Aleksander Brückner

Aleksander Brückner
Aleksander Brückner

Nur noch wenige Gräber gibt es heute auf dem „Tempelhofer Parkfriedhof“. In ein paar Jahren wird er den „Friedhof“ im Namen verlieren und zum schlichten „Tempelhofer Park“ werden. Unter den noch verbliebenen Grabsteinen ist einer, dessen Inschrift auf deutsch und auf polnisch verfasst ist. Er gehört zu dem Grab des berühmten polnischen Professors der Berliner Universität, dem führenden Slawisten seiner Zeit und einem der letzten wahren Humanisten - Aleksander Brückner.

Aleksander Brückner wurde 1856 in Brzeżany bei Tarnopol im habsburgischen Galizien geboren. Seine deutsche Familie lebte dort seit Generationen und war polonisiert. Aleksander war ein kluger Junge, der gern und viel lernte. Das Gymnasium in Lemberg (Lwiw) beendete er mit Auszeichnung. In Lemberg (Lwiw) studierte er Slawistik, sein Studium setzte er in Leipzig und Berlin fort. 1876 promovierte Brückner in Wien mit der Arbeit  „Die slawischen Fremdwörter im Litauischen“. 1878 habilitierte er in Leipzig mit der Studie „Die slawischen Ansiedelungen in der Altmark und im Magdeburgischen“.

Aleksander Brückner muss einen großen Eindruck auf den Professor der Berliner Universität Vatroslav Jagić, einem der bedeutendsten Slawisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, gemacht haben. Denn nach kurzer Tätigkeit als Privatdozent in Lemberg (Lwiw) holte Vatroslav Jagić den gerade 25-jährigen Aleksander Brückner als seinen Nachfolger 1881 nach Berlin. Vatroslav Jagić irrte sich nicht und Aleksander Brückner verspielte das ihm entgegengebrachte Vertrauen nicht. Mit Aleksander Brückner gewann die Berliner Universität einen der besten Gelehrten seines Faches. Eifrig forschte und lehrte Aleksander Brückner insgesamt 44 Jahre an der Universität in Berlin. Neben der Slawischen Philologie war er ein ausgezeichneter Kenner der Literatur, Kulturgeschichte, Folklore, der slawischen Mythologie und der vorchristlichen Religionen. Auch nach seiner beruflich aktiven Zeit blieb er in Berlin und war nach wie vor für die Wissenschaft tätig. Er schrieb insgesamt über 1800 Publikationen. Zu den wichtigsten gehören „Das etymologische Wörterbuch der polnischen Sprache“ (1927), „Die slawischen Fremdwörter im Litauischen“(1877), „Randglossen zur kaschubischen Frage“ (1899), „Geschichte der russischen Literatur“(1905), „Russische Literaturgeschichte“(1919), „Polnische Literaturgeschichte“(1920), „Geschichte der polnischen Literatur“(1922) und „Slawische Mythologie“(1924).

In seinem unermüdlichen Drang nach neuen Erkenntnissen unternahm er viele Reisen zu vielen Bildungszentren Europas. In der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg fand er in dem Einband eines mittelalterlichen Kodexes die so genannten „Heiligkreuzer Predigten“, die aus dem 13. oder 14. Jahrhundert stammen und die ältesten bekannten Prosaschriften in polnischer Sprache darstellen. Dank Aleksander Brückner konnten sie für die Nachwelt gerettet werden.

Aleksander Brückner, der als Eigenbrötler galt, genoss unter seinen Kollegen hohes Ansehen. Er war Mitglied der „Polnischen Akademie der Gelehrsamkeit“ in Krakau, der „Russischen Akademie der Wissenschaften“ in St. Petersburg und der „Gesellschaft der Wissenschaften“ in Lemberg (Lwiw). Er wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet und bekam 1935 auch den Ehrendoktor der Warschauer Universität.

Aleksander Brückner definierte sich als Pole und unterstrich das auch oft in verschiedenen Situationen. Dennoch war er ein entschiedener Gegner der Idealisierung der polnischen Geschichte zu einer nur ruhmreichen und heldenhaften Erzählung. Andererseits war Brückner auch ein loyaler deutscher Beamter. So lobte er die deutsch-polnische Symbiose in den bei der Teilung Polens von Preußen annektierten polnischen Gebieten.

Am 24. Mai 1939 starb Aleksander Brückner im Alter von 83 Jahren in Berlin. Auf Wunsch seiner Ehefrau Emma Brückner wurde er in Berlin, auf dem Tempelhofer Parkfriedhof, beigesetzt. Nach dem Ablauf der Ehrenpatenschaft des Berliner Senats über das Grab von Aleksander Brückner (2012), bemühen sich nun private Initiativen, sowie die polnische und deutsche Diplomatie um eine dauerhafte Lösung für die Grab- und Gedenkstätte des wohl größten polnischen Slawisten in Berlin.

Das Grab von Aleksander Brückner befindet sich heute (03/2014) auf dem Tempelhofer Parkfriedhof in der Gottlieb-Dunkel-Straße 26–27, Abteil 34, Quartal 44/45. Der Tempelhofer Parkfriedhof schließt endgültig 2027.

 

Adam Gusowski, März 2014

 

Red. Hinweis: 
Im Jahr 2023 wurden die sterblichen Überreste von Aleksander Brückner exhumiert und auf dem Rakowicki-Friedhof in Krakau beigesetzt.

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  • Das Ehrengrab Aleksander Brückners

    Tempelhofer Parkfriedhof. Im Jahr 2023 wurden seine sterblichen Überreste exhumiert und auf dem Rakowicki-Friedhof in Krakau beigesetzt.
  • „Heiligkreuzer Predigten“

    Fragment, entdeckt von Aleksander Brückner in der Nationalbibliothek in St. Petersburg
  • Aleksander Brückner - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.