„Malerfürst“ Jan Matejko in der Bundeskunsthalle
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Wer heute den Begriff „Malerfürst“ verwendet, denkt in erster Linie an exponierte Künstler der zeitgenössischen Szene oder der jüngsten Vergangenheit wie Jörg Immendorf, Markus Lüpertz oder Georg Baselitz. In den seltensten Fällen, folgt man nur den großen deutschsprachigen Presseorganen, ist dieser Begriff positiv besetzt, sondern beschreibt Selbstinszenierung, Nähe zur Politik, ausschweifenden Lebenswandel, nicht immer korrekten Umgang in Gelddingen sowie Vermarktungsstrategien, die die Originalität der geschaffenen Kunstwerke infrage stellen. In Österreich hat man Ernst Fuchs anlässlich seines Todes als einen der bedeutendsten Künstler der Gegenwart einerseits geehrt, andererseits den „Malerfürsten“ mit dem „Kitschgenie“ gleichgesetzt.[1]
Geprägt und publizistisch verbreitet wurde der niemals näher definierte und schon gar nicht offiziell verliehene Titel eines „Malerfürsten“, so wie wir ihn heute verwenden, jedoch im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Als Prototyp dieser Künstlergattung galt und gilt noch heute der österreichische Historien‑ und Porträtmaler Hans Makart (1840-1884),[2] der nach seinem Studium in München und anschließenden Studienreisen 1869 nach Wien berufen wurde und sich dort auf Staatskosten ein prachtvolles Atelier einrichtete. Dieses wurde ab 1872 Mittelpunkt des künstlerischen und gesellschaftlichen Lebens und prägte mit seiner Dekoration aus Wandbehängen, geschnitzten Möbeln, Teppichen, Antiquitäten, Waffen und riesigen Sträußen aus Trockenblumen und Palmwedeln (die noch heute als Makartbuketts bekannt sind) den Einrichtungsstil der Zeit. Hier feierte der Maler Künstlerfeste, wie sie schnell auch in München und andernorts Mode wurden, empfing Kaiserin Elisabeth und ließ am Nachmittag Touristengruppen ein. Spätestens mit der Präsentation seines Monumentalgemäldes „Der Einzug Kaiser Karls V. in Antwerpen“ im Wiener Künstlerhaus im März 1878, zu der an einem Tag über zehntausend zahlende Besucher kamen, und der Ausrichtung des historischen Festzugs zu Ehren der Silberhochzeit des Kaiserpaars mit vom Künstler entworfenen Kostümen im April 1879 erlangte Makart zumindest symbolisch fürstlichen Status. Nicht nur wurde er inmitten des Festzugs, den er hoch zu Ross begleitete, „vom Publikum wie ein König mit Ehrenbezeugungen überschüttet“, wie die Tagespresse berichtete, sondern „der berühmte Malerfürst“ gab die Ovationen an das Kaiserpaar weiter, das huldvoll zurückgrüßte.[3]
München, die Hauptstadt des Königreichs Bayern, brachte es gleich zu drei mehr oder minder offiziellen „Malerfürsten“, die bis heute in der historischen ebenso wie in der populären Literatur so tituliert werden: Franz von Lenbach (1836-1904), Friedrich August von Kaulbach (1850-1920) und Franz von Stuck (1863-1928).[4] Lenbach, der ebenso wie Makart an der Münchner Kunstakademie bei dem Historienmaler Carl Theodor von Piloty (1826-1886) studiert hatte, etablierte sich in München ab 1866 als erfolgreicher Porträtmaler, der auch in Wien zum geschätzten Porträtisten der Finanzaristokratie und des Adels wurde. Seinen Ruf als „Malerfürst“ erwarb er sich nicht zuletzt durch seine zwischen 1886 und 1889 errichtete palastartige Villa, in der eine hochkarätige Kunstsammlung und repräsentativ eingerichtete Atelierräume die von ihm selbst geschaffene Kunst aufwerten sollten und in deren Baulichkeiten heute noch das nach ihm benannte Kunstmuseum untergebracht ist. Ähnlich sicherten Kaulbach und Stuck den durch ihre Malerei erworbenen gesellschaftlichen Status durch den Bau prachtvoller Residenzen: Kaulbach, vorwiegend Porträtmaler, durch eine 1887-89 im Stil der italienischen Renaissance erbaute Villa mit einem Atelier, das als das eleganteste seiner Zeit in München galt,[5] der nahezu eine Generation jüngere Stuck, Maler mythologischer und symbolistischer Themen, 1897/98 durch eine heute noch zu besichtigende neoklassizistische Villa, deren Atelier der Künstler als Weiheraum der Kunst gestaltete.[6]
