Menu toggle
Navigation

Janusz Stefański. Schlagzeugvirtuose und Mitbegründer des europäischen Jazz

Janusz Maria Stefański

Mediathek Sorted

Mediathek
Janusz Maria Stefański
Janusz Maria Stefański

Janusz Maria Stefański wurde am 14.06.1946 in Kraków (Krakau) in eine Pädagogen- und Musikerfamilie geboren. Die Mutter, Ada Stefańska (1913–2007), stammte aus einer Lehrerfamilie und engagierte sich seit ihrem 15. Lebensjahr als Pfadfinderin. Sie leitete einen Pfadfindertrupp und 1945 übernahm sie die Ortsgruppe Kraków-Podgórze. Vater Ryszard Stefański (1918–2013) gehörte dieser Organisation schon vor dem Krieg an und blieb ihr auch nach dem Krieg treu. Von 1957 bis 1959 war er Leiter der Ortsgruppe Kraków-Podgórze, während er in der Verwaltung der Sodawerke „Solvay“ (Zakłady Sodowe „Solvay“) tätig war. Janusz hatte die beiden Brüder Wiesław Maria und Ryszard Maria sowie eine Schwester Krystyna.

 

Klavier und Schlagzeug
 

Janusz Stefański nimmt seine musikalische Ausbildung mit fünf Jahren an einer fortschrittlichen Musikschule für Klavier (Eksperymentalne Studium Gry na Fortepianie) in Kraków auf. Schon damals klimpert er spontan auf allen möglichen Gegenständen herum, die ihm in die Hände fallen, und zeigt dabei außergewöhnliches Rhythmusgefühl. Mit 14 Jahren wechselt er an die Staatliche Musikmittelschule (Państwowa Średnia Szkoła Muzyczna), um Schlaginstrumente zu lernen. Anschließend besucht er das Gymnasium.

Mit 16 schenkt ihm sein Vater die ersten Trommeln, auf denen er sofort Jazzklänge erzeugt. Begeistert von diesem Stil hört er ausländische Rundfunksender, die diese Musik spielen. Seine eigentliche Ausbildung als Jazzmusiker findet in der 1965 von Alojzy Thomys gegründeten ersten Jazzklasse am Staatlichen Musikgymnasium (Państwowe Liceum Muzyczne) in Kraków statt. Sein Klassenkamerad ist der spätere Saxophonist, genialer Geiger und Komponist Zbigniew Seifert. Der Jazz beherrscht das Leben der beiden jungen Männer. Nach der Schule besuchen sie den neuen Jazzclub Helikon.

Das Abiturzeugnis von Janusz Stefański aus dem Jahr 1966 weist rund 28 Unterrichtsfächer allgemeiner, pädagogischer und musikalischer Natur aus. Im Fach Jazzensemble steht die Note „sehr gut“. Das Schlagzeug war sein Hauptinstrument. Mit ihm erhielt er die Abiturnote „sehr gut mit Auszeichnung“.

Das Studium an der Krakauer Staatlichen Musikhochschule (Państwowa Wyższa Szkoła Muzyczna) ist eine logische Folge. Es dauert zwei Jahre länger als üblich (von 1966 bis 1973), da Janusz Stefański in dieser Zeit bereits sehr aktiv in der Musikszene ist.

 

Vielseitig und avantgardistisch
 

Stefański tritt schon als Gymnasiast in der „Ewa Demarczyk Band“ auf der Krakauer Kabarettbühne Piwnica pod Baranami auf und begleitet die Chansonnette auch bei Konzerten in Frankreich. Zudem entwickelt er eine Zusammenarbeit mit dem Ensemble der modernen Musik MW-2 von Adam Kaczyński, in dem er unter anderem Werke von Bogusław Schäffer und John Cage zur Aufführung bringt. Die Komponistin Krystyna Moszumańska-Nazar schreibt für Stefański die Stücke „Interpretacje“ (Interpretationen) und „Etiudy koncertowe“ (Konzertetüden), zwei Solowerke für Perkussion. Der Musiker trägt sie auf renommierten Musikfestivals vor, etwa anlässlich des „Warszawska Jesień 68“ (Warschauer Herbst 68) und des „Festiwal Muzyki Współczesnej“ (Festival Moderner Musik) in Wrocław (Breslau). Mit den „Etiudy na perkusję solo“ (Etüden für Perkussion) von Krystyna Moszumanska-Nazar gab Stefański am 19. November 1972 in der Krakauer Philharmonie das Abschlusskonzert seines Studiums.

