Józef Piłsudski in deutschen Gefängnissen
Magdeburg, 23. August 1917 – 08. November 1918
Am 23. August 1917 wurde Piłsudski nach Magdeburg verlegt und dort in einem einstöckigen Holzhäuschen mit einem kleinen Garten untergebracht. Das Haus wurde nach der Zerstörung der Festung auf Beschluss der Stadt nach Polen übergeben, wo man es im Park am Belvedere in Warschau neu aufgebaut hat. Obwohl es den Krieg also überstand, verfiel es dort später zunehmend.
Die Aufenthaltsbedingungen waren hier viel besser als in der Spandauer Festung. Piłsudski bezog die erste Etage, in der ihm zwei Räume zur Verfügung standen. Rasch legte er sich einen geordneten Tagesablauf zu, auch wenn er nicht viele Möglichkeiten hatte, seine Zeit aktiv zu gestalten. Seinen Alltag beschrieb er nicht ohne Ironie in einem Brief an seine Familie wie folgt:
„Ich stehe um 7.30 Uhr auf, um 8.00 Uhr frühstücke ich, um 9.00 Uhr gehe ich in den Garten spazieren. Ich bin an keine Zeiten gebunden und bestimme meine Zeit an der frischen Luft selbst. Gewöhnlich bin ich zwei bis zweieinhalb Stunden draußen, sodass ich nach elf Uhr wieder in meiner Zelle bin, wo ich bis mittags Zeitung und Bücher lese. Von letzteren habe ich nicht sehr viele. Um 12.30 Uhr gibt es Mittagessen, ein relativ üppiges, üppiger jedenfalls als das, was ich in Warschau bekam. Nach dem Mittagsessen folgt die angenehmste Zeit: ich trinke meinen eigenen Tee, den ich mir brühe, dies ist der wärmste Augenblick in dem Zimmer [es war Dezember und die Zelle erwärmte sich nur kurz, danach kehrte die durchdringende Kälte wieder zurück], also gerate ich ins Träumen. Bei einer Zigarette und einem guten Tee schweifen die Gedanken bald und weit ab. Da ein solcher Zustand, hielte er eine längere Zeit an, ungesund ist, gehe ich zu dem ernsthafterem Teil des Tages über: zu den Schachstudien, die mich einige Stunden in Anspruch nehmen. In der Dämmerung gehe ich im Zimmer auf und ab und wenn das elektrische Licht angeht, höre ich mit dem Schach auf, um zu lesen und zu schreiben. Um halb sieben kommt das Abendebrot, nicht mal ein schlechtes. Danach arbeite ich nicht mehr, um die Augen zu schonen, sondern lege mit verschiedenen Intentionen unzählige Patiencen. Diese edle Beschäftigung unterbreche ich häufiger, um mir im Zimmer die Beine zu vertreten. Um zehn Uhr abends gehe ich zu Bett. Ich schlafe leicht ein und so beende ich meinen arbeitsreichen Tag.“
1918 wurde dem Gefangenen Ausgang in die Stadt gewährt, um in Begleitung eines Wachmannes einen Arzt aufzusuchen. Piłsudski litt an Herzschmerzen und Rheuma. In seinen Briefen beklagte er sich auch über seine schlechte psychische Verfassung, eine Folge des Nichtstuns und der Isolation. Mitglieder seiner Familie konnten ihn nicht besuchen, da ihnen die Behörden die Reisegenehmigung verwehrten. In der Internierung erfuhr Piłsudski von der Geburt seiner Tochter Wanda, allerdings erst nach einiger Zeit, da ihm das Telegramm bewusst vorenthalten wurde. Der Mutter des Kindes, seiner späteren Ehefrau Aleksandra Szczerbińska, schrieb er oft. Nach seiner Entlassung stellte sich dann heraus, dass sie nur einige dieser Briefe erhalten hatte. Ihre Lebensumstände waren im Übrigen schwer. Sie arbeitete in der Verwaltung eines Betriebs, der Gemüse trocknete, und hatte dort schon wenige Tage nach der Geburt wieder zur Arbeit zu erscheinen: