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IM SCHATTEN (ERZÄHL)FÄDEN SPINNEN, oder der schmale Grat zwischen dem Privaten und dem … Privaten. Über das Werk von Ewa Finn

Ewa Finn, Guru, 2020/2021, Öl auf Leinwand, 230 x 200 cm

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  • Unfertiges Bild - Ohne Titel, 220 x 180 cm
  • Hiob - Unfertiges Bild, 175 x 135 cm
  • Ausstellung in der Galerie Kungerkiez - Berlin, 2023
  • Ausstellung in der Galerie Kungerkiez - Berlin, 2023
  • Steinigung - Öl auf Leinwand, 220 x 150 cm, 2014/2015
  • Sonnenfrau  - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 22 x 17 cm, 2022
  • Zerfall - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 24 x 17 cm, 2022
  • Freundschaft - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier,  22 x 17 cm, 2021
  • Rote Augen - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 22 x 17 cm, 2020
  • Himmel über dem Krieg - Öl auf Leinwand, 200 x 240 cm, 2021
  • Albino - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 22 x 17 cm
  • Brüder  - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 24 x 17 cm, 2021
  • Haarbüschel der Mutter - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 20 x 15 cm, 2021
  • Umerziehung II - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 47 x 62 cm, 2019
  • Ohne Titel - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 24 x 17 cm, 2020
  • Werkstatt - Berlin 2024
  • Werkstatt - Berlin 2024
  • Ohne Titel - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 22 x 17 cm, 2020
  • Scheinschwangerschaft  III - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 20 x 15 cm, 2024
  • Scheinschwangerschaft II - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 20 x 15 cm, 2021
  • Scheinschwangerschaft I, 2021 - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 20 x 15 cm, 2021
  • Guru - Öl auf Leinwand, 230 x 200 cm, 2020/2021
  • Ohne Titel - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 62 x 47 cm, 2014
  • Ausstellung im K-Salon - Berlin-Kreuzberg, 2023
  • Ausstellung im K-Salon - Berlin-Kreuzberg, 2023
  • Ausstellung im K-Salon - Berlin-Kreuzberg, 2023
  • Werkstatt - Berlin 2024
  • Albino - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 24 x 17 cm, 2021
  • Geschwister - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 47 x 62 cm, 2016
  • Muttergriff - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 62 x 47 cm, 2020
  • Ohne Titel - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 62 x 47 cm, 2016
  • Kain & Abel - Öl auf Leinwand, 170 x 230 cm, 2015/2016
  • Postkarte aus Babylon - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 67 x 52 cm, 2022
  • Madonna - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 67 x 52 cm, 2018
  • Rufen - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 62 x 47 cm, 2017
  • Ball spielen - Öl auf Leinwand, 230 x 170 cm, 2014
  • Werkstatt - Berlin 2024
  • Katatonie - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier,  22 x 17 cm, 2020
  • Ohne Titel - Pinselzeichnung, Tusche auf Papier, 24 x 17 cm, 2023
  • Ewa Finn - 2023
Ewa Finn, Guru, 2020/2021, Öl auf Leinwand, 230 x 200 cm
Ewa Finn, Guru, 2020/2021, Öl auf Leinwand, 230 x 200 cm

Ja, so war es, das Leben durfte nicht leicht sein, man musste es spüren, es war ein guter Ballast. (...) Nicht das mache uns aus, was stark in uns sei, sondern ebenjene Anomalie, das Schwache, das Verleugnete in uns.
            Olga Tokarczuk, Empusion

Folge deinem Herzen. Wenn du nicht das eine Leben lebst, das du hast, wirst du nicht einfach ein anderes leben können, sondern letztendlich gar keins.
            James Baldwin

 