Als geschätzter Interpret moderner Musik nimmt er 1968 und 1969, also noch als Student, zusammen mit dem „Zbigniew Seifert Quartet“ (Jan Jarczyk, Jan Gonciarczyk) am Festival „Jazz nad Odrą“ (Jazz an der Oder) teil, bei dem die Formation den ersten Preis als Band und Stefański den ersten Solisten-Preis erhält. Dies wiederholt sich 1969 beim Festival im ungarischen Nagykörös. Das Seifert-Quartett ist die Visitenkarte der avantgardistischen Krakauer Jazzschule. Hier ist man auch bald der Meinung, dass die Band die Tonalität des polnischen Jazz verändert. In einem Interview im polnischen Magazin „Perkusista“ (Der Schlagzeuger) erinnert sich Janusz Stefański an sein damaliges Spiel mit der Combo wie folgt:

„Meine erste Bandstation war das Quartett von Zbyszek Seifert, mit dem wir untypische Jazzstandards spielten. Wir sprengten die Formen, brachen das Timing und bauten sie komplett auf unsere Art und Weise wieder auf. Dabei phrasierten wir sehr intuitiv. Es klang alles nicht so klar wie bei den amerikanischen Musikern. Erst später wussten wir, wie wir sie richtig zu interpretieren hatten. Mich hatte immer schon die Spielweise von Elvin Jones fasziniert und sie tut es bis heute. Um der Ästhetik seines Umgangs mit den Drums näher zu kommen, studierte und analysierte ich sein Spiel. Ich liebe es, mich durch den Taktstrich zu drängen, um zu synkopieren, und Lawinen dunkler Töne auszurollen, um Spannungsbögen zu erzeugen. Solche musikalischen Aktionen sind nur zusammen mit reifen, mutigen und starken Musikern, die gefühlsgeladen und beseelt sind, möglich.”

Im Zuge der Teilnahme am Warschauer Jazz-Festival „Jazz Jamboree 67“ beginnt Stefańskis langjährige Zusammenarbeit mit dem Jazzstudio des Polnischen Rundfunks (Studio Jazzowe Polskiego Radia) unter der Leitung von Jan Ptaszyn Wróblewski. Stefański beschränkt sich damals allerdings nicht auf Jazz. In diese Zeit fallen auch seine Aufnahmen mit Marek Grechuta und Czesław Niemen.

 

Von Tomasz Stanko Quintet bis Hans Koller Free Sound
 

Als Tomasz Stańko 1968 sein berühmtes „Tomasz Stańko Quintet“ gründet, gibt es keine Zweifel daran, dass Stefański das Schlagzeug besetzen muss. Der Band gehören neben Tomasz Stańko (Trompete) Zbigniew Seifert (Altsaxophon und Geige), Janusz Muniak (Tenorsaxophon), Bronisław Suchanek und Janusz Stefański (Schlagzeug) an. Die Formation repräsentiert den polnischen Jazz auf den größten europäischen Jazzfestivals und erlangt dadurch große Popularität.

Stefański erklomm den Gipfel seiner musikalischen Karriere in Polen früh. In der Umfrage der Fachzeitschrift „Jazz Forum“ belegte er 1970 in der Kategorie „Schlagzeug“ den ersten Platz. 1971 wurde er von den Musikkritikern zum „Musiker des Jahres“ gewählt. Das „Tomasz Stańko Quintet“ hatte in dieser Besetzung bis 1973 Bestand, wobei bezeichnend ist, dass es sich bei seinen Mitgliedern um Freunde handelte, die ihr ganzes späteres Leben nicht nur auf der Bühne zusammenkommen werden.

