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Maczków. Polnische Enklave in Norddeutschland

Die zuerst in Lwów, dann in Maczków unbenannte Stadt Haren, 1945.

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Die zuerst in Lwów, dann in Maczków unbenannte Stadt Haren, 1945.
Die zuerst in Lwów, dann in Maczków unbenannte Stadt Haren, 1945.

Polen im Emsland
 

Der nordwestliche Teil von Deutschland (das Emsland) wurde unter Beteiligung der I. Panzerdivision von Stanisław Maczek eingenommen und nach dem Ende der Kriegshandlungen Teil der britischen Besatzungszone. Da sich das Gebiet gewisse Zeit unter polnischer Verwaltung befand, wird es auch als „polnische Besatzungszone in Deutschland" bezeichnet. Sie erstreckte sich auf 6.500 Quadratkilometern auf die Kreise Aschendorf, Meppen und Lingen sowie auf die Grafschaften Bentheim, Bensbrück und Cloppenburg mit sämtlichen Ortschaften.

Auf dem von General Maczek und seinen Truppen eingenommenen Gebiet hielten sich Tausende Polen auf, von denen die meisten befreite Häftlinge der Konzentrationslager und Kriegsgefangene waren. Eine andere große Gruppe bestand aus ehemaligen Zwangsarbeitern. Auf Polnisch wurden diese Menschen bald als „dipisi” bezeichnet, abgeleitet von der Abkürzung des englischen Begriffs „Displaced Persons” (DPs), der in der Sprache der Besatzungsmächte in Deutschland und von den Hilfsorganisationen verwendet wurde. Die erste Definition des Begriffs im November 1944 lautete:

„(Als DPs bezeichnete man) Zivilpersonen, die sich aus Kriegsfolgegründen außerhalb ihres Staates befinden; die zwar zurückkehren oder eine neue Heimat finden wollen, dies aber ohne Hilfestellung [von außen] nicht zu leisten vermögen“ (Lembeck, S. 38).

Mitte Mai 1945 schlug General Henry Crerar, der Kommandant des II. Kanadischen Korps (an dessen Seite die I. Polnische Panzerdivision ihren Dienst geleistet hatte), dem Oberbefehlshaber der britischen Besatzungstruppen, Gen. Bernard Montgomery, vor, in einem Teil des Emslands eine polnische Enklave einzurichten. Montgomery nahm diesen Vorschlag an, woraufhin der Premierminister Großbritanniens, Winston Churchil, den Auftrag erteilte, aus Soldaten der polnischen Streitkräfte ein Besatzungskorps zu bilden. 

Laut Schätzungen des polnischen Historikers Jan Rydel hielten sich im August 1945 im Emsland rund 40.000 DPs und Kriegsgefangene verschiedener Nationen auf, mehrheitlich jedoch Polen, nachdem die russischen Kriegsgefangenen und die internierten italienischen Soldaten heimgekehrt waren. Der Ausländeranteil in Niedersachsen, wozu das Emsland gehörte, soll im November 1945 rund 6 % betragen haben. 

Die Zusammenballung tausender Menschen, die sich häufig in einem erbärmlichen Gesundheitszustand befanden und große materielle Bedürfnissen hatten, rief viele Probleme hervor. Um Platz für die Ankömmlinge zu schaffen, wurden die Häuser der Deutschen geräumt. Im Emslandwurden diese Maßnahmen am 19. Mai 1945 eingeleitet. An diesem Tag erhielt der Bürgermeister von Haren, Hermann Wichers, den Befehl zur Evakuierung seiner Stadt.

 

Die Evakuierung der Stadt Haren
 

Rund 3.500 Einwohner sollten die Stadt bis zum 28. Mai 1945 verlassen, wobei ihnen gesagt wurde, dass unter keinen Umständen zurückkehren durften. Für Durchreisen waren Passierscheine vorgesehen. Die Umsiedler wurden auf 30 benachbarte Gemeinden verteilt. Eine Genehmigung zum Verbleib in der Stadt erhielten nur der Bürgermeister und seine Familie sowie die Ordensschwestern, die Teil der polnischen Gesundheitsfürsorge in der St.-Franziskus-Kirche waren. Der Bürgermeister blieb für die Aufrechterhaltung der deutschen Verwaltung und für die Angelegenheiten der Harener verantwortlich, die in die benachbarten Ortschaften eingewiesen wurden. Er stellte Passierscheine aus und betrieb ihre Versorgung mit dem Nötigsten. Die Chronik der Stadt teilt mit, für Haren sei ein „schwarzer Tag“ gekommen. Später sprach man von der „Polenzeit“. Dies freilich sah aus der Sicht derer, die hier nach Jahren des Kriegs, der Drangsalierung und der Heimatlosigkeit, zeitweilig ein Zuhause fanden, ganz anders aus.

