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Karol Broniatowski – Gouachen

Karol Broniatowski in seinem Berliner Atelier 2016.

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  • Ohne Titel, 1997 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 1997, Gouache, 140 x 170 cm
  • Ohne Titel, 1997 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 1997, Gouache, 140 x 170 cm
  • Ohne Titel, 1997 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 1997, Gouache, 140 x 170 cm
  • Ohne Titel, 1997 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 1997, Gouache, 140 x 170 cm
  • Ohne Titel, 1998 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 1998, Gouache, 170 x 140 cm
  • Ohne Titel, 1998 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 1998, Gouache, 170 x 140 cm
  • Ohne Titel, 1998 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 1998, Gouache, 170 x 140 cm
  • Ohne Titel, 1998 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 1998, Gouache, 170 x 140 cm
  • Ohne Titel, 1998 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 1998, Gouache, 140 x 170 cm
  • Ohne Titel, 1999 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 1999, Gouache, 140 x 140 cm
  • Ohne Titel, 2005 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2005, Gouache, 170 x 140 cm
  • Ohne Titel, 2008 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2008, Gouache, 170 x 140 cm
  • Ohne Titel, 2008 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2008, Gouache, 170 x 140 cm
  • Ohne Titel, 2008 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2008, Gouache, 170 x 140 cm
  • Ohne Titel, 2008 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2008, Gouache, 170 x 140 cm
  • Ohne Titel, 2009 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2009, Gouache, 140 x 170 cm
  • Ohne Titel, 2009 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2009, Gouache, 140 x 170 cm
  • Ohne Titel, 2009 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2009, Gouache, 140 x 170 cm
  • Ohne Titel, 2009 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2009, Gouache, 140 x 170 cm
  • Ohne Titel, 2009 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2009, Gouache, 140 x 170 cm
  • Ohne Titel, 2009 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2009, Gouache, 170 x 140 cm
  • Ohne Titel, 2009 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2009, Gouache, 170 x 140 cm
  • Ohne Titel, 2011 -  Karol Broniatowski, Ohne Titel, 2011, Gouache, 170 x 140 cm
  • Karol Broniatowski, 2016 - Karol Broniatowski in seinem Berliner Atelier, 2016.
Karol Broniatowski in seinem Berliner Atelier 2016.
Karol Broniatowski in seinem Berliner Atelier 2016.

Doch viel mehr aussagekräftig ist in dieser Hinsicht ein anderes Werk. Das Furchtgefühl, das mit dem Bewusstsein der Unumkehrbarkeit des Schicksals verbunden ist, kommt im Mahnmal am Bahnhof Grunewald[2] zum Ausdruck, und zwar durch ein unerwartetes Herangehen zur bildhauerischen Aufgabe, die auf dem Willen beruht, eine Figur zu kreieren und zugleich der ihr suggerierten Unfleischlichkeit Folge zu leisten. Unter diesen Voraussetzungen ist dem Künstler gelungen, eine verkehrte Zeitperspektive zu erreichen, und zwar durch die fotonegative Auffassung der menschlichen Gestalten. Die in der 20 Meter langen Mauer ausgehöhlten Silhouetten verschwinden wörtlich von der Fläche, verlieren ihr Gewicht  und ihre Fleischlichkeit, wie Menschen, die sobald sie sich auf der Rampe einfinden, zu ihren eigenen Schatten werden.

Die Arbeit an dem Mahnmal begleiteten Zeichnungen und Skizzen, die sich irgendwann von der Hilfsfunktion lösten und sich in eine Serie ordneten. Beinahe alle stellen mit Tusche auf großen Kartons gezeichnete menschliche Silhouetten dar, die an die in der Mauer des Mahnmals ausgehöhlten Negativ-Gestalten und im konventionellen Sinne eher an ihre Positiv-Abzüge erinnern. Deshalb kann man sie in den Kategorien der Geistes- und der Fleischlichkeitdialektik, der Erinnerung und des Vergessens, des Lebens und des Todes wahrnehmen. Mit der Zeit fing jedoch die Materie sich zu dichten, Saftigkeit und Farben anzunehmen. Neben den offensichtlich eschatologischen Fäden taucht eine historische Reflexion auf, was von dem Menschen übrigbleibt, über  Kultur und Kunst. Eine offensichtliche Anknüpfung an die antike Kultur ist die Serie der Guaschmalerei mit dem Zentaur, Symbol der Vitalität und der Zeugungskraft, die aus der Vereinigung des Menschen mit dem Tier resultiert, also aus rein biologischen Eigenschaften. Einen ähnlichen Ausdruck haben  Tierdarstellungen in paläolithischen Felsmalereien, die aus den Höhlen Westeuropas bekannt sind. In den Arbeiten von Broniatowski kommen diese subtilen Verbindungen mit der frühesten, urgeschichtlichen Schaffenstätigkeit nicht nur durch die mythologische Gestalt des Zentaur zum Ausdruck, sondern auch durch die Anwendung des rostigen Rots, das an die natürlichen Pigmente, die in Altamira, Lascaux oder Gragas verwendet wurden. Die mit diesem Rot gemalten „rudimentären“ und unscharfen Abrisse der Silhouetten sehen wie Abzüge lebendiger Körper aus, die sowohl an Negativabbildungen der Hand aus Altamira oder Gargas und an die ultramarinblauen Silhouetten in den Bildern von Yves Klein erinnern, die eine Art von modernem  Vera Icon, eine Abbildung auf der Leinwand in Bewegung registrierten realen Fleischlichkeit sind. Wir haben also mit einem Versuch zu tun, ein zufälliges Momentum zu erfassen, einen flüchtigen Fleischzustand zu notieren, der gleich einem Wandel unterliegen wird. Dieses Bewusstsein der Zeitweiligkeit kommt auch dann zur Sprache, wenn wir mit der weiblichen Koketterie zu tun haben, die den Zuschauer auf die Kategorie vanitas verweist, die in der europäischen Kunst seit tausend Jahren anwesend ist.

Die Zeichnungen und die Guaschmalereien sind also eine natürliche und unveräußerliche Ergänzung der bildhauerischen Arbeit von Karol Broniatowski. Erst dank ihnen sehen wir sein Schaffensweg – vom Debüt bis zum heutigen Tag – als eine logische und konsequente Ganzheit. Ihr wesentlichster Akzent ist nicht nur die Reflexion über die Form und die Art, wie die Figuren in der Kunst fungieren, aber vor allem die Auseinandersetzung mit der Mürbheit des menschlichen Fleisches, die aus dem Kriegstrauma resultiert, das seine Generation von ihren Eltern geerbt hat.  

 

Anda Rottenberg, November 2017

 

[2] „Mahnmal für die deportierten Juden Berlins am Bahnhof Grunewald“, 1991.