Bronisław Huberman. Vom Wunderkind zum Kämpfer gegen den Nationalsozialismus
In den Nachbarländern fanden sich aufgrund des dort ebenfalls wachsenden Antisemitismus, schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse und einer zunehmenden von Deutschland ausgehenden Bedrohung und Kriegsgefahr mehr jüdische Musiker zur Ausreise bereit. In Warschau hatte Huberman die Vorspiele für Mitglieder der dortigen Philharmonie mithilfe des Führers der zweiten Geigen, Jacob Surowicz, vorbereitet. Er engagierte schließlich den Violinisten Mieczysław Fliederbaum, der mit Frau und Sohn nach Palästina ausreiste, den Cellisten Chaim Bodenstein mit seiner Frau, die Brüder Alfred, Bolesław und Bronisław Ginsberg, die Violinie, Cello und Pauke spielten, mit ihren Familien, deren Vater, den Bratschisten Pesach Ginsberg (Ginzburg) und dessen Frau, den Posaunisten Michał Podemski mit seiner Familie, den Bratschisten Marek Rak und Frau, den in Belgien lebenden Violinisten Moszek Styglitz mit seiner Ehefrau sowie den Fagottisten Leon Szulc und dessen Vetter, den Hornisten Bronisław Szulc,[46] sowie Surowicz selbst mit seiner Familie.[47] Musikern, die Hubermans Qualitätsansprüche nicht erfüllten, und solchen, die sich in nicht geringer Zahl hilfesuchend an ihn wandten, konnte er aufgrund seiner internationalen Verbindungen die Ausreise in andere Staaten, beispielsweise nach England, vermitteln.
Bis zum Sommer 1936 gelang es Huberman, über fünfzig Musiker aus Polen, Österreich, Deutschland, den Niederlanden, der Tschechoslowakei, Ungarn, dem Baltikum und Italien zu engagieren und mit ihren Familien nach Palästina ausreisen zu lassen. Britische und jüdische Persönlichkeiten in Tel Aviv kümmerten sich um die schwierige Erteilung der Einwanderungszertifikate, was durch den Beginn des arabischen Aufstands im April 1936 und die damit verbundene Abschottung Palästinas durch die britische Mandatsmacht zusätzlich erschwert wurde. Auch die öffentliche Vertretung der Juden in Palästina, die Jewish Agency, die für die Erlaubnis zur Einwanderung zuständig war, sowie die zionistische Administration in Jerusalem äußerten vielfach Bedenken, da die „Huberman-Musiker“ den in Palästina ansässigen Kollegen die Arbeitsplätze wegnahmen. Außerdem waren die Einwanderungszertifikate grundsätzlich Landarbeitern und Handwerkern vorbehalten, die zum Aufbau eines jüdischen Palästina beitragen sollten.[48] Schließlich nahm Huberman auch Musiker des vorher in Tel Aviv bestehenden Orchesters in das neue, schließlich aus dreiundsiebzig Mitgliedern bestehende Palestine Orchestra auf.
[46] Vergleiche die Biografie von Bronisław Szulc auf diesem Portal, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/szulc-bronislaw
[47] Von der Lühe 1998 (siehe Literatur), Seite 100
[48] Von der Lühe 1993 (siehe Literatur), Seite 1048