General Maczek erinnerte sich 1988:„Die von den Massen der Polen, die aus den Konzentrationslagern, aus der Gefangenschaft und aus den Zwangsarbeiterlagern kamen, überraschte britische Verwaltung in dem besetzten Gebiet, evakuierte die durch die Kämpfe meiner Division bekannte Stadt Haren und übergab sie mir zu meiner Disposition. Für einige Jahre entstand im Westen Deutschlands dadurch eine rein polnische Stadt mit polnischer Bevölkerung und polnischen Verwaltungsbehörden. (...) Tausende polnische Frauen und Männer bevölkerten die Stadt und nutzten sie als vorübergehende Notunterkunft, bevor sie sich in alle Welt zerstreuten.“

 

Haren wird zu Maczków
 

Anfangs wurde die polonisierte Stadt Haren Lwów (dt. Lemberg, heute Lviv) getauft, doch nur wenige Wochen später, am 24. Juni 1945, in Maczków umbenannt, da die Briten den Namen im Hinblick auf die verbündete UdSSR für zu provokativ hielten. In dieser Zeit wurden verschärfte Spannungen und direkte Konfrontationen unter den Alliierten noch vermieden. Die Benennung zu Ehren des Befehlshabers der I. Division rief jedenfalls keine Kontroverse hervor. Ihr neuer Name wurde der Stadt in Anwesenheit von General Tadeusz Bor-Komorowski verliehen, der sich auf einer Visite befand. Die Straßen und Plätze erhielten ebenfalls neue Bezeichnungen. Sie hießen damals Armii Krajowej, Legionów, Jagiellońska, Lwowska und Łyczakowska, wobei die Reminiszenz an die verlorenen polnischen Ostgebiete keinen Protest auslöste.

Im Juni 1945 lebten in Maczków rund 5.000 Polen, meist junge Menschen, die aus den Konzentrationslagern und aus den Gefangenenlagern entlassen worden waren. Unter ihnen befanden sich auch Teilnehmer am Warschauer Aufstand, darunter über 1.700 junge Frauen aus dem Stalag VI C in Oberlangen. Sie alle wollten nach Jahren in den Gefängnissen, der Zwangsarbeit und der kriegsbedingten Heimatlosigkeit ein weitgehend normales Leben beginnen. Die Jugend hatte jedoch auch ihre eigenen Rechte: Einige schlossen den Bund fürs Leben. Kinder kamen auf die Welt. Von 1945 bis 1948 wurden in Maczków 289 Ehen geschlossen sowie 497 Geburten und 101 Beerdigungen registriert.

 

Polnische Verwaltung
 

Der Aufbau einer Verwaltung war für die Organisation des Lebens der polnischen Gemeinschaft elementarer Bedeutung. Daher wurden ein Bürgermeister und ein zwölfköpfiger Stadtrat gewählt. Der erste Amtsinhaber hieß Zygmunt Gałecki. Sein Nachfolger war Mieczysław Futa. Außerdem gab es ein neues Amtssiegel mit einem neuen Wappen, das die Feldzeichen I. Panzerdivision zeigte: eine Mohnblume, einen Stahlhelm und einen Husarenflügel. 

Eine der Hauptaufgaben der Stadtverwaltung bestand in der die Zuteilung von Lebensmitteln, Sachleistungen und Unterkünften. Es gab auch wieder eine Polizei und eine Feuerwehr. Desweitern wurde eine Gemeinschaftsverpflegung eingerichtet, was angesichts der vielen allein auf sich gestellten Menschen und der Ressourcenprobleme wichtig war. Die Lebensmittelversorgung lag zunächst in den Händen der Militärbehörden und ging dann auf die Hilfsorganisationen wie die UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Agency) und die IRO (International Refugee Organisation) über.

