Geschichten aus dem Berg. Schicksale polnischer Zwangsarbeitender an der Porta Westfalica 1944/45
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Henryka Zaorska und Krystyna Zaorska-Burczyk
Die Geschichte dieser beiden Frauen ist der bisher einzig bekannte Fall polnischer Zwangsarbeiterinnen an der Porta Westfalica. Nach dem Ende des Warschauer Aufstandes wurden Mutter Henryka und ihre damals 14-jährige Tochter Krystyna in einer Straßenrazzia der SS festgenommen. Bereits kurz nach Beginn des Warschauer Aufstandes wurde am 6. August 1944 am westlichen Stadtrand Warschaus ein Durchgangslager bei Pruszków eingerichtet, welches „(…) als Zwischenstation für die Deportation der Warschauer Zivilbevölkerung zur Zwangsarbeit und in die Konzentrationslager dienen sollte.“[47] Von diesem Durchgangslager aus wurden Henryka und Krystyna in das KZ Ravensbrück deportiert – genau so wie mehrere Tausend weiterer Polinnen: Etwa 12.000 Frauen und Mädchen sollen im Spätsommer und Herbst des Jahres 1944 aus dem aufständischen Warschau in das größte Frauenkonzentrationslager deportiert worden sein.[48] Zusammen mit ihrer Mutter kam Krystyna in ein Außenlager des KZ Ravensbrück nach Königsberg/Neumark, wo beide schwerste Erdarbeiten verrichten mussten. Die Gesundheit der jungen Krystyna hatte unter den harten Arbeitsbedingungen, der Kälte und der dauerhaften Unterernährung schwer gelitten, sodass sie schwer krank wurde und in der Folge von ihrer Mutter getrennt in das Hauptlager Ravensbrück zurückgeschickt wurde. Durch glückliche Wendungen und die Hilfe von Funktionshäftlingen konnten Mutter und Tochter wieder in Ravensbrück vereint werden, ehe sie beide Ende Februar 1945 mit einem Transport von ca. 300 Frauen nach Ostwestfalen zum Zwecke der Zwangsarbeit geschickt wurden.[49]
Aus dieser Gruppe wurden etwa 100 Frauen an die Porta deportiert und im Gasthof Kohlmeier bei Vennebeck im Wiehengebirge interniert – erst Krystynas Bericht darüber ermöglichte die Identifikation dieser Unterkunft für weibliche Häftlinge an der Porta.[50] Die in Vennebeck internierten Frauen konnten jedoch aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht mehr zur Zwangsarbeit eingesetzt werden. Acht dieser Frauen starben, darunter auch Krystynas Mutter Henryka, die am 26. März 1945 an völliger Entkräftung ihr Leben verlor. Ein einschneidendes Erlebnis für die junge Krystyna – auch, weil sie ihre Mutter eigenhändig beerdigt hatte.[51]
Nachdem Krystyna mit den restlichen weiblichen Häftlingen durch die US-Armee befreit wurde, durchlief sie mehrere DP-Lager, ehe sie im Herbst 1946 in ihre Heimatstadt Gdynia zurückkehrte. Ihre Kriegsgeschichte und die Erlebnisse während der Gefangenschaft verarbeitete sie, indem sie sich regelmäßig an Zeitzeugengesprächen mit Kindern und Jugendlichen beteiligte.[52]
Ob es mehr weibliche Häftlinge polnischer Herkunft an der Porta gegeben hat, kann aktuell nicht belegt werden. Dennoch kann aufgrund der hohen Anzahl von Polinnen im KZ Ravensbrück und dem vermehrten Einsatz dieser Frauen als Zwangsarbeiterinnen in verschiedenen Rüstungsproduktionen, u. a. auch in Außenlagern, zumindest davon ausgegangen werden, dass es durchaus weitere Polinnen an der Porta gegeben haben könnte.[53] Über die Anzahl kann jedoch nach aktuellem Forschungsstand keine Vermutung abgegeben werden.
[47] Strebel, Bernhard: Das KZ Ravensbrück. Geschichte eines Lagerkomplexes, S. 144.
[48] Vgl. ebd., S. 138.
[49] Vgl. KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica: Krystyna Zaorska-Burczyk, in: https://www.gedenkstaette-porta.de/?page_id=350, zuletzt abgerufen am 18.02.2020.
[50] Nach derzeitigem Forschungsstand wird davon ausgegangen, dass der Gasthof Kohlmeier kein eigenständiges Lager gewesen ist. Über die langfristigen Intentionen der Anmietung des Gasthofs gibt es keine Anhaltspunkte, da dieser schon bald nach der Internierung der weiblichen Häftlinge evakuiert wurde.
[51] Vgl. KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica: Krystyna Zaorska-Burczyk, in: https://www.gedenkstaette-porta.de/?page_id=350, zuletzt abgerufen am 18.02.2020.
[52] Vgl. ebd.
[53] Vgl. Strebel, Bernhard, S. 138 f.; vgl. Pociłowska, Zofia: Brief Nr. I (vermutlich März/April 1943), S. 67 f.