Bronisław Huberman. Vom Wunderkind zum Kämpfer gegen den Nationalsozialismus
„Ich bin Pole, Jude, freier Künstler und Paneuropäer. In jeder dieser vier Eigenschaften von mir muss ich den Hitlerismus als meinen Todfeind ansehen, den mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen mir meine Ehre und mein Gewissen, meine Überlegung ebenso wie mein Impuls gebieten“, schrieb Huberman am 18. Oktober 1933 an einen Bekannten.[1] Als engagierter Verfechter der seit 1922 von dem japanisch-österreichischen Philosophen Richard Coudenhove-Kalergi (1894-1972) propagierten Paneuropa-Idee trat er selbst mit Schriften zu diesem Thema hervor und agitierte seit Anfang der Dreißigerjahre öffentlich gegen Adolf Hitler. Anlässlich des Erscheinens seiner Schrift „Vaterland Europa“ 1932 in Berlin schrieb er im Oktober des Jahres, während er seine letzten Konzerte in Deutschland gab, über Hitler in der Neuen Leipziger Zeitung: „Die ganze Richtung ist falsch. Sein Weg ist ein Holzweg.“[2] Als er im Mai 1933 in Wien von dem befreundeten Dirigenten Wilhelm Furtwängler (1886-1954) während des Johannes-Brahms-Festes gebeten wurde, in der kommenden Saison in Berlin zu konzertieren, lehnte Huberman ab. Auf Furtwänglers erneute, schriftliche Einladung hin publizierte Huberman in europäischen und US-amerikanischen Tageszeitungen einen Antwortbrief, in dem er die in Deutschland auf allen Kulturgebieten herrschende „Rassenauslese“ und die Situation „jener Museumsdirektoren, Kapellmeister und Musiklehrer“ anprangerte, „die wegen ihrer jüdischen Abstammung oder abweichenden politischen oder sogar nur apolitischen Einstellung entlassen wurden“, Gründe, so Huberman, „die mich augenblicklich von Deutschland trennen“ und die trotz der engen Verbindung zu deutschen Freunden und zur deutschen Musik einen „Gewissenszwang, Deutschland zu entsagen“ bewirkten.[3] Spätestens seit diesem Vorfall galt Huberman in offiziellen Publikationen der Nationalsozialisten „als fanatischer Hetzer gegen Deutschland“.[4]
Bronisław Huberman kam am 19. Dezember 1882 in Częstochowa im russisch regierten Kongresspolen als Sohn des Rechtsanwalts Jakub (Jankiel) Huberman und dessen Ehefrau Aleksandra, geborene Goldman, auf die Welt. Die Einkünfte des Vaters, der in einer Kanzlei angestellt war, reichten kaum um seiner Frau und den drei Söhnen den Lebensunterhalt zu sichern. Früh zeigte sich bei Bronisław ein außerordentliches musikalisches Talent, das die Familie – der Vater war nach Hubermans eigener Aussage ein leidenschaftlicher Musikfreund – trotz der finanziellen Probleme förderte. Als Sechsjähriger erhielt er Unterricht am Warschauer Konservatorium bei dem Geiger Mieczysław Michałowicz (1872-nach 1935), der ihn zwei Jahre lang ausbildete, sowie bei Izydor Lotto (1840-1927), Maurycy Rosen (1868?-nach 1938) und beim Konzertmeister des Warschauer Opernorchesters, Stanisław Barcewicz (1858-1929). Im Jahr darauf trat er erstmals öffentlich auf. (Abb. 1) Wieder sparte die Familie und ermöglichte ihm im Alter von neun Jahren eine Reise nach Berlin und ein Vorspiel bei dem Violinisten, Dirigenten und Komponisten Joseph Joachim (1831-1907), dem einflussreichsten Musiker seiner Zeit und Gründungsdirektor der Königlichen akademischen Hochschule für Musik in Berlin. Obwohl Joachim „Wunderkinder“ hasste, war er vom Talent des Jungen überzeugt und öffnete ihm alle Türen. Im Sommer 1892 konzertierte Bronisław in österreichischen Kurorten wie Karlsbad, Marienbad und Ischl und erhielt eine Audienz beim Kaiser in Wien.
[1] Huberman an einen Bekannten, Brief vom 18.10.1933, Nachlass Huberman, Felicja Blumental Music Center, Tel-Aviv, zitiert nach von der Lühe 1997 (siehe Literatur), Seite 11
[2] Vaterland Europa. Bronislaw Huberman über den Weg zu Wohlstand, hohen Löhnen, Warenabsatz, Freiheit und Frieden in Europa, in: Neue Leipziger Zeitung, Nr. 297, 23.10.1932, zitiert nach von der Lühe 1997 (siehe Literatur), Seite 11
[3] Die Kunst im Dritten Reich. Hubermans Verzicht ..., Prager Tagblatt vom 13.9.1933 (siehe Quellen)
[4] „Seit 1933 ein fanatischer Hetzer gegen Deutschland.“ (Lexikon der Juden in der Musik 1940, siehe Antisemitische Publikationen)