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Małgosia Jankowska – Im Zauberwald der Linie

Hütte am Waldsee, Małgosia Jankowska, 2015, Aquarell, Filzstift auf Papier, 150 x 120 cm.

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  • "In Blau" - Aquarell, Filzstift auf Papier, 100 x 150 cm.
  • „In den Bergen“ - Aquarell, Filzstift auf Papier, 70 x 100 cm.
  • „Memento mori“ - Aquarell, Filzstift auf Papier, 120 x 94 cm.
  • „See im Winter“ - Aquarell, Filzstift auf Papier, 150 x 120 cm.
  • „Wanderung“ - Aquarell, Filzstift auf Papier, 70 x 100 cm.
  • „Zwei Boote“ - Aquarell, Filzstift auf Papier, 70 x 100 cm.
  • „Zwei im Wald“ - Aquarell, Filzstift auf Papier, 100 x 150 cm.
Hütte am Waldsee, Małgosia Jankowska, 2015, Aquarell, Filzstift auf Papier, 150 x 120 cm.
Hütte am Waldsee, Małgosia Jankowska, 2015, Aquarell, Filzstift auf Papier, 150 x 120 cm.

Manchmal kann ein Bild das Erlebte wie einen Schock übers weiße Papier treiben. Und manchmal nicht. Manchen Bildern genügt ein winziges Detail, eine fast unmerkliche Unterbrechung, ein Moment des Innehaltens, um das Unfassbare zu erzählen. Und andere Bilder sprechen von großen Gefühlen so laut und überdeutlich, dass sie einen mit ihrem Romantizismus erschlagen.Małgosia Jankowskas Bilder zeigen keine Vergangenheit und nichts, was auf Zukunft verweisen würde, nur jene mit Filzstift und Bleistift gezeichnete und dann aquarellierte, ein bisschen theatralisch inszenierte Waldeinsamkeit, die uns einen Moment der Aufmerksamkeit lang im Jetzt ganz gefangen nehmen soll. Aber welche Gegenwart ist das?

Folgen wir den Bildtiteln der Künstlerin („Zauberwald“, „Waldlichtung“, „Waldsee“, „Schwarzwald“), dann landen wir umgehend in der Welt der Märchen und Sagen.

Dennoch haben die hohen Tannen, hat dieses mythengesättigte Unterholz nichts Erdrückendes bei Małgosia Jankowska und auch nicht die Stickigkeit deutscher Herz-Schmerz-Geschichten. Wegen ihrer Märchenhaftigkeit beziehen ihre Werke eine Gegenposition zum faktologisch einordenbaren Gestern. Das messerscharfe Schwarz-Weiß der Zeichnung, das ein existenzialistisches Grundgefühl vermittelt, einen abstrakten Raum, ist aber auch frei von den Belastungen der politischen Gegenwart und nimmt damit den zwischen Farn und Moos versteckten Figuren etwas von der Last, die sie zu tragen haben. Es braucht solcherlei Waldesdichte und konzentrierte Distanz. Sonst wäre die Gegenwärtigkeit des Schreckens gar nicht auszuhalten. Denken wir nur an die Berge von Hackschnitzeln, die die polnischen Wälder überformen, und an die kahlen Stellen auf den Spitzen des Erzgebirges als Auswirkungen des sauren Regens. Und so gelingt den leisen, stillen und doch wuchtigen (bis zu 190 x 150 cm großen) Blättern das eigentlich Unmögliche: vom Verdrängten mittels der Natur zu erzählen – in einem Ton, der nach Adalbert Stifter klingt, weil er Frühling, Sommer, Herbst und Winter „stillend und seelenberuhigend“ besingt.

Die Linien dieser Künstlerin fließen als Energieströme in einem labyrinthisch verdichteten Erfahrungsraum. Wald ist bei ihr lineare Realität und Symbolisierung von Realem gleichermaßen. Sie folgt ihren Linien, um das Unterbewusste und ihre Projektionen mit dem unendlichen Raum des Universums zu verbinden.

Małgosia Jankowska hat Zeichnungen und farbige Blätter geschaffen, die die Schönheit der Natur mit Geduld sehen. Dass in der Idylle das Böse hockt, merkt man erst auf den zweiten Blick. Höllisch raffiniert wählt sie den Ton der Grimm’schen Märchen. Das Schlummerliedhafte und Kindliche wird verquickt mit Spukperspektiven.

Der deutsche Wald beglückt, der deutsche Wald verstört. Dort verlaufen sich Hänsel und Gretel, und vom Sich-Verlaufen zum Sich-Verlieren ist es nur ein kleiner Schritt. Allein unter Bäumen begegnen wir der eigenen Angst und manchmal den finstersten Gestalten: „Denn im Wald, da sind die Räuber“. Noch heute wird der Wald zum fremden, gefährlichen Ort und das Grauen ganz real. Aber er bietet auch Geborgenheit und Zuflucht. Fernab der Welt und Gott ganz nah haben sich die modernen Eremiten der Abkapselung verschrieben. Schon 1796 feierte der Romantiker Ludwig Tieck den Wald, feierte ihn just als Ort des Von-aller-Welt-Verlassenseins.

Etwas überspitzt ließe sich behaupten, der Wald ist, wenn nicht eine Erfindung der deutschen Romantik, dann doch die deutsche Seelenlandschaft schlechthin. Wie man hineinruft, so schallt es heraus. Manchmal sind in Malgosia Jankowskas Zeichnungen freilich nur die Stimmen der sich vor dem Bestiarium der Zivilisation Versteckenden oder das Lachen der Wichtel zu hören, die den Wald zum Spielplatz machen.

 

Christoph Tannert, März 2016

 

Biografie:
 

1978 / geboren in Sochaczew / Polen

1998 – 2003 / Studium an der Kunstakademie Warschau

2001 / Gaststudium an der Hochschule der Künste Berlin (Erasmus Stipendium)

2003 / Diplom an der Akademie der Schönen Künste in Warschau mit den Schwerpunkten Malerei und Wandmalerei

Małgosia Jankowska lebt und arbeitet in Berlin. Sie wird vertreten durch die Galerie Michael Schultz Berlin.