 

Kultur
 

Das kulturelle Leben Maczkóws blühte auf. Es gab das Wojciech-Bogusławski-Volkstheater (Teatr Ludowy im. Wojciecha Bogusławskiego) und das Puppentheater „Kukiełki Maczkowskie“ (Maczkower Marionetten). Im Januar 1946 brachten beide Theater vier Stücke auf die Bühne. Großer Beliebtheit erfreute sich die satirische Aufführung „Big Laundry“ (Große Wäsche), die den Alltag in der nun polnischen Stadt thematisierte. Die Einwohner besuchten diese Vorstellungen gern. Das Theater mit seinen 300 Plätzen war jedes Mal bis auf den letzten Platz ausverkauft. 

Ebenso sehr wurde die Presse gelesen, die von den DPs und von der polnischen Division herausgegeben wurde. In Maczków erschien die Zeitung „Biuletyn“ (Das Bulletin), man las aber auch das „Dziennik Żołnierza 1. Dywizji Pancernej“ (Soldatentageblatt der Ersten Panzerdivision) und die „Defilada. Tygodnik Polskich Sił Zbrojnych w Niemczech“ (Die Parade. Wochenzeitschrift der Polnischen Streitkräfte in Deutschland). Die beiden letztgenannten Publikationen erschienen bis zur Verlegung der Division nach Großbritannien im Mai 1947 in einer Gesamtauflage von 90.000 Exemplaren. Zudem gab es die Warschauer Zeitschrift „Repatriant“ (Der Heimkehrer) in der Stadt, die aber keine Resonanz in Maczków fand, da Propaganda, mit der zur Rückkehr in die Heimat aufgerufen wurde, zu offen war und die Informationen über die Lebensbedingungen in Polen zu spärlich und ungewiss.

In der Stadt gab es auch ein Kino, eine Bibliothek mit einem Lesesaal und einige Kulturräume. Großer Beliebtheit erfreuten sich die Tanzlokale, in denen sich die Menschen drei Mal in der Woche zu den Klängen eines eigens zu diesem Zweck eingerichteten Orchesters amüsieren konnten.

Maczków wurde auch regelmäßig von Künstlern aufgesucht, die von der polnischen Abteilung der YMCA und der I. Panzerdivision vermittelt wurden. Das Repertoire bot eine vielfältige Abwechslung, vom Musical über Ballettabende bis zum Kabarett. Die Bürger der Stadt hatten auch die Gelegenheit, den Rezitationen des Dichters Konstanty Ildefons Gałczyński zu lauschen. Den Bau des Theaters hat der bedeutende Regisseur Leon Schiller unterstützt. Sogar ein Zirkus gastierte in der Stadt an der Ems. Zudem hielten sich in Maczków junge Kunsteleven auf, die nach ihrer Rückkehr nach Polen beziehungsweise nach der Ausreise in andere Länder großen Ruhm erlangten, beispielsweise Józef Szajna, der führende Vertreter der polnischen Kunst und des polnischen Theaters, und der berühmte Architekt Norbert Gawroński, der später in Amsterdam gearbeitet hat.

 

Schulwesen
 

Nach Kriegsende hatten viele Menschen den Wunsch, nun endlich einen Schullabschluss zu machen oder eine bestehende Ausbildung zu ergänzen. Viele von ihnen kamen sogar zum ersten Mal mit einer Schule in Berührung. Die allgemeine Auffassung war, dass Bildung helfen würde, besser bezahlte Arbeit zu finden. Die Organisation der entsprechenden Maßnahmen wurde von der Britischen Besatzungsmacht, von der Hilfsorganisation UNRRA und von der I. Panzerdivision unterstützt. 

In diesem Sinne wurden in Maczków in kurzer Zeit Kindergärten, zwei Grundschulen, ein Gymnasium, ein Lyzeum, die Berufsschule „Polskie Gimnazjum Mechaniczne“ (Polnisches Gymnasium für Mechanik) und eine Volkshochschule ins Leben gerufen. Direktor des Gymnasiums und des Lyzeums wurde Tadeusz Nowakowski. Dem Lehrerkollegium gehörte ein weiterer Tadeusz Nowakowski an, der später als Verfasser des 1957 in Paris erschienen Romans „Obóz wszystkich świętych“, der Maczków zum Thema hatte, ein bekannter Exilautor wurde. Die deutsche Ausgabe des Romans erschien 1960 in Köln unter dem Titel „Polonaise Allerheiligen“. Die ersten Teile des Manuskripts notierte Nowakowski noch in Maczków in ein Klassenbuch, das er in der Schule vorgefunden hatte. 