Lange nahm die Malerei in der zeitgenössischen Kunst einen untergeordneten Rang ein. Jungen Künstler:innen erschien sie als ein allzu banales, der früheren Funktion der Kunst zu stark verbundenes Ausdrucksmittel. Nun kehrt sie jedoch in großem Stil zurück. Sie hat sich über die Jahrhunderte als die Grundform des künstlerischen Ausdrucks bewährt (und wird es wohl auch bleiben), sind doch die aktuell aufkommenden Tendenzen hin zum Realismus eine recht traditionsverbundene Hommage an die Kunstgeschichte. Das Trugbild der künstlerischen Freiheit bleibt oft eben nur ein Trugbild. Künstler:innen greifen nach allen möglichen Mitteln, um sich zu verwirklichen. So ist es immer schon gewesen und das wird sich auch künftig nicht ändern. Lautstarke Kollektive, Manifeste, Skandale sind auf der Suche nach Förder:innen oder gar Sponsor:innen zweifellos hilfreich, doch die unheilvolle Gegenwart mit ihrer eklatanten visuellen Reizüberflutung wendet sich langsam davon ab – hin zu mehr Ruhe, Gefasstheit und Maß. Betrachten wir nun in diesem Kontext das Werk von Ewa Finn, um auf die Frage einzugehen, wann die zeitgenössische Malerei als Medium einen wahren Sinn bekommt und inwiefern die Individualität von Künstler:innen mit der Außenwelt vereinbar ist. 

Mieczysław Porębski sprach einst die berühmten Worte, dass man mit einem Bild zusammenwohnen, mit einem:einer Künstler:in aber zusammenleben muss. Nachdem ich mich also entschlossen hatte, ein Bild bei mir einziehen zu lassen, begann ich, meinen potenziellen Mitbewohner aufmerksam zu betrachten. Doch ich ließ mich nicht von der Sänfte des ersten Eindrucks täuschen. Mein Instinkt sagte mir, dass das nicht so einfach ist, dass es da viel mehr zu entdecken gibt, dass den Bildern von Ewa eine besondere, kaum greifbare und definitiv nicht flüchtige Qualität innewohnt. Die Welt, die sie kreiert, ist und bleibt in einem gewissen Maße geheimnisvoll, obwohl die Symbolik, der sie sich dabei bedient, nicht ganz so realitätsfern ist. Die Künstlerin drückt in ihren Werken das aus, was in der heutigen Welt, aber auch für sie selbst wichtig ist. Dabei spielt für sie das tatsächlich Erlebte eine wesentliche Rolle, auf dem ihr Hier und Jetzt basiert. Doch ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger, ist ihr höchst intimes Dort und Damals … 

Der große Alfred Hitchcock pflegte seine Filmschüler:innen mit dem Rat zu verwirren, man müsse mit einem Erdbeben beginnen und dann die Spannung ganz langsam steigern. Die Bilder von Ewa Finn lassen zutiefst emotionale Assoziationen entstehen, und doch fühlt sich jede:r (aufmerksame!) Betrachter:in von der bedrohlichen Ruhe irritiert, die sie ausstrahlen. Bei einer genaueren Betrachtung des Bildinneren wird jedoch klar, dass auch diese Ruhe nur ein Trugbild ist. Vielleicht drückt sich das Bedürfnis der Künstlerin, sich selbst in Bezug zur Vergangenheit zu definieren, in dieser Vision aus – einer Vision, in der Probleme niemals als schwarz-weiße Kontraste betrachtet werden, obwohl wir sehr wohl wissen, dass sich gerade aus diesen Kontrasten gefährliche Spannungen ergeben? 

Der Buddhismus lehrt uns, dass eine positive Bilanz unserer Gedanken und Taten uns (irgendwann) in einem der 26 Himmel wiedergeboren werden lässt. Der Große Äon geht zu Ende, um dann wieder beginnen zu können – es braucht nur die nötige Kraft dafür. Er lehrt uns auch, dass wir unsere Erinnerungen an ein vorangegangenes Leben bewahren können, und wenn diese Erinnerungen aufblitzen, entsteht – unter günstigen Umständen – Kunst. Dann allerdings kommt es zu der unvermeidbaren Dissonanz zwischen Zugehörigkeit und Freiheit… Nun, die Freiheit kann uns niemand geben. Wir müssen sie uns selbst nehmen. Die leidvolle Identitätssuche in der Freiheit hat die Künstlerin zum Glück schon hinter sich. Wir können die Vergangenheit nicht zurückholen, aber das ist auch nicht unbedingt nötig; ermöglicht uns doch die Kunst, zu beweisen, dass es sie gab.

