einzigartig. Dann war es das Metaphorische. Filmthemen wurden nicht einfach ins Bild übertragen, sondern metaphorisch verschlüsselt, abstrahiert. Die Plakate waren poetisch, metaphorisch und abstrakt. Sie haben das Thema des Films nicht direkt behandelt, es gab keine Schauspielerporträts, keine Filmszenen wie in Hollywood-Plakaten, sondern es gab abstrakte oder expressive Bildzeichen. Tomaszewski wurde in seiner Zeichensprache immer sparsamer. Seine letzten Plakate bestanden nur aus wenigen Zeichen. Damit hatte ich zuletzt Probleme. Ich verstand seine Zeichen nicht mehr. Erst als ich in der Ausstellung sein ganzes Werk gesehen habe, seine Buchumschläge, einen Film über ihn, da habe ich die Wirkung der Zeichen verstanden. Es muss nicht das Porträt von Liza Minelli auf einem Filmplakat sein. Auch ein Zeichen kann Aufmerksamkeit erregen und Inhalte verschlüsseln. J: Das heißt natürlich nicht, dass die Öffentlichkeit auch die Plakate verstanden hat. Wenn es einen neuen Film gab, dann habe ich hinterher noch einmal das Plakat angeschaut. Das Plakat hat dem Film noch eine zusätzliche Bedeutung gegeben. M: In der Provinz hat man die Plakate sicher nicht so verstanden und gewürdigt. International wurde die polnische Plakatkunst schon im ersten Jahr nach dem Wiener Wettbewerb populär. Es erschienen Bücher, unter anderem von Jan Lenica, und internationale Zeitschriften wie Graphis in der Schweiz widmeten ganze Ausgaben dem polnischen Plakat.
Waren die Filmplakate der wichtigste Bereich der polnischen Plakatkunst?
J: Ja, aber nicht nur. Es gab natürlich auch Theater- und Opernplakate. M: Für andere Bereiche wie Produktwerbung oder Mode gab es keine Plakate, das brauchte man nicht. J: Es gab wohl Plakate für Moda Polska, aber die waren für Auslandsmessen gedacht. Im sozialistischen Polen gab es allgemein keine Werbung, und für Konsum sowieso nicht. Der Gedanke bei den Filmplakaten, die von den Kommissionen ausgewählt wurden, war nicht die Werbung, sondern die Kunst. Plakatkünstler im sozialistischen Polen hatten im gewissen Sinn eine größere künstlerische Freiheit als in kapitalistischen Ländern, da sie nicht dem Diktat der Werbung unterworfen waren. Sie mussten sich natürlich politisch vorsehen. Zirkus-Plakate waren ein weiteres interessantes Gebiet. M: Der politische Druck war natürlich trotzdem groß. Jedes Plakat musste durch die Zensur. Bei manchen Plakaten wissen wir nicht, weshalb sie überhaupt existieren, denn einige Plakate sind politisch ziemlich kritisch. Es gab natürlich auch offizielle Propaganda-Plakate. Zu jedem Jahrestag der Volksrepublik Polen gab es Plakate, es gab Lenin-Plakate und so weiter. Einzelne Künstler waren darauf spezialisiert, andere hätten so etwas nie gemacht.