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Kollektive Vergessenheit oder Raum als Ausdruck des Bewusstseins des Künstlers? Karol Broniatowskis Skulptur fotografisch dokumentiert von Marian Stefanowski

Das Mahnmal Gleis 17 an der Grunewaldrampe erinnert an die Deportation der Juden aus Berlin

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  • Der ausgewählte Ort für das Mahnmal Gleis 17 am Bahnhof Berlin-Grunewald, 1989 - Der ausgewählte Ort für das Mahnmal Gleis 17 am Bahnhof Berlin-Grunewald, 1989
  • Die Gegebenheiten vor der Errichtung des Mahnmals von Karol Broniatowski, 1989 - Die Gegebenheiten vor der Errichtung des Mahnmals von Karol Broniatowski, 1989
  • Die Gegebenheiten vor der Errichtung des Mahnmals, 1989 - Die Gegebenheiten vor der Errichtung des Mahnmals, 1989
  • Das Atelier von Karol Broniatowski, 1989 - Das Atelier von Karol Broniatowski, 1989
  • Karol Broniatowski in seinem Atelier, 1989 - Karol Broniatowski in seinem Atelier, 1989
  • Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin, 1990 - Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin, 1990
  • Das Atelier von Karol Broniatowski in Berlin-Pankow, 1990 - Das Atelier von Karol Broniatowski in Berlin-Pankow, 1990
  • Karol Broniatowski in seinem Atelier in Berlin-Pankow, 1990 - Karol Broniatowski in seinem Atelier in Berlin-Pankow, 1990
  • Karol Broniatowski in seinem Atelier in Berlin-Pankow, 1990 - Karol Broniatowski in seinem Atelier in Berlin-Pankow, 1990
  • Die Enthüllung des Mahnmals, 18.10.1991 - Die Enthüllung des Mahnmals, 18.10.1991
  • Die Enthüllung des Mahnmals, 18.10.1991 - Die Enthüllung des Mahnmals, 18.10.1991
  • Heinz Galinski, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, während der Enthüllung des Mahnmals, 18.10.1991 - Heinz Galinski, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, während der Enthüllung des Mahnmals, 18.10.1991
  • Die Enthüllung des Mahnmals, 18.10.1991 - Die Enthüllung des Mahnmals, 18.10.1991
  • Das Mahnmal für die deportierten und ermordeten Juden, am Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald, 1991 - Das Mahnmal für die deportierten und ermordeten Juden, am Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald, 1991
  • Das Mahnmal für die deportierten und ermordeten Juden, am Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald, 1991 - Das Mahnmal für die deportierten und ermordeten Juden, am Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald, 1991
  • Das Mahnmal für die deportierten und ermordeten Juden, am Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald, 1992 - Das Mahnmal für die deportierten und ermordeten Juden, am Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald, 1992
  • Das Mahnmal für die deportierten und ermordeten Juden, am Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald, 1991 - Das Mahnmal für die deportierten und ermordeten Juden, am Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald, 1991
  • Karol Broniatowski vor dem Mahnmal für die Ermordung und Deportation der Juden aus Berlin, 1991 - Karol Broniatowski vor dem Mahnmal für die Ermordung und Deportation der Juden aus Berlin, 1991
  • Karol Broniatowski vor dem Mahnmal für die Ermordung und Deportation der Juden aus Berlin, 1991 - Karol Broniatowski vor dem Mahnmal für die Ermordung und Deportation der Juden aus Berlin, 1991
  • Karol Broniatowski vor dem Mahnmal für die ermordeten und deportierten Juden aus Berlin, 1991 - Karol Broniatowski vor dem Mahnmal für die ermordeten und deportierten Juden aus Berlin, 1991
  • Das Mahnmal, Sommer 2019 - Das Mahnmal, Sommer 2019
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  • Das Mahnmal, Sommer 2019 - Das Mahnmal, Sommer 2019
  • Karol Broniatowski vor dem Mahnmal für die deportierten und ermordeten Juden, am Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald, 2019 - Karol Broniatowski vor dem Mahnmal für die deportierten und ermordeten Juden, am Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald, 2019
  • Das Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald - Das Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald
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  • Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald - Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald
Das Mahnmal Gleis 17 an der Grunewaldrampe erinnert an die Deportation der Juden aus Berlin
Das Mahnmal Gleis 17 an der Grunewaldrampe erinnert an die Deportation der Juden aus Berlin

Ich aber dachte damals

An die Einsamkeit der Opfer.

