Bronisław Huberman. Vom Wunderkind zum Kämpfer gegen den Nationalsozialismus
Huberman antwortete dem „lieben Freund“ Furtwängler in einem ausführlichen Brief vom 10. Juli 1933 und bat ihn am Folgetag, diesen Antwortbrief auch in der internationalen Presse veröffentlichen zu dürfen. Obwohl Furtwängler widersprach („es hätte nur mit Sicherheit zur Folge, dass Sie […] vielleicht überhaupt nicht mehr in Deutschland auftreten könnten“[34]) schickte Huberman Kopien seines Briefes an Louis P. Lochner (1887-1975), den Leiter des Berliner Büros der Associated Press, in der Hoffnung, dass das Schreiben in der New York Times veröffentlicht werden würde. Lochner, der sich zehn Tage später in Marienbad aufhielt, gelang es, die öffentliche Fassung des Briefs am 13. September 1933 im Prager Tagblatt zu platzieren (Abb. 8). Am Tag darauf erschien eine englische Übersetzung im Rahmen eines Artikels des US-amerikanischen Journalisten Frederick T. Birchall (1871-1955) mit der Schlagzeile „Huberman Bars German Concerts“ (Huberman schließt deutsche Konzerte aus) in der New York Times.[35]
Huberman berief sich in seinem Brief nicht nur auf den Dirigenten Arturo Toscanini (1867-1957), der kurz zuvor seine Teilnahme an den Bayreuther Festspielen aufgrund der juden- und ausländerfeindlichen Stimmung in Deutschland abgesagt hatte, sondern er drückte auch Furtwängler seine Bewunderung „für die Unerschrockenheit, Zielbewusstheit, das Verantwortlichkeitsgefühl und die Zähigkeit“ aus, mit der dieser seine „im April begonnene Kampagne um die Rettung des Konzertwesens vor der drohenden Vernichtung durch die Rassenreiniger geführt“ habe. Die mit Reichsminister Rust ausgehandelten Zusicherungen über eine Teilnahme ausgesuchter Künstler am deutschen Musikleben nach dem „Leistungsprinzip“, die das Prager Tagblatt ausführlich zitierte, konnte er, Huberman, jedoch „nicht als eine genügende Grundlage“ für seine „Wiederbeteiligung am deutschen Musikleben ansehen“. Aus dem „Selektionsprinzip“ spräche der Wille, „auf allen übrigen Kulturgebieten eben das Nichtverständliche, nämlich die Rassenauslese, weiter gelten zu lassen.“ Sollte es eine Ausnahmeregelung für die Musik geben, so seien doch Museumsdirektoren, Forscher und Lehrer weiterhin von der Ausgrenzung betroffen. Die „wenigen zur Mitwirkung herangezogenen ausländischen bzw. jüdischen Musiker“ sollten lediglich „vor aller Welt zum Beweise dafür angeführt werden, dass es in Deutschland um die Kultur gut bestellt sei. In Wahrheit aber würde die deutsche Gründlichkeit immer neue Definitionen über Rassereinheit gegenüber dem noch ungereiften Kunstjünger, an Schulen, Laboratorien usw. anwenden.“