Nach der Auflösung des Stańko-Quintetts wurden Janusz Stefański und Zbigniew Seifert in die Band von Hans Koller, des bekanntesten österreichischen Saxophonisten, integriert. In dieser Zeit ist Stefański in mehreren Formationen zu hören, und zwar in der Gruppe „Hans Koller Free Sound“, in der „Radio Jazz Group Stuttgart“, in der er mit Wolfgang Dauner (Piano), Albrecht Mangelsdorff (Trompete) und Charlie Mariano (Altsaxophon) spielt, neben Sławomir Kulpowicz (Piano) und Paweł Jarzębski (Kontrabass) im „Zbigniew Namysłowski Quartet“ sowie neben Michel Herr (Piano) und Hans Hartmann (Kontrabass) im Quartett „Zbigniew Seifert Variospheres“.

1979 betrauert Stefański den frühen Tod seines besten Freundes Zbigniew Seifert. Als Seiferts Witwe Agnieszka die Urne mit den sterblichen Überresten ihres Mannes aus den USA überführt, holt Janusz Stefański sie vom Warschauer Flughafen ab und nimmt sie in seiner Wohnung auf.

 

Amerikanische Jazz-Schule
 

Die großartige Musikkarriere von Janusz Stefański verhalf ihm noch während des Studiums zu einem Sprung auf die internationalen Bühnen, so dass er in der ersten Hälfte der 70er Jahre die meiste Zeit im Ausland verbringt. Die dabei verdienten Gagen investiert der Musiker in seine weitere Ausbildung. 1975 erfüllt er sich einen Traum und nimmt an einem Sommerkursus am Berklee College of Music in Boston teil, der berühmtesten Jazzhochschule der Welt. Um das erforderliche Visum zu erlangen, hilft Stefański eine freundliche Empfehlung des damaligen Rektors der Krakauer Musikakademie, Prof. Krzysztof Penderecki. Janusz Stefański erhält ein bescheidenes Stipendium, muss jedoch den Löwenanteil der Kosten aus eigener Tasche bestreiten. Stefański ist der erste Pole, der diesen legendären Ort für Jazzer besucht. Der Leiter des Colleges erkennt sein Talent und seine Brillanz und lädt den polnischen Studenten häufig zu Unterredungen ein. Man unterhält sich über Musik, aber auch über Europa und Polen, das für den Amerikaner ein fernes, unbekanntes Land ist. In den USA holt Janusz das Heimweh nach Europa ein, nach seinen Lieben und vor allem nach seiner Freundin und späteren Frau Ewa Kuncewicz, die damals an der Posener Kunsthochschule Malerei studiert. Er komponiert seinen „Song for Ewa“, das ihn sein Leben lang bei Konzerten und auch Plattenaufnahmen begleiten wird.

 

„The Quartet“
 

Nachdem Ewa ihr Studium beendet hat, zieht das Paar nach Warszawa (Warschau) und heiratet 1977. 1978 kommt ihre erste Tochter Agata zur Welt. Im selben Jahr entsteht die Formation „The Quartet“ (Tomasz Szukalski, Sławomir Kulpowicz, Paweł Jarzębski, Janusz Stefański), die Erfolge in Polen und im europäischen Ausland feiert, wobei sie beim größten europäischen Jazz-Event, dem „Nord Sea Jazz Festival“ in Den Haag, in Erscheinung tritt. 1980 gibt „The Quartet“ ein Konzert im bekannten Jazzclub Village Vanguard in New York, wobei der Eigentümer des Clubs danach mit einem Vertrag in der Hand in der Garderobe steht. Die jungen Musiker entschließen sich jedoch gegen den Abschied aus Polen und die Ansiedlung in der Welthauptstadt des Jazz. Sie alle sind starke Persönlichkeiten und haben bald darauf mit Meinungsverschiedenheiten zu kämpfen. „The Quartet“ verkleinert seine Besetzung zunächst auf ein Trio, fällt später dann aber doch auseinander.

