Menu toggle
Navigation

Angelika J. Trojnarski. Auf der Suche nach einem tieferen Weltverständnis

Allure, 2019, Paper, spray paint, graphite, oil on linen, 70 x 60 cm (Angelika J. Trojnarski)

Mediathek Sorted

Mediathek
Angelika J. Trojnarski: Allure, 2019, Paper, spray paint, graphite, oil on linen, 70 x 60 cm
Allure, 2019, Paper, spray paint, graphite, oil on linen, 70 x 60 cm (Angelika J. Trojnarski)

Eine Kindheit in der Natur Masurens
 

Ihre Leidenschaft für die Natur und die Begeisterung für Naturphänomene hat die Künstlerin aus ihrer Kindheit in Masuren, der größten Seenlandschaft Polens, mitgebracht, wo sie 1979–89 in einer noch intakten Landschaft aufgewachsen ist. Frühe Bilder, Gerüche und Stimmungen, die sich hier in ihre Erinnerung eingebrannt haben, tauchen in ihren Werken gemeinsam mit Erkenntnissen aus Recherchereisen in andere Gebiete immer wieder auf. Rund um die zahlreichen Gewässer gibt es in Masuren große Waldkomplexe als Überreste alter Urwälder und eine unvergleichliche Tier- und Pflanzenwelt, weswegen die Region auch heute noch geradezu als Paradies für ein Leben in und mit der Natur gilt. Sowohl diese Wälder als auch die Seen und Moorlandschaften waren für die Künstlerin in ihrer Kindheit Stätten unendlicher Entdeckungen.

Ihr eigenes Bild von der Umwelt hat Trojnarski dabei geformt, bei jeder Gelegenheit in die Natur hinauszugehen, am liebsten dorthin, wo es noch keine Pfade gab, beim Betrachten von Ameisenhügeln, die so hoch waren, dass sie ihren eigenen Körper damals fast überragten, oder beim Schwimmen in dunklen Seen, immer in Ehrfurcht vor Blutegeln und Wasserstrudeln.

Hier hat sie unter anderem stundenlang Fossilien versteinerter Kopffüßler gesammelt, sog. Belemniten, die aus vergangenen Zeiten überdauert hatten und partiell aus der Erde ragten. Diese auch „Donnerkeile“ genannten, etwa fingergroßen Skelette der ehemaligen Kopffüßler (Cephalopoden) sind Überreste einer Zeit, als in Masuren aus der Gletscherschmelze die heute über 3.000 Gewässer umfassende Seenplatte entstand. Sie hatte ursprünglich einen direkten Zugang zum Meer, denn die Cephalopoden hatten Ihren Lebensraum ausschließlich an den Rändern der Meeresküsten. Ohne all diese Hintergründe bereits zu kennen, haben die Relikte vergangener Zeiten eine unbestimmte Faszination auf Trojnarski ausgeübt, vermischten sich mit beiläufigen Beobachtungen und den Erinnerungen an Nachmittage am See, mit trockenen Graslandschaften, die sich in Kinderaugen unendlich ausweiten und mit verschiedenen Gerüchen der Natur, welche sich bei Sommerhitze oder nach einem Gewitterregen entfalten und bisweilen für immer abrufbar im Gedächtnis bleiben, um Jahre später prägend für ein künstlerisches Werk zu werden, das sich mit der Natur beschäftigt. 

 

Künstlerische Erforschung von Naturphänomenen
 

Grundlegend für Angelika J. Trojnarskis Arbeit sind eine intensive Naturbetrachtung und die Beobachtung physikalischer Abläufe. Sie beschäftigt sich mit Stürmen, Polarlichtern, Blitzen oder Gewittern und untersucht, inwieweit die Natur ihre Kräfte entfaltet. In der Regel sind ja nicht die Kräfte selbst sichtbar, sondern ihre Spuren und Wirkungen. Angelika J. Trojnarski gibt diesen immateriellen Prozessen eine bildnerische Gestalt. Vom Wind getriebene Wolken, strömendes Wasser, aufscheinende Blitze oder das Licht der Sonnenstrahlen – sie alle sind Bilder natürlich fließender Energien. 

Auf elektromagnetischen Vorgängen basierende Lichtphänomene stellen dabei eine anhaltende Faszination der Künstlerin dar, sie beschäftigt sich ausgiebig damit, indem sie die Elektrizität in der Atmosphäre studiert und sich intensiv mit der Forschung des kroatischen Wissenschaftlers Nikola Tesla auseinandergesetzt hat. Energie, Spannung und Emotionalität des Lichtes erscheinen in ihren Bildern dann in einer geladenen Verbindung (Fiat Lux, 2018/19) und sie schafft es, eine geradezu phänomenale Kraft auftreten zu lassen: Polarlichter vereinen sich mit Blitzen und Feuer, gemeinsam bilden sie einen Wirbel aus blendend weißen und violetten Lichtstrahlen, die mit fast spürbarer Wucht auf den Boden treffen. In ihrem Bild Petrichor (2019) hingegen zeigt sich ein starkes, mit Schraffuren aufgeladenes Sommergewitter, ein lichtgefluteter Wolkenbruch, der Sonne und violette Blitzentladungen vereint. Der Titel bezieht sich auf den Geruch des Sommerregens, wenn die Tropfen auf den heißen, sehr trockenen Boden auftreffen und evoziert damit eine Stimmung, welche die Künstlerin an ihre Kindheit erinnert und die wir alle kennen. Immer häufiger jedoch sind wir inzwischen mit Naturereignissen konfrontiert, die uns nicht mehr vertraut sind.