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Maczków. Polnische Enklave in Norddeutschland

Die zuerst in Lwów, dann in Maczków unbenannte Stadt Haren, 1945.

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Die zuerst in Lwów, dann in Maczków unbenannte Stadt Haren, 1945.
Die zuerst in Lwów, dann in Maczków unbenannte Stadt Haren, 1945.

Die Rückkehr der deutschen Einwohner
 

Der Rückzug der polnischen Soldaten aus Haren begann im Herbst 1946. Im September 1947 übergab die britische Besatzungsmacht die Stadt an die Deutschen zurück. Am 6. September 1947 wurden 163 von 514 Häusern deutschen Besitzern restituiert. In den folgenden Monaten verließen immer mehr Polen die Stadt. Die letzte polnische Familie verlies Maczków im August 1948. Ab dem 10. September 1948 hieß die Stadt wieder Haren.

Nach der Rückkehr in ihre Häuser beschwerten sich die Deutschen über angerichtete Schäden und fehlende Einrichtungsgegenstände. Die Verluste wurden auf rund acht Millionen DM geschätzt. Die Entschädigungen wurden wurde von der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland ausbezahlt. 

Ein Teil der Polen, die in Haren lebten, blieb in Deutschland. Andere wiederum entschieden sich, in andere Länder auszuwandern, meist nach Australien, Kanada, Palästina bzw. Israel und in die USA.

 

Die Erinnerung
 

Nachdem die Harener ihre Stadt von den Polen zurückbekommen hatten, konnten sie dieses Kapitel der Ge­schichte nicht einfach vergessen. An das Regime der Polen, einer aus deutscher Sicht selt­samen Besatzung, erinnerten sie sich mit Häme, auch mit Versen wie „Es klingt wie eine Sa­­ge, dass es aus ist mit der Plage“, oder „Gott schütze unser Haren vor neuen Polen­scha­ren“ (Reiss, S. 33-34).

Nur wenige Bewohner Harens waren in der Lage und bereit, tiefer über das Geschehene nachzuden­ken. Die Nazizeit wurde schnell verdrängt. An die Konzentrationslager, an die Gefangenen­la­ger und ihre Insassen sowie an die Ausbeutung hunderter ausländischer Zwangsarbeiter in der Stadt er­in­nerte man sich nicht oder wollte man sich nicht erinnern. Diese Reserve gegenüber der Auf­ar­bei­tung der Ereignisse wurde von der Historie genährt, dass sich im Emsland keine nen­nens­wer­ten Kriegshandlungen ereignet hatten und die Tragödien der eroberten und besetzten Län­der kaum ein The­ma waren. Der Krieg hatte für die meisten Bürger Harens irgendwo „nebenan“ stattgefun­den. 

Viele Bürger empfanden daher die Ankunft der DPs nach dem Zweiten Weltkrieg und die erzwungene Preisgabe ihrer Häuser und Wohnungen als den eigentlichen Anfang des Krieges. Aus dieser Zeit rühren die negativen Vorurteile gegenüber dieser Personengruppe, denen die schlimmsten Ei­gen­schaften unterstellt und die des Diebstahls, der Vergewaltigung und des schweren Raubs be­schul­digt wurden. Wissenschaftliche Forschungen in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts haben den Fort­­bestand dieser Vorurteile nicht bestätigt, zeigen aber, wie leicht es in den ersten Jahren nach 1945 war, unwahre Informationen zu verbreiten und Gerüchten zu glauben.

Schließlich wurden die polnischen Spuren nach und nach aus dem Stadtbild getilgt. Die polnischen Hinweisschilder ver­schwanden, die alten Straßennamen kehrten zurück, Aufschriften wurden übermalt. Es gab noch nicht einmal Gedenktafel, die über die polnische Episode in der Geschichte der Stadt informierte. Diese Situation änderte sich erst mit den 90er Jahren, als die einstigen polnischen Ein­woh­ner ihre Stadt an der Ems besuchten. Der Dialog mit den Deutschen gestaltete sich an­fangs schwierig, doch mit der Zeit gelang es dann, auch diese Hürde zu nehmen.