Janusz Stefański fliegt daraufhin nach San Francisco, um an Bord eines norwegischen Passagierschiffs zu gehen, auf dem er nachts in der Bar spielen wird. Die fünf Monate auf dem Pazifik sind für die junge Familie eine schwierige Zeit, da es ihm nur zwei Mal gelingt, mit Ewa zu telefonieren und die Briefe nach Polen sind sehr lange unterwegs.

 

Das Kriegsrecht und der Entschluss, abzuwarten
 

1981 kehrt Stefański voller Tatendrang nach Polen zurück. Er unterschreibt einen Dreijahresvertrag mit dem international bekannten „Vienna Art Orchestra“ und begibt sich auf eine Europatournee. Im Herbst 1981 macht das Orchester viele Aufnahmen in Deutschland. In Polen ist das die Zeit der Solidarność und einer leichten politischen Liberalisierung. Der Musiker erhält zum ersten Mal gemeinsam mit Ehefrau Ewa und Tochter Agata einen Reisepass. Ewa nutzt diese Gelegenheit, um deutsche Museen und Galerien kennenzulernen, während zugleich eine weitere längere Trennung vermieden wird. Die Familie kommt in Frankfurt zur Untermiete unter und alles entwickelt sich nach Plan. Janusz tritt oft mit dem avantgardistischen „Vienna Art Orchestra“ auf und wirkt an Plattenaufnahmen mit. Die kleine Agata besucht einen deutschen Kindergarten, um Deutsch zu lernen, während Ewa Museen besucht. So lief es jedenfalls, bis der 13. Dezember 1981 kam. In der berüchtigten Nacht spielt Janusz Stefański im berühmten Jazz Keller in Frankfurt. Hier erreicht ihn die Nachricht, dass in Polen das Kriegsrecht verhängt worden ist. Damit wurde sein Leben auf den Kopf gestellt.

Janusz und Ewa beschließen, die ungewisse Lage in Deutschland abzuwarten, lehnen aber die Beantragung politischen Asyls kategorisch ab. Sie haben ihre nächsten Verwandten in Polen und wollen sie unbehelligt besuchen können. Außerdem hat Janusz vor, als Musiker nach Polen zu fahren. Trotz alledem aber wird er auf die nächste Reise in seine Heimat rund zwölf Jahre warten müssen und sich erst 1993 zu den Jubiläumskonzerten des Jazzmusikers Zbigniew Namysłowski wieder dorthin begeben.

 

Schwierige Anfänge in Frankfurt
 

Als das Paar am 13.12.1981 beschließt, in Deutschland zu bleiben, hofft es, dass die Glückssträhne von Janusz weiterhin anhalten wird, zumal der Musiker dort seit Jahren Anerkennung genießt. Unterdessen stellt sich jedoch schnell heraus, dass seine Situation als Gast in Frankfurt eine andere war, als nun als Bürger der Stadt. Jedenfalls sahen viele seiner deutschen Kollegen zunächst nur den großen Konkurrenten in ihm. Der Vertrag mit dem „Vienna Art Orchestra“ ist seine einzige Rettung, da ihm nur selten, und zwar nicht einmal in Frankfurt, andere Spielmöglichkeiten angeboten werden. In seiner Verzweiflung scheut er auch nicht vor Gelegenheitsjobs zurück. Die junge Familie nimmt ihr Leben bei null wieder auf, nur mit dem Schlagzeug im Besitz, das sie im Tournee-Gepäck hatte. Viele Jahre später wird Janusz bei einem Empfang der Deutsch-Polnischen Gesellschaft im obersten Geschoss des Hochhauses der Dresdner-Bank in Frankfurt den verwunderten Gästen eine Anekdote erzählen, wie er Anfang der 80er Jahre zeitweilig an der Errichtung der markanten Bürotürme der Bank mitgewirkt habe. Es hatte schon gedämmert, als er Baustoffe mit dem Aufzug nach oben transportierte und der Lift plötzlich stehen blieb, weil Feierabend war. Glücklicherweise aber erinnerte man sich dann nach langen Minuten daran, dass da noch jemand in dem Fahrstuhl an der Hausfassade war ...

