Bronisław Huberman. Vom Wunderkind zum Kämpfer gegen den Nationalsozialismus

Bronisław Huberman, um 1928. Unbekannter Fotograf, Library of Congress, George Grantham Bain Collection, Washington, DC
Bronisław Huberman, um 1928. Unbekannter Fotograf, Library of Congress, George Grantham Bain Collection, Washington, DC

Etwa zur selben Zeit entwickelte Huberman das von ihm ins Leben gerufene Palestine Orchestra als wirksame Waffe gegen das Naziregime. Die Vorgeschichte dazu setzte jedoch zwei Jahre früher ein. Zu Beginn des Jahres 1934 befand Huberman sich auf einer Tournee durch Palästina, wo er erstmals 1929 gastiert hatte. Die neuerliche Konzertreihe umfasste insgesamt zwölf ausverkaufte Aufführungen, der mehrere „Arbeiter-Konzerte“, also Vorstellungen mit reduziertem Eintritt für ärmere Bevölkerungsschichten, folgten. In Tel Aviv trat er mit einem Orchester auf, das 1933 gegründet worden war. Dessen Mitglieder lebten schon seit den Zwanzigerjahren in Palästina und nahmen neuerdings auch aus Europa emigrierte Tonkünstler auf.[40] Huberman bemerkte, dass dieses Orchester im Bereich der Holz- und Blechbläser neu organisiert werden musste und stellte Konzerteinnahmen zur Verfügung, um neue Bläser aus Europa zu verpflichten. Als sich seine Pläne nicht mit den Zielen der bisherigen Initiatoren in Einklang bringen ließen, entwickelte er 1935 Pläne für eigenes Orchester, das mithilfe jüdischer Mäzene in Europa und den USA über einen international zusammengesetzten Orchester-Trust finanziert werden sollte. Ende 1935 betraute er den aus Köln emigrierten Ökonomen Salo B. Lewertoff (1901-1965), ehemals Leiter der Kölner Ortsgruppe der Internationalen Gesellschaft für zeitgenössische Musik,[41] mit der Geschäftsführung und der Position des Generalsekretärs.

Von Februar bis April 1936 unternahm Huberman eine Konzerttournee durch die USA. Bereits am 9. Februar berichtete die New York Times unter der Überschrift „Orchestra of Exiles“: „Bronislaw Huberman, der polnische Violinist, ist die Quelle für die Nachricht, dass das erste Sinfonieorchester in Palästina aufgebaut werden soll. Das Orchester soll 65 Musiker umfassen. Es soll sich aus herausragenden deutschen Musikern zusammensetzen, denen das Recht in ihrem eigenen Land zu spielen aberkannt wurde, außerdem aus weiteren prominenten europäischen Tonkünstlern.“[42] Mit zweiundvierzig Benefizkonzerten, die Huberman an sechzig Tagen quer durch die Vereinigten Staaten absolvierte, trug er das Grundkapital für die Orchestergründung zusammen. In Interviews und Ansprachen hob er hervor, dass die Rettung jüdischer Musiker und ihrer Familien vor den Nationalsozialisten sein hauptsächliches Anliegen wäre. Außerdem gelang es ihm, Künstler, Wissenschaftler und finanzkräftige Kreise für die Orchestergründung zu interessieren. Der Physiker Albert Einstein (1879-1955, Abb. 9) veranstaltete am 30. März 1936 im New Yorker Waldorf-Astoria ein Diner zugunsten von Hubermans Projekt und unterstützte die Kampagne mit Briefen an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.[43] Toscanini erklärte sich spontan bereit, die Eröffnungskonzerte des neuen Orchesters in Tel Aviv, Haifa und Jerusalem sowie einige Konzerte in Ägypten zu leiten. Diese Zusage, die ebenfalls von der New York Times verbreitet wurde, führte zu finanziellen Zusagen zahlreicher jüdischer Persönlichkeiten, sodass der Bestand des künftigen Orchesters schließlich für drei Jahre gesichert war.

[40] Von der Lühe 1993 (siehe Literatur), Seite 1046 ff.

[41] Zur Biografie des 1901 in Höxter als Sohn eines Kaufmanns geborenen Salo(mon, Shlomo) Bernhard Lewertoff vergleiche von der Lühe 1998 (siehe Literatur), Seite 72

[42] The Week’s News and Comment Concerning Music. Orchestra of Exiles, in: The New York Times vom 9.2.1936, Abschnitt X, Seite 7, Vorschau siehe online: https://www.nytimes.com/1936/02/09/archives/orchestra-of-exiles.html?searchResultPosition=2

[43] Von der Lühe 1998 (siehe Literatur), Seite 78 f.

Mediathek
  • Abb. 1: Das Wunderkind, 1889

    Bronisław Huberman als Siebenjähriger, 1889
  • Abb. 2: Als Jugendlicher, um 1895

    Bronisław Huberman in jungen Jahren, um 1895. Unbekannter Fotograf, Albuminabzug, 14,7 x 10,1 cm, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie, Inv. Nr. DI 103634 MNW
  • Abb. 3: Als Vierzehnjähriger, 1896

    Bronisław Huberman als Vierzehnjähriger, 1896. Fotografie von R. Wilhelm, New York, Philip Hale Photograph Collection, Boston Public Library
  • Abb. 4: Bronislaw Huberman, 1900

    Bronisław Huberman als Achtzehnjähriger, 1900
  • Zdj. nr 5: Emil Orlik, Huberman, ok. 1915 r.

    Emil Orlik, Portret Bronisława Hubermana ze skrzypcami, ok. 1915 r., akwaforta, 24,5 x 29,3 cm.
  • Abb. 6: Lesser Ury: Huberman, um 1916

    Lesser Ury: Porträt Bronisław Huberman, um 1916. Pastell auf Karton, 97,2 x 70,7 cm, Jüdisches Museum Berlin, Inv. Nr. GHZ 78/1/0
  • Abb. 7: „Vaterland Europa“, 1932

    Bronislaw Huberman: Vaterland Europa, Berlin 1932
  • Abb. 8: Offener Brief an Furtwängler, 1933

    Offener Brief von Bronisław Huberman an Wilhelm Furtwängler, Prager Tagblatt vom 13.9.1933, Österreichische Nationalbibliothek
  • Abb. 9: Einstein trifft Huberman, 1936

    Der Physiker Albert Einstein trifft Bronisław Huberman 1936 in seinem Haus in Princeton, New Jersey
  • Abb. 10: Toscanini probt mit dem Palestine Orchestra, 1936

    Das Palestine Orchestra während einer Probe unter der Leitung von Arturo Toscanini, vermutlich im Dezember 1936