Andrzej Nowacki. Erkundung des Quadrats
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Einstieg
Ein weißes Quadrat scheint über der schwarzen, ebenfalls quadratischen Grundfläche zu schweben. Darüber, angehalten in ihrer Bewegung, drei Linien in Schwarz, die nicht genau parallel vom linken Rand nach oben rechts steigen. Drei greifbare Linien, dargestellt reliefartig durch die Körperlichkeit der Holzleisten. Es ist, als sehnten sie sich nach einer Begegnung, die nie stattfinden kann, da es jenseits des Quadrats nichts mehr gibt. Sie beunruhigen und wirken doch harmonisch, sie schweigen schwarz in der weißen Umgebung.
Das Jahr 1987, Westberlin, eine der ersten Ausstellungen von Andrzej Nowacki. Indes hat sich seine Kunst wesentlich verändert, doch der Weg von jenen Anfängen bis zu heutigen Werken lässt sich nachvollziehen. Die Entwicklung verlief nicht einfach linear, einzelne Phasen greifen ineinander, wechseln ab, inspirieren sich in gewissem Sinne gegenseitig. Wiederzuerkennen sind aber einige konstante, unverkennbare Merkmale: emotionsgeladene Expressivität kontrapunktiert durch strenge, abstrakte Sprache der Geometrie sowie die bevorzugte Form: das Relief, ein dreidimensionales, räumliches Bild. Im Quadrat.
Lebenswege 1
Der Geburtsort ist scheinbar unbedeutend: eine kleine Provinzstadt im polnischen Süden. Es fiele schwer zu entdecken, in wie weit sie die weiteren Lebenswege bestimmte. Die Gegend gehörte einst zum legendären, untergegangenen Galizien, einem Landstrich der K.-und-K.-Monarchie, mit ihrer unverwechselbaren, multikulturellen Geschichte, deren alter Mythos bis heute in der nun polnischen Region zu spüren ist. Aber jeder Provinz wohnt auch eine Zentrifugalkraft inne, die in die weite Welt herauszuschleudern vermag.
Wichtig war die Nähe von Krakau, einem Kultur- und Kunstzentrum, einem Ort, der zu einer Öffnung und kultureller Sensibilität beitrug. Dort verkehrte der künftige Künstler hauptsächlich im Kreis von Studenten der Akademie und Künstlern. In den 1970er Jahren kamen erste Auslandsreisen: nach Schweden, Deutschland und Österreich, mit denen weitere Studienjahre einhergingen.
Annäherungen an die aktive Kunsttätigkeit verliefen stufenweise und hingen zweifellos mit Menschen zusammen, denen er begegnete, wie der verkannte polnische Künstler Marian Kruczek (Abb. 01) mit seiner exzentrischen, kreativen Persönlichkeit oder der großer Geometriker Henryk Stażewski (Abb. 02). Ende der 1970er Jahre gelangte Nowacki nach Westdeutschland und ließ sich schließlich in Westberlin nieder. Bis die Zeit der künstlerischen Initiation kam, arbeitete er eine Weile als Experte und Berater in Sachen Kunst. Mitte der 1980er begann er zu malen, kurz darauf entstanden seine ersten Reliefs, 1987 kam die Debütausstellung.