Daran, dass, als Giordano

Den Scheiterhaufen bestieg,

Er keine einzige Silbe,

Menschliche Silbe gefunden,

Von jener Menschheit, die weiter-

Lebte, Abschied zu nehmen.

Czesław Miłosz, Campo di Fiori[1]

 

In Extremsituationen ist sogar die Angst keine Entschuldigung und Passivität wird zum Verbrechen (…) Diese Todesfabriken, in denen Massenmorde begangen wurden, standen für die Verachtung menschlichen Lebens. Und diese Verachtung hat überdauert. (…). Nur dass man heute der Jugend wieder beibringen muss, dass das Leben das erste und kostbarste Gut ist.

Vortrag Marek Edelmans beim Kolloquium „Pamięć żydowska, pamięć polska” [Jüdische Erinnerung, polnische Erinnerung], Tygodnik Powszechny, 1995

 

Die Toten sind einzeln zu zählen (...)

Christian Boltanski

 

Der tragischste Ausdruck der völkischen deutschen Politik ist die Judenvernichtung. Das Wort „Holocaust” (holos - ganz, kaustos - verbrannt) kam in den 1960er Jahren im allgemeinen Sprachgebrauch auf. Heute können wir die Etappen der Umsetzung der „Endlösungspläne“ genau zurückverfolgen, obgleich, wie Nora Levin schreibt, „das Verstehen dessen, was geschah, vielleicht niemals möglich ist.” Die Analyse des kollektiven Gedächtnisses deckt die Neigung des Menschen zur Verleugnung und Verdrängung unbequemer Tatsachen auf, wobei Berichte aus der Vergangenheit nur dann glaubhaft sind, wenn sie wahrhaftig sind. Wenn die Vergangenheit also die Zeit ist, die uns definiert und unsere Phantasien in denselben Hirnregionen wie die Erinnerung aufgebaut werden, werden wir im Erdenken von Zukunftsszenarien je nach unseren Vorstellungen der Vergangenheit nicht entkommen können. Die zunehmenden populistischen und faschistischen Tendenzen erschweren die Erforschung der Geschichte sicher auf manchen Ebenen, doch sie ist nichtsdestotrotz notwendiger denn je. Betrachten wir den Holocaust als Scheitern der europäischen Zivilisation, dürfen wir die heutige toxische Faszination für den Nationalismus nicht verschweigen.

Die frommen Rabbiner lehren, dass das Streben des Menschen nicht darin bestehen sollte, auf eine Welt zu warten, die noch kommen mag, sondern darin, das Leben aktiv anzugehen, um zunächst sich selber, dann sein nächstes Umfeld und schließlich die ganze Welt so zu verbessern und zu entwickeln, dass der Mensch, der aus der Welt scheidet, sie ein Stück weit besser hinterlässt als er sie bei seiner Ankunft vorgefunden hat. Die mystischen Juden glauben daran, dass die Seele, die vor Gott tritt, fünf Fragen hört, deren vierte lautet: Hast du dein Leben in dem Glauben gelebt, die Welt verbessern zu können?

