Jan Polack. Meister der Spätgotik
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Ein Altarflügel mit der Stigmatisation des heiligen Franziskus (Abb. 30 . ) befindet sich als Leihgabe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen im Historischen Museum in Regensburg. Auf der Gegenseite sind der schreibende Evangelist Johannes auf Patmos zu sehen, dem Maria als Himmelskönigin erscheint, und darunter eine Kreuzigung Petri (Abb. 31 . ). In Regensburg wird außerdem ein 1510 entstandenes Retabel mit dem Marientod aufbewahrt. 1988 hat der Kunsthistoriker James Marrow an der Princeton University Jan Polack und seiner Werkstatt vier Altarflügel im Los Angeles County Museum of Art zugeschrieben.[48] Sie zeigen Adam und Eva im Paradies (Abb. 32 . ), Stammvater Abraham, der Gott in Gestalt von drei Engeln mit Essen bewirtet (Abb. 33 .), die Taufe Jesu (Abb. 34 . ) sowie den lehrenden Christus (Abb. 35). Eine Verkündigung Mariä, die Buchner (1933) in Hamburgischem Privatbesitz erwähnte, erschien 2008 im Auktionshandel (Abb. 36 . ). Sie stammt von den Nachkommen des Hamburger Tabakindustriellen August Neuerburg (1884-1944).[49] Das Bildnis eines jungen Mannes, das nach einem Ankauf im Jahre 1927 in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München aufbewahrt wird (Abb. 37), wurde von Buchner als Werk von Jan Polack aus dem Jahr 1477 katalogisiert und später von Stange (1960) in die Zeit um 1490/95 datiert. Es gilt, ohne dass es einen Beleg dafür gibt, als Selbstporträt des Malers,[50] vermutlich weil es zur Entstehungszeit gar keinen anderen Anlass gegeben hätte, eine von Kleidung und Habitus her einfach situierte Person außerhalb eines größeren Zusammenhangs im Bild festzuhalten.
Je länger sich die Wissenschaft und je intensiver man sich mit dem Werk von Jan Polack befasst – darauf hat Steiner hingewiesen – desto mehr lösen sich die Persönlichkeit und die künstlerische Einzelleistung des Malers auf.[51] Waren schon zu Beginn der Beschäftigung mit seinem Werk am Anfang des vorigen Jahrhunderts mit bloßem Auge Spuren verschiedener Mitarbeiter zu erkennen, so haben die modernen technischen Hilfsmittel differenzierte Arbeitsvorgänge und weitere in der Werkstatt tätige Persönlichkeiten zutage gefördert. Diese Tatsache ist aber kein Verlust, sondern eher ein Gewinn für die Kunstgeschichte, denn sie belegt, dass unsere traditionelle Ansicht vom Künstler als göttlichem Genie kaum mehr als eine romantische Vorstellung ist.
Der Meister der Spätgotik war Werkstattleiter, versierter Organisator und Geschäftsmann, der sowohl seinen Gehilfen, Malern und Schreinern Anweisungen zu erteilen hatte als auch in der Lage war, mit seinen kirchlichen und fürstlichen Auftraggebern erfolgreiche Verhandlungen zu führen. Gleichzeitig war er aber auch ein hervorragend ausgebildeter Maler, dessen künstlerische Fähigkeiten Vorbild für seine Werkstatt sein mussten und dessen Stil von der Öffentlichkeit als anspruchsvoll, modern und wegweisend empfunden werden konnte. Darüber hinaus waren Kreativität und Wissen gefragt; denn die Arbeiten aus der Werkstatt von Jan Polack sind nicht nur dramatisch erzählt, sondern entsprechen auch inhaltlich den theologischen Anforderungen ihrer Zeit. Zwar werden seine Herkunft und seine Persönlichkeit vermutlich für alle Zeiten im Dunkeln bleiben, dennoch tritt uns der Meister durch die erhaltenen Urkunden, Quellen und nicht zuletzt durch seinen Vorsitz in der Lukas-Malerzunft als herausragende Persönlichkeit Münchens, einer prosperierenden bürgerlichen Handelsstadt und Landeshauptstadt einer einflussreichen Herzogsfamilie, gegenüber.
Axel Feuß, April 2021
[48] Paul Pieper: Vier Flügel des Jan Polack oder seiner Werkstatt in Los Angeles, in: Bruckmanns Pantheon. Internationale Jahreszeitschrift für Kunst, Band 46, 1988, Seite 44-49. Auch bei Weniger 2017 (siehe Literatur), Seite 230. Online-Katalog des Los Angeles County Museum of Art, https://collections.lacma.org/node/2262575
[49] Sotheby’s, London, Auktion vom 10.7.2008, E-Katalog: https://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2008/old-master-paintings-day-sale-l08034/lot.102.html
[50] Vergleiche Lenbachhaus, München, Sammlung online: https://www.lenbachhaus.de/entdecken/sammlung-online/detail/bildnis-eines-jungen-mannes-selbstbildnis-30001702
[51] Steiner: Jan Polack – Werk 2004 (siehe Anmerkung 2), Seite 25 f.