Die Grundschule in Maczków besuchten 350 Kinder, das Gymnasium und das Lyzeum hatten 268 Schüler. Unterrichtet wurden humanistische und naturwissenschaftliche Fächer. Außer Polnisch standen Geschichte, Geographie, Chemie, Mathematik und Religion auf dem Stundenplan. Der Besuch des Gymnasiums und des Lyzeums endete mit dem Abitur. 

Das pädagogische Niveau war so hoch, dass das Gymnasium und das Lyzeum in Maczków auch auswärtige Schüler anzogen. Da das Gymnasium über ein Internat für Mädchen und Jungen verfügte, kamen die Bewerber aus ganz Deutschland. Das Abitur aus Maczków galt als Entree für Hochschulen in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Dabei war es sicher nicht leicht, sich nach den Kriegsjahren mit ihren vielen tragischen Erfahrungen in einen eifrigen Schüler zu verwandeln.

Wir wollten lernen und die durch den Krieg versäumten Jahre nachholen – erinnerte sich der bereits erwähnte angesehene Künstler und ehemaliger Häftling des KZ Auschwitz Józef Szajna (Maczków, Abiturjahrgang 1947). Ich war kein guter Schüler. Dafür, was andere in 40 Minuten erledigten, habe ich vier Stunden gebraucht. Komplexe stiegen in mir auf, das Selbstbewusstsein nahm ab. Mir schien, als hätte der langjährige KZ-Aufenthalt meine Konzentrationsfähigkeit und meine Disziplin getilgt (…). Das Schulgebäude gibt es noch. Unsere Lehrer waren ehemalige Kriegsgefangene aus den Offizierslagern, zumeist aus dem Oflag Murnau, die schon vor dem Krieg Lehrer waren. Die Anforderungen waren hoch, das Niveau der Schüler sehr unterschiedlich. Auch wenn die Kirche sehr groß war und wir jeden Sonntag die Heilige Messe besuchten, konnten wir nicht auf Gottes Hilfe zählen. Die im Krieg erwachsen gewordenen Soldaten, die Partisanen und die weiblichen Teilnehmerinnen am Warschauer Aufstand stellten sich den Prüfungen voller Angst (…)“ (Zitat nach Lembeck, S. 102).

Die Volkshochschule fand bei den DPs starkes Interesse. An den Kursen in Geschichte, Geographie, Technik und anderen Fächern nahmen insgesamt 150 Personen teil. Sehr gefragt waren Fremdsprachenangebote, vor allem Englisch, da die Beherrschung dieser Sprache bei einer Auswanderung von Nutzen sein konnte. Englisch wurde von zwei Lehrern unterrichtet, deren Kurse 200 DPs besuchten. 

So wurde das Emsland mit der Zeit wurde zu einem Zentrum des polnischen Bildungswesens in Deutschland. In Maczków befand sich der Sitz des III. Schulbezirks, dessen Aufsichtsbehörde von Szczepan Zimmerer geleitet wurde. Er legte die Lehrpläne zusammen mit den regionalen Schulbehörden fest.

Die Rückkehr der DPs in die Heimat und die Auswanderungsbewegung in andere westliche Länder trugen zum Rückgang der Schülerzahlen bei, so dass die Schulen letztlich nach und nach geschlossen wurden. Endgültig eingestellt wurde der Schulbetrieb Ende 1948, Anfang 1949.

 

Das religiöse Leben
 

Das religiöse Leben entfaltete sich durch die Arbeit polnischer Geistlicher bald. In Maczków befand sich die größte römisch-katholische Pfarrgemeinde der Gemeinschaft der DPs, in der vier polnische katholische Priester tätig waren (die anderen Gemeinden hatten in der Regel nur einen Priester). Ihre Aufgabenverteilung sah vor, dass zwei Geistliche Heilige Messen und Gottesdienste hielten und die heiligen Sakramente erteilten, während einer Religionsunterricht in den von den DPs besuchten Schulen gab und die Sonntagsschule leitete. Der vierte wirkte als Fürsorger und Seelsorger für die von ihrem Schicksal oft schwer gezeichneten Menschen.

 

Arbeit
 

Ein großes Problem der DPs war der Mangel an Beschäftigung, zumal sie nicht in deutsche Betrieben eintreten durften. Arbeit gab es nur in den Lagern der DPs oder bei den alliierten Streitkräften, aber auch nicht viel. Die meisten Erwerbsfähigen blieben daher in den Lagern beschäftigt, wo sie verschiedene Dinge taten, die von Verwaltungsaufgaben bis zur Müllabfuhr reichten. Nur 10 bis 15 % der Personen in Emsland kamen als Arbeitskräfte in den Einrichtungen der Alliierten unter. 

Insofern stellte die Abhaltung von Schulungen und Weiterbildungskursen, die von den Besatzungsbehörden und den Sozialbehörden unterstützt wurden, eine alternative Beschäftigungsform für die DPs dar, wobei es hier vor allem um Berufsausbildung ging. In Maczków gab es sieben Handwerksbetriebe bzw. Werkstätten, unter anderem einen Schneider, einen Spielzeughersteller und einen Uhrmacher. Begehrt war die Beschäftigung in der Autowerkstatt, in der man außerdem einen Führerschein machen konnte. Alle Produkte, die in diesen Betrieben angefertigt wurden, kamen den DPs gegen geringes Entgelt zu Gute. 

Diese außerhäuslichen Aktivitäten, auch die Teilnahme an Kursen, erlaubten den Menschen, sich psychisch zu regenerieren und sich auf ein selbständiges Leben nach dem Verlassen der Stadt einzurichten. Laut Statistiken gelang es nicht vielen Bürgern in Maczków, eine Arbeit zu finden. Die Angaben aus dem März 1947 besagen, dass die Stadt 4.443 Einwohner hatte, von denen 2.876 erwerbsfähig waren. Nur 896 nahmen jedoch eine Beschäftigung auf, während die übrigen 1.980 Personen arbeitslos waren, was einer Quote von 68,8 % entspricht.

Diese Beschäftigungspolitik änderte sich 1947. Die Besatzungsbehörden beschlossen, die DPs in die deutsche Wirtschaft zu integrieren, um die laufenden Kosten für deren Aufenthalt zu senken und die Verantwortung für das Schicksal dieser Menschen abzulegen. Dieses neue Konzept wurde von den DPs jedoch nur unter großem Vorbehalten akzeptiert, da sie ihren Verdienst in DM ausgezahlt bekommen sollten, ohne ihn in Devisen umtauschen zu können. Außerdem war ihnen verwehrt, Wertgegenstände zu erwerben und im Falle ihrer Heimkehr Geld auszuführen. Ein Teil der Widersacher dieser Regelungen wurde zwei Jahre bei den Einheiten der Britischen Rheinarmee beschäftigt.

 

Gesundheitswesen
 

Die Besatzungsbehörden hatten den Polen schon im April 1945 das Harener Krankenhaus mit 100 Betten übergeben. In diesem Spital wurden fünf polnische Ärzte und sieben Krankenschwestern beschäftigt, während deutsche Nonnen auch Dienste als Krankenschwestern geleistet haben. 

Seinerzeit gab es viele schwer angeschlagene Menschen in der Stadt. Die jahrelange Lagerhaft, die sich als Leidenszeit mit Schwerstarbeit verband, war nicht folgenlos für die Gesundheit geblieben. Viele waren entkräftet und brauchten rasche ärztliche Hilfe oder ambulante Behandlungen. Viele litten unter Traumata. In den ersten Wochen der Freiheit kam es zu zahlreichen Todesfällen. 

Um den Ausbruch einer Epidemie zu verhindern, wurde besonderes Augenmerkt auf die Einhaltung der Hygiene gelegt (massenhafter Einsatz von DDT-Pulver). Außerdem wurden Pflichtimpfungen gegen Typhus, Masern und Diphterie eingeführt. Dabei gab es trotz anderslautender Gerichte keine Berichte über die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten unter den DPs. Von September 1945 bis Februar 1946 wurden in dem Krankenhaus in Maczków 980 Patienten behandelt. Nur bei 16 wurde eine Geschlechtskrankheit diagnostiziert (bei einer Einwohnerzahl von insgesamt 4.800 Menschen).