Die von Bildern beherrschten Gesellschaften des 21. Jahrhunderts sind auf sensible Künstler angewiesen, die fähig sind, die Wirklichkeit so darzustellen, dass sie die gesellschaftlichen Barrieren der Gleichgültigkeit durchbricht, die Komfortzone betritt und sie zerstört, um mit dem Problem der potenziellen Gefahren zu konfrontieren. Die medial differenzierte Kunst, insbesondere die sogenannte kritische Kunst, weicht dem Dialog mit der Wirklichkeit nicht aus, doch ihre Aufgabe besteht nicht darin, fertige Antworten zu liefern, sondern unbequeme Fragen zu stellen. Sich der ewigen Trauer bewusst zu sein und den Holocaust nicht zu vergessen, ist Teil der Erinnerungskultur. Sie ist Pflicht eines jeden Europäers. Umberto Eco fragt in seinem Roman „Das Foucaultsche Pendel“ direkt: können wir wirklich die Vergangenheit lesen oder scheint es nur so?

Von Gleis 17 am Bahnhof Berlin-Grunewald, den der Rabbiner Walter Rothschild „SS-Bahnhof” nannte, wurden von Oktober 1941 bis März 1945 in 186 Zügen über 50.000 Berliner Juden zu verschiedene Vernichtungsorten im Osten Europas deportiert (Osttransporte). Der erste Transport ging am 18. Oktober 1941 Richtung Łódź, der letzte am 5. Januar 1945 nach Sachsenhausen. Die Geschichte hat diesen Ort zu einem der traurigsten Orte in Berlin gemacht.

Tatsächlich raubt der Krieg den Menschen die Erinnerung, aber kein Krieg endet mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrages: die Erinnerung steckt weiter tief in den Menschen und die Geschichte lehrt, dass … sie nichts lehrt. Die Deutschen, die für ihre Verherrlichung der Rationalität und der Effektivität bekannt sind, hatten trotz ihrer moralischen Verpflichtung und des Wahrheitsgebots lange keine Vorstellung davon, wie sie der Opfer der Verbrechen würdevoll gedenken wollen. 1953 wurde an einem Wirtschaftsgebäude der Deutschen Bahn, die als Transportunternehmen eine unrühmliche Rolle spielte, eine Gedenktafel angebracht, deren Inschrift konkret und prägnant auf die Naziverbrechen verwies. Es war das einzige öffentliche Ereignis dieser Art im geteilten Berlin des Kalten Krieges, das nur auf zwei offiziellen Fotographien festgehalten wurde; dank der Bemühungen des Aktiven Museums wurden 2016 weitere 25 Fotos eines unbekannten Autors wiederentdeckt. Die Entstehung der Erinnerungsorte in Berlin hat eine lange und turbulente Geschichte.

1987 wurde die zu Beginn der 80er Jahre gestohlene Erinnerungstafel aus dem Jahr 1953 durch eine neue ersetzt, zudem wurde im selben Jahr auf Initiative der evangelischen Gemeinde eine weitere Tafel auf dem Platz vor dem Bahnhofsgebäude enthüllt. Dies waren jedoch immer noch Ersatzhandlungen, die den zunehmenden intensiven Bemühungen um dauerhafte Erinnerungsspuren im öffentlichen Raum der Stadt keine Rechnung trugen. Die Forderungen danach haben nicht nur jahrelang die Angehörigen der Ermordeten gestellt, sie kamen auch von allen Menschen guten Willens, von einflussreichen Politikern wie zum Beispiel Ignatz Bubis, von Intelektuellen wie dem liberalen Rabbiner Walter Rothschild, von Journalisten und Künstlern, darunter Wolf Biermann. Nach vielen Debatten, die nach 1980 heftiger wurden, in Zeiten, in denen die dunkelste Seite der Geschichte andauernd in leere Versprechungen lief, kam es häufig zu scharfen, emotional aufgeladenen Konfrontationen.[2] Ende 1987, Anfang 1988 lobte das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf einen Wettbewerb zur Errichtung eines Mahnmals für die Deportierten aus und vergab schließlich den ersten Preis an das Projekt des Bildhauers Karol Broniatowski und des Architekten Ralf Sroka.

 

[1] Czesław Miłosz, Gedichte 1933-1982. In der Übertragung von Karl Dedecius und Jeannine Łuczak-Wild. Mit einem Nachwort von Aleksander Fiut, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 19952, S. 24, [Anm. d. Übers.]

[2] Antoine Saint-Exupery, Der kleine Prinz.