Marta Klonowska - “My glass animals open a new reality.”
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Marta Klonowska arbeitet in einem Bereich zwischen den klassischen und den zeitgenössischen Kunstgattungen. Ihre Glastiere sind in Position, Bewegung, Ausdruck und in der Fernwirkung des „Fells“ insoweit klassische naturalistische Plastiken, als sie die Vorbilder aus berühmten und in Museen aufbewahrten Gemälden wie dem Doppelbildnis von Heinrich dem Frommen und seiner Gemahlin von Lucas Cranach d. Ä. (1514, Kunstsammlungen Dresden, Abb. 1a, b) oder aus Jan van Eycks Arnolfini-Hochzeit (1434, Nationalgalerie London, Abb. 2a, b) in die dritte Dimension überträgt. Aber auch Übertragungen aus Tierstudien von Albrecht Dürer (Abb. 11a, b) oder unmittelbar aus der Natur wie Klonowskas 2011 entstandener Maki (Abb. 13) kommen vor. Dabei verfügt die Künstlerin über ein ebenso hohes Naturgefühl wie Bildhauerinnen und Bildhauer, die in Stein oder Bronze arbeiten. Sie steht aber auch der zeitgenössischen Objekt- und Installationskunst nahe. Ihre Tierplastiken modelliert sie über einem Gerüst aus Metallstäben mit Metallnetzen, Drahtgeweben und Metallfolien, auf denen sie mit Silikon passgenau zugeschnittene farbige Glasstäbe zum bewegten „Pelz“, zu Pfoten, Schnauzen, Ohren und Schwänzen oder bei der Ziege (2008, Abb. 9) zu Hörnern zusammenfügt. Keineswegs naturalistisch sind die Farben der Glasstäbe und der aus ihnen entstehenden Tiere: Kobaltblau, Smaragdgrün, Schwarz oder Rubinrot. Zusammen mit Reproduktionen der Gemälde, die in denselben Farben gedruckt sind, und Schuhen der darauf abgebildeten Personen, die ebenfalls aus Glas gestaltet sind, bilden alle Elemente zusammen begehbare Installationen, also Environments.
Klonowska gelingt es meisterhaft, mithilfe der starren und sperrigen Glasstäbe glatte ebenso wie flauschige, gebauschte oder struppige Strukturen des Fells wiederzugeben. Je näher der Betrachter herantritt, desto offensichtlicher werden jedoch die Unnahbarkeit und Gefährlichkeit, das Starre, die Durchsichtigkeit und Kälte des Materials. Schnell wird deutlich, dass bei Klonowska nicht wie in der klassischen Tierplastik das naturgetreue Abbild, sondern wie in der zeitgenössischen Kunst das Konzeptuelle im Vordergrund steht. Der Künstlerin geht es um die Ambivalenz zwischen der Vereinnahmung der Tiere durch den Menschen und deren Individualität, also zwischen dem, was der Mensch aus ihnen macht und ihrem individuellen, autonomen Wesen.
Genau diesen Widerspruch hat Klonowska in den Gemälden der Alten Meister entdeckt. Hunde sind dort keine selbstständigen Geschöpfe, sondern Attribute der dargestellten Personen. In van Eycks Arnolfini-Hochzeit (Abb. 2b) symbolisiert der Hund zu Füßen des frisch getrauten Paars eheliche Treue. Männlichen Porträts wie dem von Heinrich dem Frommen von Sachsen (Abb. 1b) wurden meist Jagdhunde zugeordnet. Auch in der mythologischen Szene von Peter Paul Rubens (um 1610, Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Abb. 8a), wird Adonis von einem Jagdhund assistiert, während Venus ihren Liebhaber von der Jagd abzuhalten versucht. Adligen Damen wie Goyas Herzogin von Alba (1795, Fundación Casa de Alba, Madrid, Abb. 4b), Jan Verkoljes unbekannter Lady, die einen Spaniel im Schoß hält (um 1680, Privatsammlung London, Abb. 7), oder Goyas Marquesa de Pontejos (1786, Nationalgalerie Washington, Abb. 12c) wurden Schoßhündchen beigegeben, um das weibliche Element zu unterstreichen und um Lieblichkeit, Treue und herrschaftlichen Luxus zu symbolisieren. Als Stimmungsträger fungieren Tiere in Landschaftsgemälden wie dem von Alexander Keirincx und Cornelis van Poelenburgh, auf dem eine Ziege kaum sichtbar und unbeteiligt in einer mythologischen Szene mit Apoll und der Cumäischen Sibylle (um 1630, Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Abb. 9) im Vordergrund sitzt.