Anna Tatarczyk. Das Spiel von Licht, Form und Farbe
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Die Entstehung der Raute
Anna Tatarczyk, geboren 1973 in Wodzisław Śląski (Loslau), fand ihren künstlerischen Ausdruck nicht nur durch die klare Form der Raute, sondern auch durch die Auseinandersetzung mit dem Raum und der Bewegung. Seit Jahren widmet sie sich intensiv der Darstellung dieser geometrischen Form, die auf der Spitze stehend in ihren Gemälden zu schweben scheint. Doch die Raute ist für sie mehr als nur eine ästhetische Entscheidung. Sie ist ein Symbol, das tief in der menschlichen Geschichte verwurzelt ist. Bereits in prähistorischen Zeiten stellte die Raute die Bahnen der Gestirne dar und findet sich auch heute noch in Wappen und auf heidnischen Stätten. Für Tatarczyk ist die Raute eine „Urform“, die für Klarheit, Vollkommenheit und Wandelbarkeit steht. „Je mehr Hindernisse ich in meine Arbeiten einbaue, desto mehr Ideen kommen mir in den Sinn“, sagt sie und spricht damit von der unerschöpflichen Kreativität, die sich aus den Beschränkungen ihrer Form ergibt.
Die Farben als Magier der Illusion
Doch auch die Farbe spielt in Tatarczyks Kunst eine zentrale Rolle. Ihre Arbeiten wären ohne die präzise Auswahl und das gezielte Zusammenspiel von Farbnuancen nicht dieselben. „Die Farbe erzeugt die Illusion der Dreidimensionalität und der Lichtbrechung“, erklärt sie. In ihren Gemälden wird die Raute nicht nur durch ihre geometrische Form sichtbar, sondern auch durch die subtile Abstufung von Farben. In „Rubikon Aqua“, einem ihrer Werke, kommen 21 Blautöne zum Einsatz – und das innerhalb von 100 Feldern. Durch diese reduzierte Farbpalette gelingt es Tatarczyk, eine fast hypnotische Tiefe zu erzeugen. Farben und Formen verschmelzen miteinander, um eine Dimension zu schaffen, die der Betrachter fast greifen kann. Die Präzision und das Feingefühl, mit dem sie arbeitet, lassen ihre Gemälde zu optischen Illusionen werden, die sowohl den Verstand als auch das Gefühl ansprechen.
Licht als verborgene Dimension
Wenn man sich vor eines ihrer Werke stellt, kann man fast das Licht spüren, das Tatarczyk in ihre Bilder eingebaut hat. Sie beschreibt ihre Technik als eine „chirurgische“ Arbeit, bei der Farben exakt aufeinander abgestimmt werden, um das Licht zu brechen und den Eindruck von Dreidimensionalität zu erzeugen. „Es ist wie das Malen von Licht“, sagt sie. Für Tatarczyk ist das Spiel mit Licht und Farbe nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine Möglichkeit, „Ruhe und Harmonie“ zu vermitteln. Die Klarheit und Symmetrie ihrer Kompositionen strahlen eine fast meditative, poetische Aura aus.
Der Einfluss des Tanzes
Obwohl Tatarczyk sich auf geometrische Abstraktion konzentriert, bleibt ihr Werk von einer Beweglichkeit und Leichtigkeit durchzogen, die an Tanz erinnert. Die Bewegung im Raum – das bewusste Spiel mit Körper und Raum – prägt auch ihre Malerei. Die Raute, die auf der Spitze steht, scheint sich zu drehen, zu kippen und rhythmisch zu schwingen. Tatarczyk beschreibt ihre Malerei als eine „geplante Tanzchoreografie“. Sie erkennt Parallelen zwischen der Regelmäßigkeit ihrer Bilder und den strukturierten Abläufen des Tanzes. So wie ein Tänzer sich durch den Raum bewegt, so tanzt die Raute auf der Leinwand.
Kunst als persönliche Entfaltung
Tatarczyks Weg in die Kunst war alles andere als geradlinig. In ihrem Heimatland Polen wuchs sie in einer Zeit auf, in der die Freiheit der künstlerischen Entfaltung eingeschränkt war. Sie kam 1994 nach Deutschland, um ihr Leben neu zu gestalten. Dort entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Kunst. Nach einem Germanistik- und Philosophiestudium entschloss sie sich, an der Düsseldorfer Kunstakademie Bildende Kunst (bei A. R. Penck und Siegfried Anzinger) zu studieren und fand dort ihre wahre Bestimmung als Künstlerin. Sie lebt und arbeitet heute in Düsseldorf und Wuppertal.
Ein eigenständiger Beitrag zur konkreten Kunst
Tatarczyks Werk lässt sich nicht einfach in eine der traditionellen Kategorien der Kunstgeschichte einordnen. Zwar könnte man ihre Arbeiten als Mischung aus Konkreter Kunst, Op-Art und minimalistischem Design beschreiben, doch ihre Werke sind mehr als nur eine Mischung dieser Strömungen. „Mir geht es darum, gute Bilder zu malen“, sagt sie. Sie fühlt sich nicht an klassische Etiketten gebunden, sondern strebt danach, Kunst zu schaffen, die sowohl ästhetisch ansprechend als auch intellektuell herausfordernd ist. Ihre Kunst ist eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Form, Farbe und Licht, die zu einer ganz eigenen Bildsprache führt.
Katarzyna Schieweck, Januar 2025
Homepage der Künstlerin: www.anna-tatarczyk.de