„Malerfürst“ Jan Matejko in der Bundeskunsthalle
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Zum Thema „Künstlerfeste“, dem fünften Kapitel der Ausstellung, war in Bezug auf Matejko wenig zu erfahren. Berühmt waren die Kostümfeste in Makarts Wiener Atelier, auf denen sich die Besucher in vom Maler selbst entworfenen Kostümen der Renaissance- oder der Barockzeit präsentierten. Der historische Festzug anlässlich der Silberhochzeit des Kaiserpaars 1879 ebenfalls mit Makarts Kostümen wurde zu dessen Triumph. In München feierten die Künstler ähnlich konzipierte historische Kostümfeste, die unter anderem die Künstlervereinigung Allotria ausrichtete. Beim Kostümball „Festzug Kaiser Karls V.“ 1876 trat Kaulbach in der Rolle des Monarchen auf; bei dem Fest „In Arkadien“ 1898 in den königlichen Hoftheatern erschien Stuck als römischer Imperator. Kaulbach lud in sein Atelier zu Operetten-Aufführungen, Leighton in London zu Dinner-Partys und musikalischen Soireen, Munkácsy in Paris zu Salon-Konzerten mit Franz Liszt und 1886 zu einer effektvollen und zugleich skandalträchtigen Tafelmusik anlässlich der Präsentation seines Gemäldes „Mozarts Tod“.[32]
Von Matejko sind derart rauschende Feste offenbar nicht dokumentiert. Wir wissen jedoch, dass er sich schon während seiner Münchner Studienzeit 1858-59 mit Kostümstudien beschäftigte und 1860 ein Tafelwerk, „Ubiory w Polsce/Die Kostüme in Polen 1200-1795“, veröffentlichte. Er besuchte mit seiner Familie Theateraufführungen und Bälle, entwarf für die Damen der gehobenen Gesellschaft Ballkleider und Kostüme, war beratend bei einem mittelalterlichen Kostümfest zu Ehren des Stadtpräsidenten Zyblikiewicz tätig und entwarf sogar für Schauspielerinnen historische Kostüme.[33] Und man kann sicher sein, dass auch die polnischen Künstlerinnen und Künstler zu feiern wussten. Viele von ihnen hatten in München und Wien studiert und an den dortigen Künstlerfesten teilgenommen, bevor sie nach Krakau und Warschau zurückkehrten. Vielleicht war Matejko kein Mensch, der selbst solche Feste ausrichtete. So bleibt in der Ausstellung als Beleg des fröhlichen Anteils seiner Persönlichkeit sein Gemälde „Die Babinische Republik/Rzeczpospolita Babińska“ (1881, Nationalmuseum Warschau, Abb. 14), auf dem er eine 1568 in Babin bei Lublin gegründete adlige literarisch-satirische Gesellschaft schilderte. Diese erfand in über vierhundert Geschichten groteske Karikaturen der damaligen republikanischen Verfassung und der Persönlichkeiten ihrer Zeit. Matejko schilderte die Gründung der Gesellschaft als ländliches Weinfest in seinem eigenen Obstgarten in Krzesławice mit den Dichtern und Würdenträgern des 16. Jahrhunderts in den für sie typischen Kostümen.[34]
Umso eindrücklicher wurde Matejko im sechsten Abschnitt der Ausstellung unter der Überschrift „Huldigungen“ gewürdigt. Als einzigartiges Objekt zur Geschichte der europäischen „Malerfürsten“ war jenes Zepter zu sehen, das dem Künstler im Oktober 1878 als Dank für das zuvor fertiggestellte Gemälde „Die Schlacht bei Grunwald“ im Rahmen eines vom Krakauer Gemeinderat veranstalteten Festakts, mit einer Rede des Bürgermeisters Zyblikiewicz und in Anwesenheit von Delegationen aus Lemberg, Warschau und Posen im Krakauer Rathaus überreicht wurde.[35] Das vom Architekten Pryliński entworfene und dem Krakauer Silberschmied Władysław Glixelli (1831-1895) angefertigte Zepter aus vergoldetem Silber zeigt am oberen Ende über einem Schaft aus Ebenholz ein Schriftband mit Matejkos Namen, drei Bildkartuschen mit Krakauer Bauwerken und einen dicht geflochtenen Eichenkranz. In der Bonner Ausstellung waren außerdem eine zeitgenössische Grafik mit der Szene der Zepterübergabe vermutlich aus einer polnischen Zeitschrift, ein nicht datierter Gold-Email-Ring als Geschenk von Studenten der Schule der Schönen Künste, eine Lederkassette für Huldigungsadressen anlässlich von Matejkos 25-jährigem Dienstjubiläum 1883 mit den Wappen von Polen, Litauen und Reußen und einem JM-Monogramm, diesmal geschenkt von den Professoren der Krakauer Kunstschule, zu sehen. Ein über sechzig Zentimeter hohes Bronzerelief eines unbekannten Künstlers in Form einer Malerpalette zeigte Matejkos Porträt über einem Buch mit dem Rückentitel „Dzieje Polski“ (dt. Polnische Geschichte) und umrahmt von einem Lorbeerkranz aus dem Jahr 1880 (alle Nationalmuseum Krakau).
Die Huldigungen, die Matejko während seines Lebens zuteilwurden, waren zahlreich. „Während seiner Aufenthalte in Paris, Budapest, Rom oder Warschau“, so Marta Kłak-Ambrożkiewicz im Ausstellungs-Katalog, „organisierten die Exilpolen und seine Anhänger zu seinen Ehren feierliche Diners und Feste.“ Er wurde Ehrenbürger mehrerer Städte. Die Krakauer Jagiellonen-Universität verlieh ihm 1887 den Titel eines Ehrendoktors der Philosophischen Fakultät. Für das Gemälde „Die Union von Lublin“, das 1870 durch Europa tourte, erhielt er in Paris den Ritterorden der Ehrenlegion. In Polen wurde er mit Gedenkmedaillen geehrt. Der Zepterverleihung im Krakauer Rathaus folgte ein Fackelzug zu seinem Wohnhaus, wo er sich vom Balkon aus erneut der Menge präsentierte. Seine Schüler feierten die Namenstage des Künstlers mit Festen, Spielen und Picknicks im Grünen. Während einer Reise zum Schlachtfeld von Grunwald, die er 1877 zusammen mit seiner Familie unternahm, gab es Sympathiebekundungen, Feste, Blumen und Geschenke.
[32] Doris H. Lehmann: Künstlerfeste, im Ausstellungs-Katalog, Seite 233-235
[33] Marta Kłak-Ambrożkiewicz: Jan Matejko – ein anderer Malerfürst, im Ausstellungs-Katalog, Seite 64, 67 f.
[34] Ausführliche Inhaltsbeschreibung des Gemäldes auf der Inventarseite von MNW/Digital (MNW/Cyfrowe), http://cyfrowe.mnw.art.pl/dmuseion/docmetadata?id=5133&show_nav=true&full_screen=true#
[35] Doris H. Lehmann: Das Zepter für Jan Matejko, im Ausstellungs-Katalog, Seite 262