Jan Bresinski. Neue Wege zur Landschaftsmalerei
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Die Natur als Universalraum
So scheint es geradezu folgerichtig, dass sich Bresinski nach jahrelanger Beschäftigung mit den abgezirkelten Formen architektonischer Räume ab 2015 der reinen Natur zuwandte, sozusagen dem anderen Extrem seines sich zwischen Siedlungsraum und Kulturlandschaft erstreckenden Arbeitsbereichs. Unmittelbarer Anlass für die seitdem unter dem Titel „Dickicht“ entstandene Serie von Gemälden (Abb. 70-87) war eine Reise in die Uckermark, eine Fahrt mit dem Boot in weite Schilffelder, aus der der Künstler „verändert zurückkam“, so Małgorzata Matzke 2017 anlässlich einer Ausstellungseröffnung in der Remagener Galerie Modern Art Showroom (M.A.SH).[36] Zwei Wochen lang hatte Bresinski anlässlich eines Künstlersymposiums in Schwedt die Altarme des Oderbruchs mit ihren ausgedehnten Röhrichten befahren.[37] Auch in seiner angestammten Umgebung, der Flusslandschaft bei Windeck und Eitorf, setzte er seine Naturbegehungen fort: Wildes Dickicht, so der Künstler, ziehe ihn an.[38] Sein Interesse galt jenen Räumen, die die Natur mit ihrem Wachstum kreiert und die der Künstler in seinen Gemälden durch dramatische Lichtunterschiede neu festlegt. Die Raumwirkung zwischen Vordergrund, Bildtiefe und Durchblicken in die Ferne scheint sich in Ausstellungen seiner Bilder in den Schauraum fortzusetzen.[39] Bei der Darstellung der gegenständlichen Formen, der Blätter, Stängel, Zweige und Äste, die der Natur und ihren Wachstumsprozessen nachempfunden sind, arbeitet er – wie zuvor bei seinen Landschaften, urbanen Ansichten und Bildern von gebauten Räumen – jedoch mit Schematisierungen, deren Formrepertoire im Atelier entsteht. Seine „Dickichte“ sind Idealbilder und Denkmuster, Anmutungen einer universellen Natur, die der Vervollständigung aus der Erfahrungswelt des Betrachters bedürfen.
Auch diese Gemälde, in Frontalansicht aufgenommen, sind ohne das schematisierte All-over der abstrakten Kunst – man denke an die „Drippings“ von Jackson Pollock – kaum denkbar. Allerdings verhindert das Vorbild der Natur mit ihrer Dynamik und Ausbreitung in Fläche und Raum eine Erstarrung zu dekorativem Ornament. Erneut ist das Interesse des Künstlers an Material und Form, an vielfältigen und immer neu zu erprobenden malerischen Techniken zu spüren. Der Bildaufbau aus zahlreichen, übereinander liegenden Lasuren und deckenden Malschichten, das Einritzen, Kratzen und Schaben von Formen in die noch feuchte Farbe, die Anwendung von Monotypie und das Wechselspiel von positiven und negativen Bildvorlagen gestalten ein universelles, paradigmatisches Bild der Natur. Matzke sah in diesen Gemälden eine „Reaktion, auf das was jetzt in der Welt passiert“, also auf die aktuelle Umwelt-Diskussion. In der gegenwärtig „politisch heiklen Lage“ empfinde Bresinski, dass die Natur uns nicht belüge, sie sei „das Einzige, auf das wir uns verlassen können“.[40]
2017 erhielt der Künstler gemeinsam mit dem aus Simbabwe stammenden Künstler Charles Bhebe (* 1979) den Auftrag für ein Wandbild am Gymnasium am Löhrtor in Siegen, das unter dem Titel „Weltbaustelle Siegen“ im Rahmen des Eine Welt Netzes NRW das Thema Nachhaltigkeit repräsentieren sollte.[41] Bresinski zeigte, in Zusammenarbeit mit den Schülern des Gymnasiums, im oberen Teil eine naturlose kalte Welt aus Betonpfeilern, Brücken, Rampen und Wolkenkratzern, Bhebe im unteren Bereich Menschen, die bis zur Brust im Wasser stehen und ums Überleben kämpfen. „Unsere Idee war, den Zusammenprall der Welt der Banken und der untergehenden realen Welt zu zeigen“, sagte Bresinski im Interview mit dem polnischen Kanal der Deutschen Welle: „Oben die Welt, von der wir beherrscht werden, und unten einfache Menschen, die versuchen zu retten, was ihnen lieb und teuer ist. Wir sind alle Opfer des Weltgeschehens.“ Das Projekt betonte eine globale Idee der Gleichberechtigung.[42]
