Geschichten aus dem Berg. Schicksale polnischer Zwangsarbeitender an der Porta Westfalica 1944/45
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Anfangs ohne jegliche Hilfe von Maschinen, dafür nur mit Hacke, Schaufel und Schubkarren ausgerüstet, mussten die Zwangsarbeitenden das zuvor ausgesprengte Gestein aus dem Stollen entfernen.[34] Die Arbeit wurde in zwei 12-Stunden-Schichten betrieben und zehrte an der Gesundheit der KZ-Häftlinge. Die hinzukommende mangelhafte Ernährung tat ihr Übriges und die Zwangsarbeitenden schufteten sich bis zur völligen körperlichen Erschöpfung. Insgesamt rund 60.000 Kubikmeter Gestein wurde auf diese Weise durch die KZ-Häftlinge in der ersten Phase der Zwangsarbeit an der Porta aus dem Jakobsberg entfernt.[35]
Doch auch in der zweiten Phase der Zwangsarbeit unter der Erdoberfläche kann kaum von deutlich besseren Arbeitsbedingungen die Rede sein. Zwar wurden mit den Verlagerungen bestimmter Rüstungsproduktionszweige auch zunehmend Fachkräfte benötigt, jedoch wurden die Zwangsarbeitenden stets für besonders schwere Arbeiten eingesetzt. So beschreibt Wiesław Kielar, der einem Arbeitskommando von Elektrikern für Philips angehörte, die Arbeit, welche die Gruppe in der Verlagerung Stöhr I im oberen Stollensystem des Jakobsberges verrichten musste, folgendermaßen:
„Wir gingen in den Korridor des Stollens. Hier wurden wir nach der Abzahlung der Arbeit zugeteilt. Mit einem Fahrstuhl, der sämtliche Stöcke der Fabrik bediente, fuhren wir in den vierten Stock zur Abteilung für Anfertigung von Radiolampen, wo wir schwere, mehrere Tonnen wiegende Maschinen aufstellen mußten, die wir gestern mit großer Anstrengung von dem entfernten Güterbahnhof hertransportiert hatten.“[36]
Obwohl der Fahrstuhlführer dazu verpflichtet war, die Zwangsarbeitenden zu ihren Einsatzorten mit dem Fahrstuhl zu transportieren, wird in den Zeitzeugenberichten mehrmals erwähnt, dass dieser die Fahrten für die Zwangsarbeitenden durch Beschleunigung und plötzliches Bremsen besonders gefährlich gestaltete, sodass es oftmals vorkam, dass Personen hinunterfielen und den Weg hinaufklettern mussten.[37]
Für die weiblichen KZ-Häftlinge, die überwiegend niederländische und ungarische Jüdinnen waren, ist bekannt, dass sie in der U-Verlagerung Stöhr I im oberen Stollensystem des Jakobsberges arbeiten und vorwiegend Radioröhren für die Firma Philips herstellen mussten. Zwar litten sie im Vergleich zu ihren männlichen Mithäftlingen weniger unter der schweren körperlichen Arbeit, jedoch vielmehr unter der gewalttätigen Behandlung durch die SS-Wachmannschaft sowie der ebenfalls mangelhaften Ernährung, die auch sie ihrer Kräfte beraubte.[38]
Grundsätzlich hatten alle vom Zwangseinsatz an der Porta betroffenen Personen gemeinsam, dass sie unter harten Arbeits- und Lebensbedingungen leiden mussten. Wiesław Kielar beschreibt die damalige Situation für die Zwangsarbeitenden sehr treffend:
„Der Mangel an Nahrung und das ständige Frieren während der Arbeit, die über die Kräfte ging und bei Frost, im Schnee oder Regen geleistet werden mußte, verursachten einen langsamen, doch ständigen Kräfteverfall.“[39]
Mangelnde Ernährung, Gewalt durch die Wachmannschaft und die harten Witterungsbedingungen hatten schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit der Zwangsarbeitenden. Bis heute ist die Anzahl der Todesopfer der Zwangsarbeitenden aufgrund kurz- oder langfristiger Auswirkungen des Einsatzes an der Porta unbekannt.
[34] Vgl. Blanke-Bohne, Reinhold, S. 81 ff.
[35] Vgl. Combined Intelligence Objectives Subcommittee (CIOS): Report XXXIII. 38 Underground Factories in Germany, S. 60.
[36] Kielar, Wiesław, S. 376.
[37] Vgl. ebd., S. 379.; vgl. Stróżyk, Wojciech, S. 19.
[38] Vgl. Schulte, Jan Erik, S. 144 ff.
[39] Kielar, Wiesław, S. 381.