Der Bund der Polen in Deutschland
Mediathek Sorted
Ein Großteil der Aktivitäten des Bundes bezog sich auf Bildungsfragen. Im Jahr 1923 wurde die Vereinigung der polnischen Schulvereine gegründet, die für das Recht kämpfte, nationale Schulen zu betreiben. Das Ergebnis dieser Bemühungen war ein Erlass des preußischen Ministerrats aus dem Jahr 1928, der die Angelegenheiten des polnischen Schulwesens regelte. Er erlaubte unter anderem die Einrichtung von Privatschulen in Deutschland. Dies war keine optimale Lösung, aber sie konnte positiv genutzt werden. In den Gebieten mit polnischer muttersprachlicher Bevölkerung, insbesondere in Schlesien, Ermland, Masuren und anderen, durften Schulen eingerichtet werden. Die ersten privaten Grundschulen wurden im Oppelner Schlesien gegründet, später auch in anderen Regionen. Bei der Gründung neuer Schulen mussten verschiedene Probleme überwunden werden. Es gab keine geeigneten Gebäude, es fehlte an Lehrer:innen und es gab kaum Lehrbücher. Darüber hinaus sahen sich die Initiatoren solcher Einrichtungen auf Schritt und Tritt mit der widerwilligen preußischen Verwaltung, der Feindseligkeit deutscher Lehrer oder gesellschaftlicher Diskriminierung und Schikanen konfrontiert. Der Erfolg dieser Bemühungen hing vor allem von der Entschlossenheit der polnischen Eltern ab. Neben den Grundschulen wurde auch dem Sekundarbereich Aufmerksamkeit geschenkt. Im Jahr 1932 wurde in Beuthen die „Private Oberschule mit gymnasialem Charakter und polnischer Unterrichtssprache“ erfolgreich gegründet. Drei Jahre später wurde dieser Schule das Öffentlichkeitsrecht verliehen. Am 5. November 1937 wurde in Marienwerder in Ostpreußen ein zweites privates Gymnasium eröffnet.
Im Jahr 1927 beteiligte sich der ZPwN an der Gründung eines Prüfungsverbandes für polnische Unternehmen (Verband Polnischer Genossenschaften in Deutschland), der ihre Aktivitäten unterstützte.
Diese Entspannung in den Beziehungen zwischen Nazi-Deutschland und Polen war nur vorübergehend. Zwischen 1937 und 1939 verschlechterte sich die Lage der Pol:innen in Deutschland, und dies trotz der Unterzeichnung einer Erklärung über Minderheitenfragen im Jahr 1937 (nach dem Auslaufen des so genannten Oberschlesischen Abkommens von 1922). Unter diesen sich verschlechternden Bedingungen gelang es dem ZPwN, einen Polenkongress in der Hauptstadt Deutschlands, Berlin abzuhalten. Damit wurde das 15-jährige Bestehen der Vereinigung gefeiert. Der Kongress fand am Sonntag, dem 6. März 1938, statt und war eine der größten Demonstrationen von Pol:innen in Deutschland, die aus verschiedenen Regionen kamen. Eröffnet wurde die Veranstaltung vom Präsidenten des ZPwN, Pfarrer Dr. Bolesław Domański, der die Einheit der polnischen Nation betonte. Der offizielle Teil endete mit einer Ansprache des Generalsekretärs des ZPwN, Dr. Jan Kaczmarek. Er widmete seine Aufmerksamkeit der Lage der Pol:innen in Deutschland und dem Kampf für die Achtung der Rechte der polnischen Minderheit in diesem Land. Seine Rede wurde durch wiederholten Beifall unterbrochen. Zum Abschluss seiner Rede sagte er:
„Am 6. März 1938 geben wir, die Söhne der polnischen Nation, treue Söhne unter dem Rodło-Zeichen versammelt, auf dem großen Kongress der Polen in Deutschland, feierlich die fünf Wahrheiten der Polen bekannt:
Erste Wahrheit: Wir sind Polen!
Zweite Wahrheit: Der Glaube unserer Väter ist der Glaube unserer Kinder.
Dritte Wahrheit: Ein Pole ist dem anderen Polen ein Bruder!
Vierte Wahrheit: Der Pole dient jeden Tag seinem Volk!
Fünfte Wahrheit: Polen ist unsere Mutter – über die Mutter darf man nichts Schlechtes sagen!“
Diese Sätze wurden zu den „wichtigen Leitsprüchen“ (prawdy) der Pol:innen in Deutschland. In den folgenden Monaten wurden sie von allen polnischen Radiosendern und der Presse verbreitet. Im polnischen Senat sagte der Senator Witold Jeszke aus Posen am 9. März 1938:
„Der Kongress in Deutschland war ein stolzes und würdiges Fest. Auf diesem Kongress wurden die Wahrheiten der Polen feierlich verabschiedet. Von diesen Wahrheiten sollten sich nicht nur die nationalen Minderheiten leiten lassen, wo sie sich auch immer befinden, sondern sie sollten ein Beispiel für alle Polen sein…“
Der Kongress bewies die organisatorischen Fähigkeiten des ZPwN sowie die Mobilisierung und Geschlossenheit seiner Mitglieder. Er belebte die Aktivitäten der Kreise der Organisation vor Ort und zeigte die Vitalität des Nationalgefühls der deutschen Polen. Obwohl die Behörden die Vorbereitung des Kongresses indirekt behinderten und die ablehnende Haltung gegenüber den Pol:innen immer deutlicher wurde, konnte die Tatsache, dass eine so große Versammlung legal in der deutschen Hauptstadt stattfand, von den Nazis propagandistisch als Beweis für ihre angeblich liberale Innenpolitik genutzt werden. Dies hinderte sie jedoch nicht daran, die Aktivitäten weiter einzuschränken und bald auch Reichsbürger polnischer Nationalität zu unterdrücken. Die Situation eskalierte schnell. Verhaftungen, Beschlagnahmungen von Zeitungen, Ausweisungen, aber auch de facto kriminelle Übergriffe zerschlugen die polnische Bewegung.
Die Pol:innen in Deutschland gehörten zu den ersten Opfern des Zweiten Weltkriegs. Die Verhaftungen begannen bereits im August 1939 und wurden in den folgenden Monaten fortgesetzt. Einige der Inhaftierten wurden in Konzentrationslager innerhalb des Reichs überführt. Nach ein paar Wochen oder Monaten wurden einige von ihnen freigelassen, aber viele blieben jahrelang hinter Gittern. Es wird geschätzt, dass zwischen 1.200 und 2.000 Pol:innen, die aktivsten Mitglieder ihrer Gemeinden, bis Kriegsende die Konzentrationslager durchlaufen haben. Einige von ihnen sind verstorben. Sie wurden hauptsächlich in die Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück geschickt. Führende Vertreter des ZPwN, Politiker, Lehrer:innen und Industrielle wurden in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Es waren zum Beispiel: Jan Baczewski, Jan Bauer, Jan Boenigk, Maksymilian Golisz, Johann Jankowski, Jan Kocik, Aleksander Kraśkiewicz, Franciszek Sarnowski. Im zweiten Lager, Ravensbrück, wurden hauptsächlich Frauen festgehalten. Es waren zum Beispiel: Eleonora Stejakowska, Zofia Sarnowska, Anna Burda, Helena Lehr-Palaez, Zofia Hajduk und Maria Zientara-Malewska. Ab 1941 wurden auch Männer in dem Lager festgehalten. Die Zahl der Pol:innen, die zur deutschen Armee einberufen wurden und an den Fronten des Zweiten Weltkriegs starben, ist nicht bekannt.