Spagat zwischen zwei Ländern: Architekt Wojtek Grabianowski
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Ans Auswandern hat Wojtek Grabianowski, der aus einer bekannten, vermögenden Posener Familie stammt, nie gedacht. Als großer Kunstliebhaber wollte er selbst etwas schaffen und entschied sich für die Architektur. Zu seiner Zeit war das Fach nicht an einer Technischen Hochschule (Politechnika), sondern an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste (Państwowa Wyższa Szkoła Sztuk Plastycznych) angesiedelt. Dort lernte er auch seine Frau als Kommilitonin kennen, die ein Diplom in Graphik machte. Das junge Ehepaar Grabianowski beschloss, sich auf seiner Hochzeitsreise den Traum zu erfüllen, die Kunstschätze Italiens und Spaniens, die sie aus der Literatur und von Fotos kannten, mit eigenen Augen zu erleben. Begeistert davon, was sie 1971, in der hohen Zeit des Kommunismus in Polen, im Westen alles zu sehen bekamen, blieben sie spontan länger als geplant. Als sie „klein wenig“ später bei der polnischen Militärmission in West-Berlin (die polnische Botschaft gab es damals noch nicht!) vorstellig wurden, um ihre Pässe zu verlängern, erfuhren sie, dass sie nach ihrer Rückkehr mit erheblichen Konsequenzen zu rechnen hätten... Verängstigt und verunsichert trafen sie daraufhin die schwierige, folgenschwere Entscheidung, nicht mehr nach Polen heimzukehren...
Damals sprach Wojtek Grabianowski noch kein Deutsch, so dass er bei seiner ersten Begegnung mit Helmut Rhode, dem Chef des schon seit 1950 existierenden Düsseldorfer Architekturbüros RKW, in Begleitung eines Dolmetschers wusste, dass er ihn nur mit seinen Zeichnungen für sich gewinnen konnte. Offenbar aber werden in der Kunst tatsächlich keine Dolmetscher gebraucht, denn er erfuhr zu seinem großen Erstaunen, dass er eben zum ersten ausländischen Mitarbeiter von „RKW Rhode Kellermann Wawrowsky“ in Düsseldorf geworden sei. Er bekam den Job und übte ihn in den ersten Monaten sogar ohne Aufenthaltsgenehmigung, ohne Arbeitserlaubnis und ohne sichere Rechtsgrundlage aus. Diese Probleme wurden jedoch schnell überwunden. Am Anfang arbeitete Wojtek Grabianowski noch als einfacher Architekt. Darüber spricht er selten, doch aus dem, was er sagt, geht hervor, dass dies nicht leicht für ihn gewesen ist.
Seine ersten beruflichen Erfahrungen hatte Wojtek Grabianowski noch in seiner Heimatstadt Posen gemacht. Im Anschluss an sein Studium war er Hochschulassistent und wirkte unter anderem am Innenausbau der Ausstellungshallen auf dem Gelände der Internationalen Messe Posen (Międzynarodowe Targi Poznańskie) mit. Außer vielen praktischen Dingen lernte er hier auch, was es heißt, beruflich Verantwortung zu übernehmen. In diesem Sinne zitiert er gern seinen ersten Mentor, Professor Stanisław Zamecznik: „Ich mache nur Ausstellungen. Die haben einen klaren Vorteil: Wenn ich ein Haus schlecht baue, steht es für den Rest meines Lebens. Aber wenn ich eine Ausstellung schlecht kuratiere, fotografiere ich sie schlimmstenfalls einfach nicht.“
Wojtek Grabianowski durchlief im Büro von RKW in Düsseldorf den gesamten Karriereweg und hatte dabei alle möglichen Hindernisse zu überwinden. Einen wichtigen Durchbruch brachten das Ende des Kommunismus und die Öffnung der Grenzen. Der Anfang wurde mit einem Projekt in der ehemaligen DDR gemacht, das im Umbau des früheren Schlachthofs in Leipzig und seiner historischen Substanz zum Sitz des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) bestand. Der Entwurf von RKW hatte damals den Ausschreibungswettbewerb gewonnen, doch den Zuschlag erhielt ein Konkurrent aus München. Gleichwohl war der erste Schritt in den Osten getan. Daran konnte auch diese Enttäuschung nichts ändern. Helmut Rhode übertrug Wojtek Grabianowski die Aufgabe, eine Niederlassung von RKW in Leipzig aufzubauen, wobei er seine Entscheidung mit der Aussage begründete: „Du stammst aus dem Osten, also verstehst du sie.“ Über diesen Satz wundert sich Wojtek Grabianowski heute noch und fragt sich: „Wie kann ich, ein gebürtiger Pole, einen Deutschen aus dem Osten besser verstehen als sein Landsmann aus dem Westen?“
Nach der Gründung der Leipziger Niederlassung bestand das erste Projekt in der Umwandlung des Leipziger Handels- und Messehauses „Specks Hof“ in ein repräsentatives Bürogebäude mit moderner Ladenpassage. Keine leichte Aufgabe, da die Anlage als Visitenkarte der Stadt galt, so dass der Investor, die Denkmalbehörde und die Menschen vor Ort ihre eigenen Vorstellungen von dem Objekt hatten. Fest steht jedoch, dass diese Herausforderung Wojtek Grabianowski zu einem exzellenten Mediator werden ließ. Dabei arbeitete er hier zum ersten Mal mit bildenden Künstlern zusammen, wodurch für RKW und für Wojtek Grabianowski charakteristische Lösungen entstanden, die in gewisser Weise zu seinem architektonischen Markenzeichen wurden. Hinzu kam, dass das Projekt 1996 auf der MIPIM, der weltgrößten Immobilienmesse in Cannes, den Immobilien-Oscar als „Best Refurbished Office Bulding“ (vorbildlich erneuertes Büro-Gebäude) erhielt. Damit war der Weg für weitere Sanierungen bedeutsamer historischer Objekte frei, zu denen unter anderem das Mannesmann- und Behrenshaus sowie das ARAG-Haus in Düsseldorf, eine Liegenschaft des Außenministeriums in der Schuch-Allee (Aleja Schucha) in Warschau (Warszawa), ein Gebäude in der Senatorska-Straße, das Kaufhaus „Smyk“ sowie Posens „Okrąglak“ (Rundbau) und das Bürohaus „Kwadraciak“ (Quadrathaus) gehörten. Doch das Architekturbüro RKW und Wojtek Grabianowski waren nicht nur auf Sanierungen spezialisiert.