„Treu dem Vaterland, auch in der Fremde“. Patriotische Telegramme der Breslauer Polonia
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In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Polen gerade in Großpolen mit verschiedenen Verboten der Besatzungsmacht unter Druck gesetzt, um die polnische Bevölkerung ultimativ zu germanisieren. Dort herrschte der „längste Krieg des modernen Europas“. Indessen konsolidierten sich die Polen im Geiste nationaler und wirtschaftlicher Solidarität. Ausdrucksformen dieser Bestrebungen waren die patriotische Erziehung und Bildung der Jugend sowie Vorbildlichkeit durch Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit in allen Lebensbereichen. Die polnische Bevölkerung in Großpolen opponierte in bemerkenswerter Weise, indem sie klug, gewitzt, kreativ und mit Widerstandskraft sowie frohgemut und treu zu ihren Idealen stand. Nur so konnte sie ihre ärgsten und entschlossensten, listigen, eingefleischten Feinde, den „eisernen Kanzler“ Otto von Bismarck und den Deutschen Ostmarkenverband, überstehen. Sie bewies, dass keine Kraft der Welt ihr Polentum aus ihren Herzen verdrängen konnte.
Der Kampf um die Erhaltung der nationalen Identität hatte viele Erscheinungsformen. Eine der originellsten war die Ausgabe dekorativer farbiger Lithographien mit historisch-patriotischen Motiven, die anlässlich familiärer, nationaler und religiöser Feiertage verschickt werden konnten. Sie wurden als „patriotische Telegramme“ oder als „Kościuszko-Telegramme“ bezeichnet, da die ersten Drucke mit dem Bildnis von Tadeusz Kościuszko versehen waren. Die ersten Blanko-Telegramme erschienen 1895 in Posen auf Initiative von Maria Łebińska, der Gattin des Schriftstellers und Chefredakteurs der Zeitung „Wielkopolanin“ Walery Łebiński[7], und von Teodora Kusztelan, der Gattin des Finanzexperten und Wirtschaftsaktivisten Józef Kusztelan. Die beiden Frauen gründeten ein Komitee zur Herausgabe von Gratulationskarten (Komitet do Wydawania Kart Gratulacyjnych), das auch „Frauen-Komitee“ (Komitet Pań) bzw. „Posener Komitee“ (Komitet Poznański) genannt wurde. Der Erlös aus dem Verkauf der Karten wurde für nationale, soziale und wohltätige Zwecke verwandt.[8]
Die „patriotischen Telegramme“ verbreiteten sich rasch, wobei sie eine Vielfalt von Bildnissen historischer Persönlichkeiten, von Helden im Kampf um die Unabhängigkeit sowie nationale Symbolen und Staatswappen zeigten. Um die Verwendung der Vordrucke zu erleichtern, wurden für jeden Anlass einfache, belustigende Wunschtexte vorbereitet, die in dem in Innowrocław [dt. Hohensalza] erschienenen Buch „Bukiet Dobranych Powinszowań wierszem i prozą, życzeń do Telegramów Kościuszkowskich“ (Ein Strauß passender Gratulationen für die Kościuszko-Telegramme in Prosa und Gedichten) nachzulesen waren.[9]
Seit 1912 wurden die patriotischen Vordrucke der Telegramme auch von der Towarzystwo Czytelni Ludowych (Gesellschaft der Volksbüchereien) herausgegeben.[10] Diese Institution trug wesentlich zur Förderung der Bildung der polnischen Einwohner in Preußen bei, indem sie Büchereien und Lesestuben mit polnischer Literatur unterhielt sowie Vorträge und Bildungsveranstaltungen organisierte. Die Arbeit dieser Gesellschaft ist durchaus als Weitergabe des geistigen Erbes von Juliusz Słowacki anzusehen, der in seinem Gedicht „Mój Testament“ (Mein Testament) inständig bittet:
„Lecz zaklinam – niech żywi nie tracą nadziei
I przed narodem niosą oświaty kaganiec“[11](Ich flehe aber, dass die Lebenden die Hoffnung nicht begraben
und vor dem Volk das Licht der Aufklärung tragen)
Die Entwürfe für die Vordrucke der Gesellschaft wurden von vielen Künstlern gestaltet, unter anderem von Jerzy Hulewicz, Kazimierz Kościański, Tadeusz Szafrański, Franciszek Tatula, Wiktor Gosieniecki und Paulin Gardzielewski. Besonders interessant sind die Entwürfe von Kazimierz Kościański (1899 – 1973), der 1933 die Posener Gruppe Twór (Das Werk) mitbegründet hat.[12] Seine Grafiken enthalten geometrische Linien, flache Farbareale und rhythmische Kompositionen, also Ausdrucksmittel, die für das Art déco charakteristisch sind. Seine Telegrammvordrucke mit den Bildnissen von Adam Mickiewicz und Ignacy J. Paderewski erreichen durchaus künstlerisches Niveau, was nicht für alle Vordrucke gilt.
[7] „Wielkopolanin“, Nr. 44 vom 24.02.1915.
[8] K. Matysek, Telegramy kościuszkowskie i narodowe świadectwem patriotyzmu Wielkopolan, in: Aksjosemiotyka karty pocztowej II, hrsg. von P. Banaś, Acta Universitatis Wratislaviensis, Nr. 2377, Prace Kulturoznawcze VIII, Wrocław-Warszawa 2004, S. 109.
[9] J. Aleksiński, Telegramy Kościuszkowskie, Antiquitates Minutae, Poznań 2003, S. 3.
[10] J. Sobczak, Wielkopolskie telegramy kościuszkowskie, in: Polski obyczaj patriotyczny od XVIII do przełomu XX/XXI w. – ciągłość i zmiana, hrsg. von A. Stawarz und W. J. Wysocki, Warszawa 2007, S. 119.
[11] J. Słowacki, Dzieła wybrane, Band 1: Liryki i powieści poetyckie, hrsg. von J. Krzyżanowski, Wrocław-Warszawa-Kraków- Gdańsk 1979, S. 44.
[12] „Nowy Kurier“, Nr. 128 vom 04.06.1933.