Józef Piłsudski in deutschen Gefängnissen

Piłsudski und Sosnkowski während der Internierung in der Festung Magdeburg, 1918
Piłsudski und Sosnkowski während der Internierung in der Festung Magdeburg, 1918

Unterdessen wütete auch in Magdeburg schon die Revolution. Die Kommunikation mit anderen Teilen Deutschlands drohte abzureißen. Eile war geboten. Die beiden Polen hatten nur Zeit, das Nötigste mitzunehmen. Ihr restliches Hab und Gut sollte ihnen später nachgeschickt werden (das Manuskript des Buches „Meine ersten Kämpfe" erreichte Piłsudski erst 1924). Die nun befreiten Häftlinge und Graf Kessler wurden von Major Paul van Gülpen, dem damaligen Chef des Transports, mit einem Kraftfahrzeug abgeholt. In seinem 1936 publizierten Bericht über dieses Ereignis verschwieg van Gülpen die Rolle Kesslers mutmaßlich, weil dieser im Dritten Reich nach seinem Gang ins Exil im Jahr 1933 nicht mehr gelitten war oder weil er seine Verdienste in dieser Episode mit der Führungsikone des Nachbarlandes hervorheben wollte. 

In die Festung kam niemand ohne Weiteres hinein, sodass sich eine resolute und mutige Mitarbeiterin als sehr hilfreich erwies, die van Gülpen bei sich hatte. 

„Die Straßen waren voll von einer aufgebrachten Menge“, erinnerte sich van Gülpen. „Die Stenotypistin, die versuchte, das Fahrzeug über die Strombrücke zur Zitadelle zu leiten, brachte ein paar Lappen am Auto an und schrie, als hätte man ihr die Haut abgezogen: Auf Seite, auf Seite! Wir fahren zur Zitadelle, um politische Gefangene zu befreien!“[*]

Die Genehmigung für die Autofahrt von Magdeburg nach Berlin (wegen der Revolution war keine Reise mit dem Zug möglich) erhielt van Gülpen von der Militärbehörde, nachdem er sich akribisch vorbereitet hatte. Er hatte Ersatzräder und Feuerwaffen in seinem Audi dabei, wobei sich vor allem die Ersatzräder bewähren sollten. Die Reisenden mussten oft anhalten und die „Kriegsräder“ wegen ihrer schlechten Qualität wechseln. Van Gülpen erinnerte sich wie folgt:

„Während dieser Fahrt hatte Piłsudski die Gelegenheit, den Glanz und das Elend eines Automobilisten kennenzulernen. Luftreifen gab es damals nur als Surrogate im Land. Es war, wie man sagte, ein Brei aus faulen Kartoffeln, den man in die auf den Felgen montierten Reifen füllte. Solange sie nicht heiß wurden, fuhr es sich sehr angenehm, sobald aber die Geschwindigkeit 40 km/h überschritt, quoll der Brei durch die Hitze, was die Reifen zum Platzen brachte. Das Auto kam sofort zum stehen und auf den letzten zwanzig Metern lagen stinkende Kartoffelpuffer herum. Wenn so ein Unglücksfall mitten in einem Ort geschah, liefen aus allen Richtungen Hunde herbei, warfen sich auf die Küchlein, um nach einer Weile jaulend und mit verbrannten Mäulern davonzulaufen.“[*]

Unterwegs haben die Reisenden morgens in dem kleinen Städtchen Genthin Rast gemacht. In Berlin kamen sie am Abend des 8. November an und hielten kurz bei van Gülpens Wohnung in der Reichstrasse 9. Er bewirtete sie mit Kognak und sie trugen sich in sein Gästebuch ein. Die Ordnung der vornehmen vorrevolutionären Welt, in der die Offiziere, auch unter Feinden, zunächst Gentleman waren, galt hier noch. Danach bezogen die ehemaligen Häftlinge ein Appartement im ersten Stock des luxuriösen Hotels Continental in der Neustädtische Kirchstraße.

 

[*] Ins Deutsche rückübersetzt, da der Originalwortlaut nicht aufzufinden war.

[*] Ins Deutsche rückübersetzt, da der Originalwortlaut nicht aufzufinden war.

Mediathek
  • Flugblatt: Piłsudskis Rückkehr nach Warschau, 1918

    Flugblatt: Piłsudskis Rückkehr nach Warschau, 1918.
  • Józef Piłsudski und Kazimierz Sosnkowski, 1914

    Der Kommandant Józef Piłsudski in Begleitung seines Freundes Kazimierz Sosnkowski in der Zeit vor der Internierung, im Jahre 1914.
  • Flugblatt: Piłsudski erhält Oberbefehl über das polnische Militär, 1918

    Flugblatt: Der Regentschaftsrat überträgt Józef Piłsudski den Oberbefehl über das polnische Militär, 1918.
  • Flugblatt: Piłsudski verbringt seinen Namenstag in einem deutschen Gefängnis, 1918

    Flugblatt: Kommandant Piłsudski verbringt seinen Namenstag in einem deutschen Gefängnis, 1918.
  • Flugblatt, Protest gegen die Internierung von Piłsudski, 1917

    Flugblatt: Am Sonntag, den 29. dieses Monats, versammeln wir uns um 11 Uhr früh vor dem Adam-Mickiewicz-Denkmal, um gegen die rechtswidrige Internierung des Kommandanten Józef Piłsudski sowie des Stab...
  • Titelblatt der Erinnerungen von Józef Piłsudski, 1925