Vor diesem Hintergrund stellte sich schließlich heraus, dass die Familie auch in Frankfurt keine Bleibe mehr haben würde. Das auf vier Monate eingegangene Mietverhältnis lief aus. Die Suche nach einer neuen Wohnung blieb ohne Erfolg, bis aus heiterem Himmel ein befreundeter Unternehmer mit der Seele eines Künstlers auftauchte, der in einer Villa in Königstein eine Atelierwohnung hatte. Die Familie Stefański zieht dort ein und bleibt dem zauberhaften Städtchen im Taunus 22 Jahre lang verbunden.

 

„Polski Jazz Ensemble“
 

Anfang der 80er Jahre erhielt die Solidarność-Bewegung starke Unterstützung aus dem Ausland. Aus Deutschland rollt eine Welle humanitärer Hilfe auf Polen zu. Die Menschen schickten massenweise Pakete, während die Deutsche Bundespost auf das Geld für den Transport verzichtete. Diese Ereignisse sind fast für jeden Deutschen, den Janusz damals trifft, das alles beherrschende Thema. In dieser Zeit wird unter polnischen Musikern die Idee geboren, die Formation „Polski Jazz Ensemble“ zu gründen und einen Teil ihrer Konzertgagen für die Solidarność-Hilfe zu spenden. Neben Janusz Stefański gehören dieser Gruppe Leszek Żądło, Władysław Sendecki und Bronisław Suchanek an. Sie spielen ihre eigenen Kompositionen, während sich ihr Terminkalender füllt. „Polski Jazz Ensemble“ tritt unter anderem 1982 beim „Jazz Festival“ in Tel Aviv, 1983 beim „Jazz Festival“ in Wien, 1984 beim „2. Erlanger Jazz-Weekend“ sowie 1985 beim renommierten „Nord Sea Jazz Festival“ in Den Haag in Holland auf. Ihre Aufnahmen werden von vielen Radiosendern gespielt. Die Band geht auf Tour durch die Bundesrepublik Deutschland, Österreich, die Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Israel. Sie nimmt auch eine Platte auf. Außerdem wurde sie gebeten, den Soundtrack für den von der OKO Film-Produktion gedrehten Film „Kaltes Fieber“ zu liefern. 1986 entsteht die Platte „Jazz & Lyrik aus Polen“. Die Gedichte polnischer Autoren in der Übersetzung von Karl Dedecius spricht der deutsche Schauspieler Gert Westphal. Diese LP wir von dem bekannten Musikjournalisten Joachim Ernst Berendt produziert.

 

Musikinstitut und Galerie in Königstein
 

Einen festen Grundstock des Etats der Familie Stefański bildet auch der Schlagzeug-Unterricht, wofür das in der Schul- und Studienzeit in Krakau erworbene pädagogische Wissen und die vielen Workshop-Erfahrungen nützlich sind. Stefański arbeitet gern Lehrer. In diesem Zusammenhang entsteht 1987 gewissermaßen spontan seine Einrichtung unter dem Namen „Musik-Institut und Galerie“. Der Unternehmerfreund vermietet Janusz eine weitere Etage der Villa in der Limburgerstr. 22 in Königstein. Das Institut wird bis 1996 junge Schlagzeuger und Pianisten ausbilden sowie Jazzkonzerte und Kunstausstellungen veranstalten. Es wird zu einem wichtigen Ort des kulturellen Lebens des vermögenden, elitären Städtchens Königstein. In Stefańskis Galerie geben Künstler wie Tomasz Stańko Konzerte und es treten Gründer eines Berliner Kabaretts und Chansonsänger auf. Als der Hauseigentümer in den Räumen einen Weinhandel einrichten will, sucht Janusz keinen neuen Standort, sondern setzt seine Tätigkeit aus. 1987 vergrößert sich die Familie Stefański. Die zweite Tochter Julia kommt zur Welt.

Stefański ist für sein Engagement für polnische Themen bekannt. 1987 zählt er zu den Gründern eines rührigen, vitalen Frankfurter Vereins unter dem Namen „Das Ost-Westeuropäische Kulturzentrum ‚Palais Jalta‘“, der rasch Kultstatus erreicht. Dieser Hort freiheitlichen Denkens wird zum Anziehungspunkt für Vortragende aus Polen und anderen Ländern Europas sowie für Frankfurter Intellektuelle.

