Polnische Künstler:innen in München 1828–1914
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Polenkolonie in München - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch
Auch nach 1875 hielt der Zustrom an polnischen Kunststudenten in München an, es fehlte jedoch an großen Begabungen. Mittelpunkt der polnischen Szene bildeten Brandt und Wierusz-Kowalski. Sie öffneten ihre wohlhabenden Häuser für die Neuankömmlinge und stellten ihnen „polnische“ Requisiten aus ihrem reichhaltigen Atelierfundus zur Verfügung.[13] Die Bedeutung der privaten Schulen nahm zu. Besonderer Anziehungspunkt für die Polen war die 1886 gegründete Privatschule des ungarischen Genremalers Simon Hollósy, der im Sommer Studienkurse für Freilichtmalerei in Ungarn anbot. Seine Schule besuchten bis 1911 rund dreißig polnische Malschüler. Die in dieser Zeit von Rosenberg so bezeichnete „Polenkolonie“[14] wurde von anderen auch als geschlossene „Schule“ wahrgenommen. Die Zeitschrift „Kunst für alle“ bildete im November 1887 eine von acht polnischen Künstlern, darunter Brandt und Fałat, mit einschlägigen Motiven gestaltete Malerpalette ab (eine in dieser Zeit für Künstlergruppen geläufige Kunstform, die auch aus anderen Akademiestädten bekannt ist, Abb. 15) und schrieb dazu: „Von der zahlreichen Kolonie polnischer Künstler, die wir in München beherbergen, haben sich einige der hervorragenderen zusammengetan, um sich mit artigen Scherzen auf einer Palette zu verewigen, deren Abbild wir hier bringen. Aus der Harmonie des Ganzen kann man leicht sehen, wie diese Künstler eine gemeinsame Schule bilden, die allerdings durch das Genie J. von Brandts ihren Charakter aufgeprägt erhalten hat, der die Einzelnen mehr oder weniger beeinflusste.“[15]
In der Zeitspanne zwischen 1890 und 1914 rückten neue Kunstrichtungen, der vom französischen Impressionismus beeinflusste Sezessionsstil und die von England und Schottland ausgehende Kunstgewerbebewegung, in den Vordergrund. München wurde mit Gründung der Zeitschrift Jugend 1896 zu einem der Zentren des deutschen Jugendstils. Polnische Künstlerinnen und Künstler nahmen an den Ausstellungen der 1892 gegründeten Münchener Secession teil wie Stanisław Grocholski, Wacław Szymanowski und Olga Boznańska (1865-1940, Abb. 16). Andere arbeiteten als Illustratoren für die Jugend wie Otolia Gräfin Kraszewska (1859-1945, Abb. 17, 18), Edward Okuń und Feliks Wygrzywalski. Unter den Privatakademien wurde die 1891 gegründete Schule des slovenischen Genre- und Porträtmalers Anton Ažbe populär, an der rund dreißig Polen und 1896/97 auch die später berühmten russischen Maler Alexej von Jawlensky und Wassily Kandinsky studierten. 1897 erschien noch einmal ein Gemeinschaftswerk der polnischen Künstler in München, die Jednodniówka Monachijska, die „Münchner Sonderausgabe“, eine einmalige Kunstzeitschrift im Stil der Jugend mit Vignetten, Illustrationen und Gemälde-Abbildungen sowie Gedichten und Prosatexten auswärtiger polnischer Autoren.[16]
Zwischen 1890 und 1914 immatrikulierten sich 125 polnische Studenten an der Münchner Akademie, darunter 45 nach 1900. Insgesamt nahmen zwischen 1824 und 1914 322 polnische Studenten dort ein offizielles Kunststudium auf. Zählt man alle in München dokumentierten polnischen Künstler, so gingen in diesem Zeitraum rund siebenhundert polnische Maler, Bildhauer und Architekten durch den Münchner Künstlerkreis.[17] Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 verloren die jungen polnischen Künstler das Interesse an einem Studium in München und orientierten sich nach Paris.
Axel Feuß, Dezember 2015
[13] Ste̜pień 2003, Seite 191
[14] „Die Polenkolonie: Brandt, Gierymski, Chelminski, Kowalski, Kozakiewicz“, Rosenberg 1887, Seite 47
[15] Die Kunst für alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, Bd. 3, München 1887/88, Seite 62, Bild nach Seite 60 (http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/digilit.html). Ähnlich Friedrich Pecht 1888, S. 420: „So bildeten bald die sich von allen übrigen Künstlern gründlich unterscheidenden, dafür aber bestimmte gemeinsame, mit dem Nationalcharakter eng zusammenhängende Züge offenbarenden Polen eine ganz besondere Abteilung. Dieselben sind in München allmählich immer häufiger aufgetreten, bis sie sich zuletzt zu einer förmlichen Schule gestalteten.“
[16] Vertreten waren 25 polnische Maler aus München, darunter Olga Boznańska, Józef Brandt, Władysław Czachórski, Aleksander Gierymski, Stanisław Grocholski, Otolia Kraszewska, Władysław Wankie, Alfred Wierusz-Kowalski, Feliks Wygrzywalski. - Reprint der Jednodniówka in der Publikation: Eintagszeitung. Neuausgabe, herausgegeben von Zbigniew Fałtynowicz / Eliza Ptaszyńska, Muzeum Okręgowe w Suwałkach, Suwałki 2008, zugleich Katalog der Ausstellung „Signatur - anders geschrieben. Anwesenheit polnischer Künstler im Lichte von Archivalien“, Polnisches Kulturzentrum, München 2008.
Adolf Rosenberg: Die Münchener Malerschule in ihrer Entwicklung seit 1871, Leipzig 1887, Seite 46-48
Friedrich Pecht: Geschichte der Münchener Kunst im neunzehnten Jahrhundert, München 1888, S. 420-424 („Die Polen, Magyaren und sonstigen Ausländer“), http://goobipr2.uni-weimar.de
Münchner Maler im 19./20. Jahrhundert in sechs Bänden, bearbeitet von Horst Ludwig, München 1981-1994
Halina Ste̜pień: Artyści polscy w środowisku monachijskim. W latach 1828-1855 (Studia z historii sztuki / Instytut Sztuki, Polska Akademia Nauk, 44), Breslau/Wrocław 1990
Halina Ste̜pień / Maria Liczbińska: Artyści polscy w środowisku monachijskim. W latach 1828-1914. Materiały źródłowe (Studia z historii sztuki / Instytut Sztuki, Polska Akademia Nauk, 47), Warschau 1994
Halina Ste̜pień: Artyści polscy w środowisku monachijskim. W latach 1856-1914 (Studia z historii sztuki / Instytut Sztuki, Polska Akademia Nauk, 50), Warschau 2003
Halina Stępień : Die polnische Künstlerenklave in München (1828-1914), in: zeitenblicke 5 (2006), Nr. 2, http://www.zeitenblicke.de/2006/2/Stepien/index_html
Dariusz Konstantynów: Polnische Künstler in München, in: Tür an Tür. Polen-Deutschland. 1000 Jahre Kunst und Geschichte, herausgegeben von Małgorzata Omilanowska, Ausstellungs-Katalog Berliner Festspiele, Berlin, Köln 2011
Eliza Ptaszyńska (Hrsg.): Ateny nad Izarą. Malarstwo monachijskie. Studia i szkice, Suwałki 2012