 

Aufruf zur Rückkehr
 

Die neue Regierung in Polen tat alles dafür, um ihre infolge des Kriegs im Exil lebenden Landsleute zurückzuholen. Dabei erging sich ihre Agitation in politischer Indoktrination, um die polnischen Gemeinschaften, die sich im Westen gebildet haben, zu spalten. Die politische Situation in Polen, die Grenzverschiebungen und der damit verbundene Verlust von Häusern und Bleiben führten dazu, dass viele Polen diese Aufrufe mit großem Misstrauen aufgenommen haben, sodass sie erst zauderten, ihnen zu folgen und später ganz darauf verzichteten, in ihr Heimatland zurückzukehren. 

Nach der Anerkennung der Warschauer Regierung durch Großbritannien im Sommer 1945 haben die Westalliierten zunehmend Druck aufgebaut, um die polnischen Flüchtlinge zur Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen, da ihre große Zahl sowohl politisch als auch ökonomisch problematisch wurde. Einerseits waren die Erwartungen in der verwüsteten Heimat bekannt und die Sehnsucht nach den Familien groß, andererseits fanden die kommunistische Regierung und die Politik des ehemaligen Premiers in der Exilregierung, Stanisław Mikołajczyk, der mittlerweile stellvertretende Ministerpräsident in Warschau war, keine breite Zustimmung. Gleichwohl hatten sich die Polen dieser neuen Politik gegenüber dem besetzten Deutschland zu beugen. In den Folgejahren haben daraufhin viele polnische Einwohner von Maczków die Chance genutzt, in andere Länder auszuwandern. 

 

Die Rückkehr der deutschen Einwohner
 

Der Rückzug der polnischen Soldaten aus Haren begann im Herbst 1946. Im September 1947 übergab die britische Besatzungsmacht die Stadt an die Deutschen zurück. Am 6. September 1947 wurden 163 von 514 Häusern deutschen Besitzern restituiert. In den folgenden Monaten verließen immer mehr Polen die Stadt. Die letzte polnische Familie verlies Maczków im August 1948. Ab dem 10. September 1948 hieß die Stadt wieder Haren.

Nach der Rückkehr in ihre Häuser beschwerten sich die Deutschen über angerichtete Schäden und fehlende Einrichtungsgegenstände. Die Verluste wurden auf rund acht Millionen DM geschätzt. Die Entschädigungen wurden wurde von der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland ausbezahlt. 

Ein Teil der Polen, die in Haren lebten, blieb in Deutschland. Andere wiederum entschieden sich, in andere Länder auszuwandern, meist nach Australien, Kanada, Palästina bzw. Israel und in die USA.

 

Die Erinnerung
 

Nachdem die Harener ihre Stadt von den Polen zurückbekommen hatten, konnten sie dieses Kapitel der Ge­schichte nicht einfach vergessen. An das Regime der Polen, einer aus deutscher Sicht selt­samen Besatzung, erinnerten sie sich mit Häme, auch mit Versen wie „Es klingt wie eine Sa­­ge, dass es aus ist mit der Plage“, oder „Gott schütze unser Haren vor neuen Polen­scha­ren“ (Reiss, S. 33-34).

Nur wenige Bewohner Harens waren in der Lage und bereit, tiefer über das Geschehene nachzuden­ken. Die Nazizeit wurde schnell verdrängt. An die Konzentrationslager, an die Gefangenen­la­ger und ihre Insassen sowie an die Ausbeutung hunderter ausländischer Zwangsarbeiter in der Stadt er­in­nerte man sich nicht oder wollte man sich nicht erinnern. Diese Reserve gegenüber der Auf­ar­bei­tung der Ereignisse wurde von der Historie genährt, dass sich im Emsland keine nen­nens­wer­ten Kriegshandlungen ereignet hatten und die Tragödien der eroberten und besetzten Län­der kaum ein The­ma waren. Der Krieg hatte für die meisten Bürger Harens irgendwo „nebenan“ stattgefun­den. 

Viele Bürger empfanden daher die Ankunft der DPs nach dem Zweiten Weltkrieg und die erzwungene Preisgabe ihrer Häuser und Wohnungen als den eigentlichen Anfang des Krieges. Aus dieser Zeit rühren die negativen Vorurteile gegenüber dieser Personengruppe, denen die schlimmsten Ei­gen­schaften unterstellt und die des Diebstahls, der Vergewaltigung und des schweren Raubs be­schul­digt wurden. Wissenschaftliche Forschungen in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts haben den Fort­­bestand dieser Vorurteile nicht bestätigt, zeigen aber, wie leicht es in den ersten Jahren nach 1945 war, unwahre Informationen zu verbreiten und Gerüchten zu glauben.