Das bisher entstandene Werk von Jan Bresinski bildet einen komplexen, in sich geschlossenen und sorgfältig durchgearbeiteten Beitrag zur Landschaftsmalerei. Es steht Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts nahe wie dem Informel, der Land Art, der modernen Objektkunst, genauer der Minimal Art, und der Installation, verarbeitet Einflüsse der Fotografie ebenso wie Grundprinzipien des Action Painting. Dennoch steht die Landschaftsmalerei, die sonst in der Entwicklung der zeitgenössischen Kunst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs keine wesentliche Bedeutung erlangt hat, bei diesem Künstler im Vordergrund, sei es als künstlerische Reflexion der Kulturlandschaft, der Stadtlandschaft oder fokussierter Phänomene wie des umbauten Raums und der unmittelbaren Natur. Auslöser waren für Bresinski sicher Ideen des Post-Impressionismus, aber auch Empfindungen für die Landschaft, die seit der Romantik das ganze 19. Jahrhundert hindurch gültig waren, nämlich die Landschaft als Emotionsträger und allgemeiner Reflex der menschlichen Existenz, Ort der Hoffnung, der Erwartung und des Begehrens ebenso wie der latenten Gefahr. Das hat Auswirkungen bis in jüngste Gegenwart: Die scheinbar wilde Natur scheint Heilsbringerin gegen die vom Menschen ausgelöste existenzielle Bedrohung, erweist sich in der künstlerischen Bearbeitung letztlich aber doch als gestaltetes Substrat, bleibt Sehnsuchtsort und Gefahrenzone zugleich. Insofern ist Bresinskis Malerei weiterhin aktuell.
Axel Feuß, August 2019
Webseiten des Künstlers:
Literatur:
im Fluss. Eine Kunstaktion an der Sieg bei Herchen, herausgegeben von der Sparkassenstiftung für den Rhein-Sieg-Kreis, Siegburg 1999
Continuum. Jan Bresinski, Ausstellungs-Katalog Kunst-Spektrum GKK, Krefeld, und Dom Polonii, Krakau, 2001
SPIELART. Jan Bresinski, Karl-Heinz Heming, Hermann J. Kassel, Anne Mangeot, Benoit Tremsal, Ausstellungs-Katalog, herausgegeben von der Sparkassenstiftung für den Rhein-Sieg-Kreis, Siegburg 2002
Jan Bresinski. Land/Über/Gang, Ausstellungs-Katalog Rheinisches Landesmuseum Bonn, herausgegeben von Frank Günter Zehnder, Bonn 2002
Jan Bresinski. Atlas bezdroży/Atlas der Irrwege, Ausstellungs-Katalog Mazowieckie Cnetrum Kultury i Sztuki w Warszawie/Masowisches Zentrum für Kunst und Kultur, Warschau 2007
Jan Bresinski. Ich bin der Raum wo ich bin, Ausstellungs-Katalog Kunstsammlungen der Stadt Limburg, 2012
Staffellauf. Zwei Absolventengenerationen der Kunstakademie Katowice, Ausstellungs-Katalog Kunstverein Kreis Gütersloh und andere, Kuratorin: Dorota Kabiesz, [Warschau 2013], Seite 22-25
[36] Hildegard Ginzler: Es grünt so grün. Der Windecker Künstler Jan Bresinski bringt das Dickicht in die Remagener Galerie M.A.SH, in: General-Anzeiger Bonn vom 12.6.2017, Archiv Bresinski
[37] Renate Brehm-Riemenschnitter: Rede zur Eröffnung der Ausstellung Jan Bresinski. Naturfrequenzen, Kunstraum Bad Honnef, 8.4.2018, Archiv Bresinski
[38] Jan Bresinski und sein grünes Universum, Dokumentarfilm von DW Polski auf YouTube, veröffentlicht am 29.12.2017, Minute 1:32, https://www.youtube.com/watch?v=6glknUFswsc&t=3s
[39] Gabriele Mayer: Elementares Grün und der ungewisse Raum. Beeindruckende Öl-Malerei von Jan Bresinski ist im Neuen Kunstverein in Regensburg zu sehen, in: Mittelbayerische Zeitung, Regensburg, vom 11.12.2016
[40] Siehe Anmerkung 36
[41] Wandgemälde am Löhrtor-Gymnasium ist fertig. Weltbaustelle Siegen, in: Siegener Zeitung vom 12.10.2017, https://www.siegener-zeitung.de/siegen/c-lokales/weltbaustelle-siegen_a128431; Weltbaustelle Siegen, http://www.eineweltforumsiegen.de/weltbaustelle-siegen/; Weltbaustelle Siegen, https://eine-welt-netz-nrw.de/index.php?id=306
[42] Siehe Anmerkung 38, Minute 2:57-3:24
(Alle zitierten Links wurden zuletzt im August 2019 aufgerufen.)