    Titelblatt: Józef Piłsudski, Moje pierwsze boje. Wspomnienia spisane w twierdzy magdeburskiej (Meine ersten Kämpfe. In der Festung Magdeburg niedergeschriebenen Erinnerungen), Warszawa: "Bibljoteka Po...
  • Piłsudski und Sosnkowski während der Internierung in der Festung Magdeburg, 1918

    Józef Piłsudski und Kazimierz Sosnkowski während der Internierung in der Festung Magdeburg, 1918
  • Festungsgefängnis Spandau

    Festungsgefängnis Spandau
  • Das Haupttor der Zitadelle in Wesel

    Das Haupttor der Zitadelle in Wesel von der Stadtseite aus gesehen.
  • Titelseite des „Kurier Warszawski“ vom 10. November 1918

    Titelseite des „Kurier Warszawski“ vom 10. November 1918. Powrót komendanta Piłsudskiego (Die Rückkehr des Kommandanten Piłsudski), Sonderbeilage, Nr. 311, 10.11.1918.
  • Haus in der Festung Magdeburg

    Haus in der Festung Magdeburg, in dem Józef Piłsudski interniert war.
  • Haus in der Festung Magdeburg

    Haus in der Festung Magdeburg, in dem Józef Piłsudski interniert war.
  • Teilansicht der Festung Magdeburg

    Teilansicht der Festung Magdeburg.
  • Übersichtskarte der Festung Magdeburg

    Übersichtskarte der Festung Magdeburg mit dem Haus (rot eingekreist), in dem Józef Piłsudski interniert war.
  • Restaurant Hiller in Berlin

    Restaurant Hiller in Berlin
  • Karikatur des Marschalls Józef Piłsudski, 1927

    In: Gustaw Rogalski, Album karykatur 1914-1928 Marszałka J. Piłsudskiego: na pamiątkę dziesięciolecia 1918-1928 niepodległości Polski (Karikaturen-Album des Marschalls J. Piłsudski 1914-1928. Zum Ande...
  • Haus in der Festung Magdeburg

    Haus in der Festung Magdeburg, in dem Józef Piłsudski interniert war.
  • Das Haus auf dem Gelände der Magdeburger Zitadelle

    Das Haus auf dem Gelände der Magdeburger Zitadelle.
  • Das Haus auf dem Gelände der Magdeburger Zitadelle

    Das Haus auf dem Gelände der Magdeburger Zitadelle.
  • Das Haus auf dem Gelände der Magdeburger Zitadelle

    Das Haus auf dem Gelände der Magdeburger Zitadelle.
  • Das Haus auf dem Geländer der Magdeburger Zitadelle

    Das Haus auf dem Geländer der Magdeburger Zitadelle.
  • Innenansicht des Hauses in Magdeburg

    Innenansicht des Hauses in Magdeburg, in dem Józef Piłsudski interniert war.
  • Innenansicht des Hauses in Magdeburg

    Innenansicht des Hauses in Magdeburg.
  • Polnische Gäste am Haus in Magdeburg, in dem Piłsudski interniert war.

    Polnische Gäste am Haus in Magdeburg, in dem Piłsudski interniert war.
  • Polnische Gäste am Haus in Magdeburg, in dem Piłsudski interniert war.

    Polnische Gäste am Haus in Magdeburg, in dem Piłsudski interniert war.
  • Polnische Gäste am Haus in Magdeburg, in dem Piłsudski interniert war.

    Polnische Gäste am Haus in Magdeburg, in dem Piłsudski interniert war.
  • Urkunde zur Übergabe des Piłsudski-Hauses, 1937

    Urkunde zur Übergabe des Piłsudski-Hauses, 1937.
  • Abriss des Piłsudski-Hauses

    Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg
  • Abriss des Piłsudski-Hauses

    Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg.
  • Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg

    Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg.
  • Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg

    Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg.
  • Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg

    Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg.
  • Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg

    Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg.
  • Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg

    Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg.
  • Demolition of the house where Józef Piłsudski was interned

    Demolition of the house where Józef Piłsudski was interned.
  • Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg

    Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg.
  • Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg

    Abriss des Piłsudski-Hauses in Magdeburg.
  • Das Magdeburger Haus im Park des Belvedere in Warschau, 1939

    Das Magdeburger Haus im Park des Belvedere in Warschau, in dem Józef Piłsudski interniert war, 1939.
  • Heutiges Gelände der Zitadelle in Magdeburg

    Heutiges Gelände der Zitadelle in Magdeburg
  • Heutiges Gelände der Zitadelle in Magdeburg

    Heutiges Gelände der Zitadelle in Magdeburg
  • Heutiges Gelände der Zitadelle in Magdeburg

    Heutiges Gelände der Zitadelle in Magdeburg
  • Heutiges Gelände der Zitadelle in Magdeburg

    Heutiges Gelände der Zitadelle in Magdeburg
  • Heutiges Gelände der Zitadelle in Magdeburg

    Heutiges Gelände der Zitadelle in Magdeburg
  • Auf dem Weg von Magdeburg nach Berlin machten die Reisenden eine kurze Rast in der Stadt Genthin für ein Frühstück.

    Auf dem Weg von Magdeburg nach Berlin machten die Reisenden eine kurze Rast in der Stadt Genthin für ein Frühstück.
  • Gedenktafel an der ersten Wohnstätte in Warschau

    Gedenktafel an der ersten Wohnstätte in Warschau ab 10. November 1918
  • Gedenktafel an der ersten Wohnstätte in Warschau

    Gedenktafel an der ersten Wohnstätte in Warschau ab 10. November 1918
  • Józef Piłsudski - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.
  • „Drei Tage im November. Józef Piłsudski und die polnische Unabhängigkeit 1918“

    Von Magdeburg in die Unabhängigkeit Polens - ein Film über einen polnischen Mythos.