Nach einer starken Ausdrucksphase mit kräftigen Farben und Texturen entwickelt sich das Narrativ in der zeitgenössischen Malerei von Ewa Finn hin zu einem stillen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Inspiration findet sie hauptsächlich in allerlei ungewöhnlichen, bizarren, absurden, ja geradezu ekelerregenden Situationen. Sie verneigt sich vor ihr – doch gleichzeitig lehnt sie die Idee ab, dass ausschließlich die dunkle Seite der Macht sich greifbar auf das menschliche Leben auswirken kann. Oder ist es doch genau umgekehrt? Immerhin entzieht sich unsere Sinneswelt stets einer einfachen Kategorisierung. Die Erinnerungen an Erlebtes und das Spiel mit dem Selbstbild werden von einem tiefen Schweigen begleitet. Das wirft die Frage auf, ob dieser schweigende Dialog eher Entdeckung oder Verbergung der eigenen Präsenz in einer missmutigen Welt ist, in der es leichter fällt, andere zu verletzten als zu unterstützen. Oder ist es doch eine versuchte Flucht vor der Bürde der eigenen Erfahrungen? Die Suche nach einem sicheren Hafen? Symmetrie oder doch Expansion? Ohne die Antworten auf prosaische Fragen zu scheuen, greift die Künstlerin nach der altbekannten realistischen Form und registriert akribisch, wie eine Chronistin, alles Erlebte, das sie bewegt und berührt hat. Oft sind es banale Alltagssituationen, denen jedoch ein gewisses Paradox innewohnt.

Der Sinn dieser Kunst ergibt sich gewissermaßen aus der Verstrickung des Offensichtlichen in Kontexten, aus dem bewussten Verzicht auf dekorative, konventionelle Zeichen des Geheimnisvollen. Die Künstlerin erschafft ihre eigene Welt, die teilweise von realen Gestalten aus dem wahren Leben bevölkert wird, teilweise aber auch von phantastischen Fabelwesen. In ihrer Bilderwelt schafft sie auch Platz für unsere kleinen Brüder und Schwestern – Tiere, mit denen sie kommuniziert und so einen gemeinsamen Raum für alle kreiert. Egal, ob es sich dabei um einen künstlerischen Dialog oder auch Monolog handelt: Angesichts des moralischen Zerfalls der Menschheit erklingt ihre Stimme im Kampf um Tierrechte klar und deutlich, wird hörbar. 

In ihren Werken sind Dimensionen enthalten, deren Entschlüsselung zu einer nicht gerade ermutigenden Reflexion anregt, und zwar über das Ausmaß der Gewalt und den miserablen Zustand der Menschheit in diesen unsicheren Zeiten. Ihre Kunst erscheint uns wie eine Art Flaschenpost, und zwar mehr als nur ein kurzer Brief. Es ist eine konkrete Botschaft an eine:n bestimmte:n Empfänger:in – an dich, der:die du das Bild gerade anschaust. Du schaust es an, doch siehst du es auch? 

Ewa Finn geht den schwierigen Weg der Akzeptanz für jegliche Andersartigkeit; ihr Werk strahlt Mitleid für jegliche Verstrickungen in die Konflikte dieser Welt aus. Diese künstlerische Gefühlsanalyse zeigt sich in einer bewussten Abkehr von intensiven Farben hin zu matten Tönen. Sie ist wie das sanfte Streicheln eines normsprengenden Bewusstseins für die Zerstörung des Universums. Künstlerisch äußert sich dies durch einen, oft mit mehreren Weiß-, Hellblau- und Aquamarintönen zu einem sanften Matt abgeschwächten, Farbtupfer. Selbst auf scharfsinnige Betrachter:innen wirken mehrere Schichten Ölfarbe, so aufgetragen, wie ein hauchdünnes Gewebe, wie ein einziger leichter Pinselstrich. Und das Licht… das Licht, dass den Raum horizontal schier unendlich erweitert und so den Effekt der emotionalen Anspannung steigert. 

