Kasimir Zgorecki (1904–1980) – von Recklinghausen in den Pantheon der französischen Fotografie
Wie Kasimirs Schulzeit in Herne ausgesehen hat, kann aufgrund der Quellenlage nicht ausführlich beantwortet werden. Die Kinder der Ruhrpolen wuchsen mit der polnischen Sprache auf, die allerdings nicht in jedem Lebensbereich genutzt werden durfte. In der Schule wurde die deutsche Sprache vorausgesetzt.[37] Der Historiker Frank Piorr deutete in unserem Gespräch über das Schulwesen auf die Aussage eines Pfarrers aus Herne hin, der niederschrieb, dass viele seiner Pfarrkinder überhaupt kein Deutsch sprechen würden.[38] Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass Kasimir und seine beiden Schwestern aufgrund des Polnischverbots in preußischen Schulen auch zum Teil deutsch gesprochen haben müssen.
In Herne gab es ebenso wie in Recklinghausen zahlreiche polnische Vereine, die den Alltag neben Arbeit und Schule gestalteten. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg verzeichneten Herne und Wanne-Eickel über 150 polnische und masurische Vereine.[39] Das Stadtarchiv besitzt neben Postkarten mit Motiven von polnischen Turnvereinen und Festivitäten auch einige Dokumente dazu. Dabei sind diese nach Stadtteilen sortiert und unter anderem in polnische, masurische, schlesische und Ostmarkenvereine unterteilt. Auffällig sind die vielen Gesangs- und Turnvereine, neben denen zum Beispiel auch Frauen-, Gebets-, Lotterie- und Konsumvereine existierten (siehe Abb. 8). So kümmerten sich Letztere um den Import von polnischen Kartoffeln und Schuhen oder verkauften Möbel. Der „Związek Wzajemnej Pomocy“ war über das breite Angebot hinaus auf karitative Hilfe spezialisiert. Nicht weniger wichtig war auch die Polenseelsorge der St. Bonifatius Kirche bei Kaplan Johannes Bitter und seinem Nachfolger Paul Lange.[40]
Der wohl bekannteste Verein mit Hauptsitz in Herne war jedoch der Sokół-Bund in Westdeutschland, welcher laut Herner Archivunterlagen 1920 gegründet wurde. Auch in diesem Fall unterstreichen einige Dokumente die Überwachung der polnischen Vereine, denen unterstellt wurde, ihre Treffen für politische Kundgebungen zu missbrauchen. Dabei wurden auch Pfarrer unter Beobachtung gestellt. Zudem geht aus den Unterlagen hervor, dass Veranstaltungen generell eine Genehmigung von der Polizei brauchten, die nur durch das Vorzeigen eines Ablaufplans eingeholt werden konnte. Wie bereits erwähnt, besaßen Vereine gewisse Statuten, an die sich Mitglieder halten mussten. Ein Archivdokument über den Stanislaus Verein verweist auf die Förderung von Ordnung und guten Sitten, die durch wiederholte Trunkenheit oder Prügeleien missachtet wurden und zum Ausschluss führten. Einige Vereine hatten eine Altersbeschränkung, demnach konnte Kasimir als Minderjähriger nicht jedem Verein beitreten.