Polen in Breslau (bis 1939)
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Die Treffen fanden weiterhin während der Gottesdienste sowie in den Räumlichkeiten verschiedener Organisationen statt. 1919 wurde die St. Anna-Kirche in der St. Jadwiga-Straße, die 1921 die St. Martins-Kirche auf der Dominsel ablöste (am 17. September 1939 fand dort der letzte Gottesdienst für die polnische Gemeinde statt), von den deutschen kirchlichen Behörden mit der Lesung der polnischen Messen beauftragt. Der erste Pfarrer der polnischen Gemeinde war Pater Józef Matuszek.
Am 14. Januar 1923 wurde eine Zweigstelle des Bundes der Polen in Deutschland, der führenden polnischen Organisation, in Breslau gegründet. Franciszek Juszczak, ein Schneider von Beruf, wurde dessen Präsident (er hatte diese Position während der gesamten Zwischenkriegszeit inne). Im Jahre 1924 wurde eine neue Studentenorganisation, der Verband der Akademiker aus Oberschlesien „Silesia Superior“ gegründet, der junge Menschen aus Oberschlesien zusammenbrachte.
Das Leben der polnischen Gemeinschaft wurde im „Polnischen Haus“ in der Henryka Pobożnego Straße 21/23 organisiert, die sich wöchentlich traf. Nationalfeiertage und Jubiläen wurden organisiert, und polnische Studenten nahmen aktiv an der Arbeit teil. Sie gründeten u.a. einen Chor, führten Polnisch-Kurse durch, organisierten Theater- und Pfadfinderaktivitäten.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 im Zusammenhang mit einer Änderung der politischen Beziehungen zwischen Polen und Deutschland erhielt die Breslauer Polonia das volle Verfügungsrecht über das Gebäude in der 1922 erworbenen Neuen Gasse. Dort wurde ein Studentenwohnheim eröffnet. Dort fanden auch die Redaktionen der beiden vom Bund der Polen in Deutschland herausgegebenen Zeitschriften „Mały Polak w Niemczech“ und „Młody Polak w Niemczech“ ihren neuen Sitz. Die Delegierten von Breslau nahmen am Kongress der Polen in Deutschland teil, einem großen Treffen der polnischen Minderheit im März 1938, doch einige Monate später stellten die deutschen Behörden politische Forderungen an Warschau, die für Polen unannehmbar waren. Berlin war zu einer Politik der Diskriminierung von Polen in Deutschland zurückgekehrt. Das Gebäude in der Henryka Pobożnego Straße wurde ihnen weggenommen. Polnische Organisationen kauften das Gebäude am Schweidnitzer Stadtgraben 16a (Podwale). Alle polnischen Organisationen, wie der Kindergarten und die Bibliothek, fanden dort ihren neuen Sitz.
Die antipolnische Politik der deutschen Behörden hat sich in den Monaten vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verstärkt. Die Möglichkeit, organisatorische Aktivitäten durchzuführen, wurden ständig weiter eingeschränkt und es wurden Repressionen eingeleitet. Die Polen wurden sogar aufgefordert, ihren polnisch klingenden Namen in einen deutschen zu ändern. Im Juni 1939 wurde polnischen Studenten das Betreten von Universitätsgebäuden untersagt, und im polnischen Haus in Podwale wurden polizeiliche Durchsuchungen durchgeführt. Einige Bücher wurden beschlagnahmt. Polizeibeamte fotografierten Gläubige, die aus der Messe in der St. Martinskirche kamen. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden am 13. September polnische Aktivisten verhaftet und in Konzentrationslager deportiert. Alle polnischen Organisationen wurden aufgelöst und ihr Vermögen vom deutschen Staat übernommen.
Krzysztof Ruchniewicz, Juni 2018
Zitationsnachweise:
Friedrich Nösselt, Breslau und dessen Umgebungen, Breslau 1825; Wincenty Pol, Dzieła wierszem i prozą, Bd. 10, Lwów 1878; Teresa Kulak, Historia Wrocławia. Od twierdzy fryderycjańskiej do twierdzy hitlerowskiej, Bd. 2, Wrocław 2001.