Jan Polack. Meister der Spätgotik
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Die Werktagsseite zeigte vermutlich auf den geschlossenen Flügeln in vier Szenen die Passion Christi: Christus am Ölberg (Abb. 2 . ), rechts daneben die Nagelung ans Kreuz (Abb. 4 . ), links unten die Kreuztragung und rechts daneben wahrscheinlich eine verloren gegangene Kreuzigung. Nach Öffnung der Flügel waren an Sonn- und Feiertagen auf acht Tafeln in vier vertikalen Reihen Szenen aus dem Leben jener Heiligen zu sehen, die für das Kloster wichtig waren. Auf der linken Seite war der Tod des heiligen Korbinian, nach der Überlieferung erster Bischof von Freising, dargestellt. Der Hintergrund zeigt Ansichten von Freising und Weihenstephan (Abb. 3 . ). Darunter war die Legende vom Bärenwunder montiert, nach der der Heilige einem Bären, der zuvor sein Lasttier gerissen hatte, das Gepäck aufbürdete und mit ihm nach Rom pilgerte (Abb. 6 . ). Die jeweils rechts daneben angebrachten Tafeln sind verschollen. Auf der rechten Altarhälfte waren übereinander zwei Szenen aus dem Leben des heiligen Stephanus angebracht: oben die selten dargestellte Disputation, also die Verteidigungsrede während der Gerichtsverhandlung vor dem Hohen Rat (Abb. 7 . ), darunter die Steinigung des Heiligen. Rechts außen war der heilige Benedikt als Vater des Mönchstums und Lehrmeister der Kirche (Abb. 5 . ) zu sehen, während das untere Bild wiederum verschollen ist. Horizontal bildeten in der oberen Reihe Architekturen (Abb. 3, 5, 7 . , . , . ), in der unteren landschaftliche Hintergründe (Abb. 6 . ) verbindende Elemente.
Aus der derselben Zeit stammt das Porträt eines Benediktiner-Abts, das sich heute im Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid befindet (Abb. 8 . ). Der Porträtierte trägt Attribute des Ordensgründers Benedikt von Nursia, nämlich ein Buch mit den Ordensregeln sowie einen Kelch, der nach der Legende Gift enthielt um Benedikt zu töten, welches jedoch in Gestalt einer Schlange entwich, als er das Kreuz darüber schlug. Aufgrund der individuellen Gesichtszüge wird angenommen, dass es sich bei dem Dargestellten um ein Porträt des regierenden Abts aus dem Jahr 1484 handelt, das am oberen Bildrand vermerkt ist. Dafür kämen Leonard II. oder Christoph I. Schleicher (Abt 1484-1494) in Betracht.[26]
Kaum hatte Polack die Arbeiten am Weihenstephaner Altar abgeschlossen, folgten 1489 vermutlich Seitenaltäre für die seinerzeit neu erbaute Heilig-Geist-Kirche in Pullach im Isartal. Die Altäre waren wahrscheinlich den Nebenpatronen der Kirche, Stephanus und Veit, geweiht. Heute sind davon nur zwei Flügel erhalten, die in Simultandarstellungen Szenen aus dem Martyrium der jeweiligen Heiligen zeigen und als Einzelgemälde in der dortigen Alten Heilig-Geist-Kirche aufgehängt sind. Außerdem war Polack mit der Innen- und Außenbemalung des Neuhauser Tors in München beschäftigt.[27] Dieses westliche Stadttor der Altstadt, das seit 1791 Karlstor genannt wird, ist nach Umbauten im 19. Jahrhundert und Kriegszerstörungen heute nur als Rekonstruktion erhalten.
1490 arbeitete Polack, so berichten Urkunden, an der Innen- und Außenbemalung des am südlichen Stadtausgang gelegenen Sendlinger Tors, das im 19. Jahrhundert mehrfach umgebaut wurde, sowie an der Außenbemalung des schon 1807 abgebrochenen Angertors. Vor allem aber war er mit einem neuen Hochaltar für die Münchner Stadtkirche St. Peter befasst. Es fehlen zwar sämtliche Nachrichten über den Auftraggeber des Altars und die Umstände seiner Entstehung, und auch die Datierung der fast vollständig erhaltenen Bildtafeln schwankt bei verschiedenen Autoren zwischen 1490 und 1502. Jedoch ist überliefert, dass eine im 19. Jahrhundert im Kunsthandel befindliche und heute verschollene Tafel das Datum 1490 getragen haben soll. Steiner geht davon aus, dass der neue Altar für die Peterskirche einer stillschweigenden, wenn nicht sogar offen ausgetragenen Konkurrenz zur Frauenkirche entsprang, in der seit 1437 ein Hochaltar des Münchner Malers Gabriel Angler (um 1404-um 1483) mit dramatischen Szenen von den Leiden Christi erzählte. Nachdem Herzog Albrecht 1478 vom Bischof von Freising das Patronatsrecht, also die Schirmherrschaft über die Peterskirche, übernommen und 1485/87 seinen angeblichen Halbbruder und späteren oberbayerischen Kanzler Johann Neuhauser (†1516)[28] als Stadtpfarrer eingesetzt hatte, sollte St. Peter nun den Dom mit einem neuen Hochaltar an Bedeutung übertreffen.[29]
An dem in der Werkstatt Jan Polacks ausgemalten Altar waren nach Untersuchungen der Unterzeichnungstypen im Wesentlichen seine Mitarbeiter tätig – vielleicht nach vorher vom Meister angefertigten Kartons, also mehr oder minder sorgfältigen Entwurfszeichnungen auf festem Papier. Davon sind elf Bildtafeln erhalten. Nachdem das Retabel zugunsten eines 1643 geweihten Barockaltars abgebaut und auseinandergenommen worden war, wurden sie bis ins 19. Jahrhundert in der Kirche aufbewahrt. Sie zeigen Stationen aus der Passion Christi sowie aus der Paulus- und der Petruslegende und verblieben, nach Zwischenstation im Bayerischen Nationalmuseum, im Eigentum der Katholischen Pfarrkirchenstiftung St. Peter.[30]
[26] Maria del Mar Borobia auf museothyssen.org, https://www.museothyssen.org/en/collection/artists/polack-jan/portrait-benedictine-abbot
[27] Chris Loos: Jan Polack – Leben und Werk, in: Steiner/Grimm 2004 (siehe Literatur), Seite 12
[28] Helmuth Stahleder: Neuhauser, Johann, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), Seite 127 f., Online-Version: https://www.deutsche-biographie.de/sfz71422.html
[29] Steiner: Jan Polack – Werk 2004 (siehe Anmerkung 2), Seite 19; Wallner 2005 (siehe Literatur), Seite 18 f.
[30] Steiner/Grimm 2004 (siehe Literatur), Katalog Nr. IV, Seite 189-225