Aleksander Gierymski
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Dass die neuen Münchner Gemälde aristokratischen Geschmack trafen, belegt auch der Auftrag des litauischen Barons Ignacy Korwin-Milewski (1846-1926) für Bilder mit ähnlichen Motiven aus Paris. Milewski, Kunstsammler, politischer Schriftsteller und Reisender, hatte offenbar selbst 1875 Kurse für Malerei an der Münchner Akademie belegt, sich dem Kreis der polnischen Künstler angeschlossen und sich für deren Malerei begeistert.[7] Um diesen Auftrag auszuführen ging Gierymski im Herbst 1890 nach Paris. Dort entstanden seine Nachtansichten vom Louvre und der Pariser Oper (Abb. 13, 14), in denen er die Kontraste von Licht und Schatten noch verstärkte.
Der Maler nutzte seinen Parisaufenthalt jedoch auch, um die französische Malerei zu studieren. Er beschäftigte sich intensiv mit dem Realismus von Jean-François Millet, was durch seine Version des Angelus-Motivs (Abb. 12) belegt ist. Sie entstand zu einer Zeit, als Millets Gemälde L'Angelus (1859) gerade in aller Munde war: 1889 war es von der Pariser Galerie Sedelmeyer in einem Bietgefecht zwischen dem Louvre und der American Art Association nach Amerika verkauft worden und ging 1890 mit hohem Gewinn zurück nach Paris an den Sammler Alfred Chauchard.[8] Im Unterschied zu Millets Gemälde mit einem einander zugewandten betenden Bauernpaar zur abendlichen Zeit des Angelusläutens, welches das Ende der täglichen Feldarbeit ankündigt, zeigt Gierymski zwei betende Frauen, eine stehend, die andere knieend, in bildfüllender schräger Vorderansicht. Millets Forke und Körbe sind durch Rechen und Krüge ersetzt, während die Weite der Landschaft und die Ackerfurchen durchaus ähnlich aufgefasst sind. Der größte Unterschied besteht jedoch in der Farbigkeit. Während Millet Brauntöne dominieren ließ, die die Schwere der bäuerlichen Arbeit hervorheben sollten, wählte Gierymski bunte Farben, die vor allem die Kleiderstoffe der Frauen in geradezu folkloristischer Weise wiedergeben - ein Stil, der vor allem von den polnischen Malern in München gepflegt wurde, wenn sie sich mit Themen der polnischen Geschichte und Volkskultur beschäftigten.
Vor allem aber studierte Gierymski in Paris die Malerei der Impressionisten und änderte erneut seinen Malstil. Für das mit zahlreichen Studien vorbereitete großformatige Gemälde Abend an der Seine (Abb. 15) wählte er die divisionistische Malweise des Impressionismus, bei der Farbeindrücke und Lichtreflektionen in Grundfarben und Komplementärkontraste zerlegt wurden, so wie Claude Monet es gerade mit der Bilderserie Les Meules (dt. Heuhaufen, 1888-90) vorgeführt hatte. Auch nachdem Gierymski Ende 1893 nach Polen zurückgekehrt war, verfolgte er diesen Malstil weiter. Er ließ sich vorübergehend in Krakau nieder, vermutlich weil ihm eine leitende Position an der dortigen Akademie der Bildenden Künste (Akademia Sztuk Pięknych) angeboten worden war. In impressionistischem Stil malte er sonnige Landschaften, Straßen- und Genreszenen sowie Porträts der Einwohner des Krakauer Vororts Bronowice.[9] Zu dieser Serie gehört auch das Gemälde Der Bauernsarg (Abb. 16), das ein bäuerliches Ehepaar in stiller Verzweiflung vor dem Sarg des toten Kindes zeigt, während der Sargdeckel seitlich am Haus aufgestellt ist. Die impressionistische Malweise ist hier jedoch zu einem glatteren Folklorismus verdichtet.
[7] Polski Słownik Biograficzny, Band 21, 1976, Seite 208
[9] Knabe, der eine Garbe trägt (Chłopiec w słońcu), 1893/94, Öl auf Leinwand, 94 x 77 cm Nationalmuseum Breslau / Muzeum Narodowe we Wrocławiu (http://www.pinakoteka.zascianek.pl)