Schließlich wurden die polnischen Spuren nach und nach aus dem Stadtbild getilgt. Die polnischen Hinweisschilder ver­schwanden, die alten Straßennamen kehrten zurück, Aufschriften wurden übermalt. Es gab noch nicht einmal Gedenktafel, die über die polnische Episode in der Geschichte der Stadt informierte. Diese Situation änderte sich erst mit den 90er Jahren, als die einstigen polnischen Ein­woh­ner ihre Stadt an der Ems besuchten. Der Dialog mit den Deutschen gestaltete sich an­fangs schwierig, doch mit der Zeit gelang es dann, auch diese Hürde zu nehmen. 

Heute haben die Harener keine Zweifel mehr, dass die Polen als Kriegsopfer nicht freiwillig ins Emsland kamen, sondern durch historische Umstände dazu gezwungen wurden. Seit einigen Jahren fin­den in der Stadt Begegnungen mit Zeitzeugen statt, für die das ört­li­che Gym­na­sium eine wichtige Rolle spielt, dessen Schüler beschlossen haben, diesen Teil der Geschichte ihrer Stadt näher kennen­lernen zu wollen. Die Geschichte der polnischen Enklave fand aber auch Eingang in die Medi­en. Dokumentarfilme wurden gedreht und in der überregionalen, bun­des­weiten Presse erschie­nen Ar­tikel. Das Konsulat der Republik Polen in Hamburg und die Stadtverwaltung übernahmen die Pfle­­­ge polnischer Gräber. Demnächst soll ein Dokumentations­zen­trum dieser polnischen Episode in der Ge­­schich­te Harens nach dem Krieg entstehen. 

Man könnte meinen, dass die Geschichte der Stadt Maczków fester Bestandteil der Nachkriegsgeschich­te Harens geworden ist. Das geplante Zentrum kann sicher zu einer wichtigen kulturellen In­sti­tution zur Initiierung von Forschungsprojekten werden, um die Erinnerung an das Schicksal der Po­­len in diesem Teil Deutschlands wachzuhalten.

 

Krzysztof Ruchniewicz,  Mai 2018

 

 

Auszüge der von mir verwandten Literatur:

 

Jan Rydel, „Polska okupacja" w północno-zachodnich Niemczech 1945-1948. Nieznany rozdział stosun­ków polsko-niemieckich, Kraków 2000 (deutsche Ausgabe: Die polnische Besatzung im Emsland 1945-1948, Osnabrück 2002); 

Andreas Lembeck,  Befreit, aber nicht in Freiheit. Displaced Persons im Emsland 1945-1950, Bremen 1997);

Anne Reis, „Als Haren Maczków hieß“, [in:] Joanna Rzepa (Hrsg.), Frühjahrsschule 2010: Spurensuche. Polnische Kriegsgefangene und Kriegsmigranten in Nordwestdeutschland, Chemnitz, 2014, S. 33-34 (url: http://www.qucosa.de/fileadmin/data/qucosa/documents/15662/Rzepa_Spurensuche.pdf);

 

Beiträge auf Porta Polonica
 

http://www.porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/aleksandra-sekowska-ola-vom-warschauer-aufstand-1944-nach-maczkow-der-ems

http://www.porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/abiturzeugnis-von-aleksandra-diermajer-aus-maczkow-der-ems

http://www.porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/jozef-szajna-maczkow

http://www.porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/jozef-szajna-portrait-von-stefan-sekowski

http://www.porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/tadeusz-nowakowski#body-place

http://www.porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/das-manuskript-polonaise-allerheiligen-von-tadeusz-nowakowski

http://www.porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/norbert-gawronski-von-maczkow-der-ems-die-welt

 

 

Weiterführende Informationen:

https://www.youtube.com/watch?v=xw1mR13jUtU 

https://www.ndr.de/kultur/geschichte/gdgm/20051945-Haren-an-der-Ems-wird-polnisch,geschichte120.html 

http://www.pism.co.uk/dokumenty_kol131.htm