[1] Jörg Immendorf – Malerfürst und Kanzlerfreund, Rheinische Post (afp) vom 28.5.2007, auf rp-online; Inge Hufschlag: Jörg Immendorf. Malerfürst, Maoist und Macho, Handelsblatt vom 29.5.2007; Ein deutscher Malerfürst … Jörg Immendorf, Die Welt vom 14.6.2007, auf welt.de; A. Fichter: Der Kampf des verlorenen Sohns. Der Malerfürst Jörg Immendorf lebte exzessiv …, Süddeutsche Zeitung vom 16.1.2011; Arno Gehring: Der todkranke Malerfürst und seine Orgien im Parkhotel, Kölnische Zeitung vom 19.2.2014, auf express.de; Moritz von Uslar: Steuerfahndung. Wer ist dieser Georg Baselitz? Der Malerfürst hat ein Konto in der Schweiz …, Die Zeit vom 8.5.2013, auf zeit.de; Stefan Dege: Markus Lüpertz: Der „Malerfürst“ von einst ist 75, Deutsche Welle vom 24.4.2016, auf dw.com; Bettina Steiner: Ernst Fuchs (1930-2015): Der Gesamtkunstwerker des Fantastischen. Ernst Fuchs, Wunderkind und Malerfürst …, Die Presse vom 9.11.2015, auf diepresse.com; Ernst Fuchs ist tot: Malerfürst und Kitschgenie, Profil (apa/Red.) vom 9.11.2015, auf profil.at. Sämtliche Artikel sind im Internet verfügbar; zuletzt aufgerufen am 2.1.2019)
[2] Günther Berger: Der Malerfürst in der Gußhausstraße. Topographischer Beitrag zum 150. Geburtstag von Hans Makart, in: Wiener Geschichtsblätter, Bd. 45, Heft 3, 1990, Seite 171-183; Hans Makart (1840-1884). Malerfürst, Ausstellungs-Katalog Historisches Museum der Stadt Wien, Wien 2000
[3] Hans Makart, der Schöpfer des Huldigungs-Festzuges, in: Welt-Neuigkeits-Blatt, Wien 3.5.1879, Seite 6 (Digitalisat: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwb&datum=18790503&seite=6&zoom=33)
[4] „Neben Friedr. August v. Kaulbach bestimmte L[enbach] als sog. ‚Malerfürst‘ das Münchner Kunst- und Kulturleben. (Neue Deutsche Biographie 14, 1985, S. 198-200, online: https://www.deutsche-biographie.de/sfz70494.html#ndbcontent; „‚Malerfürsten‘ wie Franz von Lenbach (1836-1904), Franz von Stuck (1863-1928) oder Friedrich August von Kaulbach (1850-1920) erzielten auch in der Reproduktion beachtlich hohe Summen.“ (Helmut Heß: Kunstverlag Franz Hanfstaengl, in: Historisches Lexikon Bayerns (2006), online: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kunstverlag_Franz_Hanfstaengl; „Zugleich inszenierte er [Stuck] sich bewusst als letzter Münchner ‚Malerfürst‘, nicht ohne diese Stilisierung gelegentlich ironisch zu brechen.“ (Neue Deutsche Biographie 25, 2013, S. 612-614, online: https://www.deutsche-biographie.de/sfz31093.html#ndbcontent; „Mit Malerfürsten (auch als Münchner Malerfürsten) werden in München drei als in der Malerei sehr bedeutend eingeschätzte Professoren an der Akademie der Bildenden Künste tituliert …“ (München-Wiki, 2016, online: https://www.muenchenwiki.de/wiki/Malerf%C3%BCrst)
[5] Fotografien und eine ausführliche Beschreibung der Atelier- und Privaträume von Kaulbach erschienen zu seiner Zeit in dem Aufsatz von Georg Habich: Friedrich August von Kaulbach, in: Die Kunst für Alle, 15. Jahrgang, 1899-1900, München 1900, Seite 1-10 (Digitalisat: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kfa1899_1900/0014/image)
[6] Birgit Jooss: Ateliers als Weihestätten der Kunst. Der "Künstleraltar" um 1900, München 2002