 

Europäischer Jazz
 

Bei alledem verliert Janusz Stefański nie aus den Augen, was für ihn am Wichtigsten ist: sein Leben als Musiker. Er ist eine der tragenden Säulen des europäischen Jazz und gibt Konzerte mit Heinz Sauer, Christof Lauer, Emil Mangelsdorff, Charlie Mariano, Karl Berger, Ken Werner, Carla Blay, Steve Svallow, Frank Tusa, Rick Rosie, David Friedman, Rashied Ali, Biob Degen, Woody Shaw, Jack Walwarth, Carlos Ward, Miroslav Vitous, John Tschicai und David Liebman.

Außerdem tritt Janusz Stefański als Bandleader auf. 1989 gründet er das „Janusz Stefański Trio“ (Vladislav Sendecki, Vitold Rek, Janusz Stefański) und das „Janusz Stefański Quartet“ (Christof Lauer, Vladislav Sendecki, Thomas Stabenow, Janusz Stefański). 1990 entsteht das „Stefański Project“ (Vladislav Sendecki, Tomasz Stanko, Christof Lauer, Miroslaw Vitous), 1993 das „Karolak-Szukalski-Stefański Trio“. Um das Jahr 2000 entsteht das Ensemble „Janusz Stefański JazzArt“.

Gleichzeitig spielt er in Formationen seiner Musikerkollegen John Tchicai, Heinz Sauer, Jürgen Wuchner und Leszek Żądło sowie ab 1992 im „Emil Mangelsdorff Quartett“. Seit dem Ende der 90er Jahre tritt die Formation jeden ersten im Monat im Holzhausen-Schlösschen auf, einer Kultureinrichtung, die im für Frankfurt typischen Vereins- bzw. Stiftungsgeiste wirkt. Im Laufe der Zeit stößt mit Vitold Rek ein weiterer polnischer Musiker zu diesem Quartett.

2009 tritt Janusz Stefański mit der „Polish Jazz Group“ auf, einer Formation, der überwiegend polnische Musiker angehören, die seit Jahren im Ausland leben. Sie besteht aus Jan Jarczyk aus Kanada, Andrzej Olejniczak aus Spanien, Dariusz Oleszkiewicz aus den USA und Zbigniew Wegehaupt aus Polen. 2009 und 2010 tourt die „Polish Jazz Group“ durch Polen, Frankreich, Kanada und die USA.

 

Jazzman und Professor
 

1993 stellt Janusz Stefański eine Zusammenarbeit mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz her, wird Dozent der Jazzabteilung und unterrichtet in den Fächern Schlagzeug, Jazz-Combo und Rhythmustheorie. Auf seine Tätigkeit als Lehrer legt er großen Wert, nachdem er die ersten pädagogischen Erfahrungen schon von 1966 bis 1968 an der Krakauer Staatlichen Musikschule (Państwowa Szkoła Muzyczna w Krakowie) gesammelt hatte. In den 70er Jahren stellte er sein Talent auf diesem Gebiet erneut unter Beweis, indem er als Lehrkraft an den Jazzwerkstätten in Chodzież wirkte. Von 1971 bis 1975 gehörte er zu den Mitbegründern dieser ältesten Einrichtung ihrer Art in Polen und Europa, die für ihr hohes künstlerisches Niveau und für ihre avantgardistische Atmosphäre bekannt war. Die Musiker experimentierten dort unter anderem in Fabrikhallen, die noch als solche betrieben wurden. Nach 2000 kehrt Stefański dann noch einmal als Dozent und deutscher Professor nach Chodzież zurück.

1980 dozierte Stefański auch anlässlich eines Internationalen Jazzseminar in Ungarn. 1982 leitete er den Schlagzeug-Unterricht beim Workshop in Püttlingen, 1988 in Heidelberg und von 1992 bis 1995 in Darmstadt. Von 2000 bis 2003 gehört er dem Lehrkörper der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main an. 2009 verleiht ihm die Gutenberg-Universität Mainz die Ehrenprofessur.

