Stanislaus Kostka in Recklinghausen-Suderwich. Darstellung eines polnischen Nationalheiligen auf einem Farbfenster in der St.-Johannes-Kirche
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Schlussbetrachtungen
Im Zeitalter der Gegenreformation gab der jung verstorbene Jesuiten-Novize Stanislaus Kostka aufgrund seiner innigen und kompromisslosen Liebe zu Jesus und zur Gottesmutter Maria das Idealbild eines Heiligen ab. Dass er nach seinem Tod sein Heimatland – nach katholischer Auffassung – vom Jenseits aus militärisch unterstützte, qualifizierte ihn zudem als einen wirkmächtigen Schutzpatron Polens. Noch im Industriezeitelter besaß diese Fürsorge im Dienst von nationaler Integration eine große politische Bedeutung, da zwischen 1795 und 1918 nach drei territorialen Teilungen kein polnischer Staat existierte.
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts verbreiteten polnische Migrant:innen den Stanislaus-Kult weltweit. Sie verankerten ihn auch intensiv im rheinisch-westfälischen Montanrevier. Dabei war es sicherlich von Vorteil, dass sich eine legendäre Vision des Jesuiten-Schülers mit der Verehrung der heiligen Barbara als Bergbau-Patronin in Beziehung setzen ließ.
Im Ruhrgebiet stand der Kult um Stanislaus Kostka damals in einem politischen Spannungsfeld mit konfessionellen, sozialen und nationalistischen Akzenten. In diesem Sinn lässt sich auch das Bildprogramm der Suderwicher Kirchenfenster interpretieren. Ausgangspunkt ist hierbei das mittlere Josefs-Fenster, das den Pflegevater Jesu als Ecclesiae Patronus zeigt. Dabei verweist die Berücksichtigung von Pius IX. demonstrativ auf eine Unterordnung der katholischen Kirche Deutschlands unter den päpstlichen Primat. Ein solcher „Ultramontanismus“ wurde damals im protestantisch dominierten Preußen als Ausdruck mangelnder Vaterlandstreue beargwöhnt.
Durch die Darstellung der Dorfkirche und des Fördergerüsts der Zeche König Ludwig IV/V auf diesem Fenster wird die Verklärung des heiligen Josef nach Suderwich verortet. Der Zimmermann aus Nazareth ist hier gleichzeitig Schutzpatron der ortsansässigen Berg- und Landarbeiter:innen. Zwei lokale Vereine dokumentieren, dass auch die polnischen Bergleute und ihre Frauen den Pflegevater Jesu verehrten.
Aus der Sicht der preußischen Behörden galten die polnischen Staatsbürger:innen in der späten Kaiserzeit nicht nur aufgrund ihrer katholischen Konfession als unzuverlässig. Vor allem machte sie ihre nationale Identität verdächtig. Trotz mancher Spannungen vereinigte damals die gemeinsame Verehrung von ruhrgebietstypischen Heiligengestalten – außer Josef auch Barbara – sowie ein engagiertes Bekenntnis zum Ultramontanismus deutsche und polnische Katholik:innen in ihrer Selbstbehauptung gegenüber dem protestantisch geprägten Selbstverständnis des Staates.
In Ergänzung zum Josefs-Kult noch einmal ein Blick auf das Stanislaus-Fensterbild: Zwar gibt es hier keinen schriftlichen Beleg für eine direkte polnische Stiftungsfinanzierung, das Fenster steht aber als Zeugnis ultramontan-katholischer Frömmigkeit und nationalpolnischer Identität in dem skizzierten politischen Spannungsfeld. In der Gesamtschau dürfen wir daher den Suderwicher Farbfensterzyklus als ein eindrucksvolles Dokument von facettenreicher Ruhrgebietsgeschichte – auch in Bezug auf „Ruhrpolen“ – würdigen.
Thomas Parent, Mai 2024
Literatur in Auswahl
Arbeitsgruppe „König Ludwig“ im Förderverein Bergbauhistorischer Stätten e.V. und Christoph Thüer (Hg.): Unsere Zeche König Ludwig. Wiege der Ruhrfestspiele und mehr…, Werne 1905.
Burghardt, Werner: „Die polnischen Arbeiter sind … fleißig und haben einen ausgeprägten Erwerbssinn …“. Zur Geschichte polnischer Bergarbeiter in Recklinghausen, in: Bresser, Klaus und Christoph Thüer (Hg.): Recklinghausen im Industriezeitalter, Recklinghausen 2000, S. 401–423.
Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des katholischen Knappen- und Arbeitervereins St. Barbara, Recklinghausen 1932.
Haida, Sylvia: Die Ruhrpolen. Nationale und konfessionelle Identität im Bewusstsein und im Alltag 1871–1918, phil. Diss. Bonn [masch.] 2012.
Schäfer, Joachim: Artikel Stanislaus Kostka, Ökumenisches Heiligenlexikon, https://www.heiligenlexikon.de//BiographienS/Stanislaus_Kostka.html (abgerufen am 28.1.2024).
Schröder, Heinrich: Fest- und Heimatschrift der Pfarrgemeinde St. Johannes Recklinghausen-Suderwich zum 50. Jahrestag der jetzigen Kirche am 20. Oktober 1904, Recklinghausen 1954.
Zillessen, Walter: Die Predigt der Bibelfenster von St. Johannes in Suderwich, Recklinghausen-Suderwich 1987.
Zillessen, Walter: Kirche im Zeitalter der Industrialisierung am Beispiel Suderwichs, in: Möllers, Georg und Richard Voigt: 1200 Jahre christliche Gemeinde in Recklinghausen, Recklinghausen 1990, S. 185–198.