Ewa gibt der Diktatur der Mode in der Kunstwelt nicht nach und fürchtet auch keine Anachronismus-Vorwürfe. Der asketische, scheinbar simple, fast schon minimalistische Stil ihrer Gemälde, der sanfte Strich ihrer Tuschzeichnungen, die bewusste Formkargheit sorgen für einen deutlichen Wiedererkennungswert ihrer Werke. Und auch wenn selbst der feinste Feinsinn sich stets weiter perfektionieren muss, so möchte man an dieser Stelle doch den Klassiker zitieren: In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister (J. W. Goethe, Das Sonett).

Ja, es gibt sie, die Biografien, die gegen den Strom schwimmen, während Welten leise zusammenbrechen. Wie viele Künstler:innen, die stets auf der Suche nach dem eigenen Weg sind, fand auch Ewa Finn gerade in Berlin eine förderliche Umgebung für ihre künstlerischen Beobachtungen. Ihre Werke weisen auf die dringendsten Probleme der heutigen Welt hin, doch obwohl sie Emotionen ausdrücken, sind sie keineswegs Moralpredigten oder simple Publizistik. Vielmehr zeigen sie die Möglichkeiten der Kunst im Angesicht des „Bösen“ auf. Wenn wir uns hier erneut an das Zitat von Prof. Mieczysław Porębski über das „Zusammenleben“ mit Künstler:innen erinnern – es ist die Kunst, die erfahrener Betrachter:innen braucht, um ihre Wirkung vollkommen zu entfalten. Sehr oft fängt alles mit einem kurzen und doch ganz bestimmten Moment an. Dieser einzelne Moment des Sehens hinterlässt eine gewisse Magie der Intention: etwas nicht näher Definierbares, etwas, das sich krümmt und verschwimmt und doch ein breites Spektrum an Interpretationsmöglichkeiten bietet, an kreativen Entscheidungen, die nicht vorhersehbar sind.

 

Magda Potorska, April 2024

 

 

Einzelausstellungen

2011 Club der polnischen Versager, wenig malerei, Berlin 

2015 Dorothea Konwiarz Stiftung, Unter heiterem Himmel, Berlin 

2017 Atelier Maryna Baranovska, Berlin 

2019 48 Stunden Neukölln, Atelier Ewa Finn, Berlin

2021 BWA JELENIA GÓRA, CICHE GŁOWY, Jelenia Góra, Polen

2023 K-Salon, Windstille Nacht, Berlin

 

Gruppenausstellungen (Auswahl)

2007 Haus am Kleistpark, drei Radikale, Berlin 

2010 Gehag FORUM, Klassentreffen, Berlin 

2010 Atelierhof Kreuzberg, es knallt nicht es rockt nicht, Berlin 

2011 Haus am Lützowplatz, la Cabane*, Berlin 

2011 K-Salon, clair-obscur, Berlin 

2012 Galerie Schwartzsche Villa, Ziemlich graue Seelen, Berlin 

2012 K-Salon, Zeichnungen, Berlin 

2013 Projekt Kino Ost, … davon geht die Welt nicht unter …, Berlin 

2014 Stiftung Starke im Löwenpalais, Survivors, Berlin 

2014 Willner Brauerei, Berlin die Sonne gelb, Berlin

2015 K-Salon, Auf der Suche nach sich selbst, Berlin

2016 Kunsthalle m3, Thermik, Berlin 

2016/17 Gehag FORUM, Berlin 

2017 48 Stunden Neukölln, Morgens, Mittags, Abends, Berlin 

2017 Projektraum Ventilator, Super Power Woman Show Nr. 2, Berlin 

2017 Max-Liebermann-Haus, Wolfgang Patrick Go(o)d Speed, (Gastkünstlerin), Berlin 

2017 Willner Brauerei, Ungemütlich V, Berlin 

2019 Forum Factory, Ungemütlich VI, Berlin

2019 Haus 104 Flughafen Tempelhof, Offen, Berlin

2020 Online Ausstellung – FEMALE GAZE bei Alexander Ochs Private

2021 ALEXANDER OCHS PRIVATE, Female GAZE, Berlin

2022 ARTraumBERLIN, „OTHERS - WUNDERSAME WESEN“, Berlin

2022 ARTraumBERLIN, „THANATOS - GEVATTER“, Berlin

2023 Kungergalerie, Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt (mit Mara Wagenführ), Berlin

2023 K-Salon, Einfallen, Berlin