Die Diskografie von Janusz Stefański umfasst rund 70 Alben, wobei es kaum einen nennenswerten Jazz-Interpreten in Europa geben wird, mit dem Stefański nicht gespielt hätte. Er trat bei rund 150 namhaften Jazzfestivals auf und erhielt in Anerkennung seiner musikalischen Leistungen 2003 den angesehenen „Hessischen Jazzpreis“.

 

Bandleader, Veranstalter und Juror
 

Stefański zeigte sich auch als hervorragender Förderer des Jazz. So organisierte er im Mai 2005 in der Alten Oper in Frankfurt die „German-Polish Jazz Jamboree“. Ihm ist die künstlerische Gestaltung dieses musikalischen Meetings zu verdanken, zu dem er 30 deutsche und polnische Musiker zusammengebracht hat. Neben den Konzerten gab es eine von dem Jazzjournalisten Werner Wunderlich moderierte Podiumsdiskussion mit den Jazzmusikern, die 1956 bei einem Jazzfestival in Sopot zum ersten Mal zusammengekommen waren.

Janusz Stefański lag sehr daran, seines engen Freundes Zbigniew Seifert (1946–1979) zu gedenken. In diesem Sinne wurde er 2010 Mitbegründer der Zbigniew-Seifert-Stiftung und 2014 Jurymitglied des Internationalen Zbigniew Seifert Jazz Violinwettbewerbs, der alle zwei Jahre durchgeführt wird.

Die letzten Lebensjahre von Janusz Maria Stefański waren von seinem Kampf gegen den Lungenkrebs geprägt, wobei er bis zum Schluss nicht davon abließ, aufzutreten. Er starb am 04.11.2016 in einem Frankfurter Krankenhaus, eine Woche nach dem Ende einer Tour mit fünf Konzerten, die er mit Emil Mangelsdorff gab. Nachrufe auf seinen Tod erschienen in den wichtigsten Frankfurter Zeitungen, in europäischen Musikmagazinen und in landesweiten Medien in Polen.

Janusz Stefański gab als Pädagoge seine Fähigkeiten und sein Wissen weiter, wobei er dadurch in engem Kontakt mit den immer jüngeren Musikergenerationen blieb. Er war die Seele jeder Gesellschaft, hatte viel Sinn für Humor und stets eine von hunderten Anekdoten von seinen manchmal sehr turbulenten Konzertreisen in Europa und Amerika parat, die leider nicht aufgezeichnet worden sind. Er war ein Mann in gut geschneiderten, eher sportlichen Sakkos, mit einem schnuckeligen, kleinen Hut, der oft rote Sportschuhe und auffällige Silberringe trug. Ein Mann, der, wenn er sprach, amerikanisch klingende Wendungen benutzte. Eine Persönlichkeit, die so oder so nicht zu übersehen war. Ein Drummer mit einem energischen, starken Schlag sowie einer eigenen, unverwechselbaren Haltung zu seinem Instrument sowie im Kreis seiner Freunde und der Familie auch ein leidenschaftlicher Pianist. In seiner Galerie in Königstein und später anlässlich der Ausstellungen seiner Frau Ewa hat Janusz Stefański auch einstündige, unvergessene Konzerte als Solo-Schlagzeuger gegeben.

1981 wollte Janusz Maria Stefański in Frankfurt nur die turbulenten politischen Zeiten aussitzen und hat doch ebendort Wurzeln geschlagen. Zum Glück und nur rein zufällig vertrieb ihn das Schicksal nach Frankfurt ins Exil, in die amerikanischste aller deutschen Städte und an einen bedeutenden Ort des Jazz in Deutschland, den er 35 Jahre lang mitgestaltet hat. Die Urne mit den sterblichen Überresten des Musikers Janusz Maria Stefański wurde im Familiengrab auf dem Friedhof im Krakauer Stadtteil Łagiewniki-Borek Fałęcki beigesetz.

 

Joanna de Vincenz, November 2018