Andrzej Nowacki. Erkundung des Quadrats
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Raum 2: Lyrik der Farben
In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zeichnet sich allmählich eine wesentliche Veränderung im Inneren des Reliefs ab. Die Vielfalt der tanzenden Figuren auf der quadratischen Bildfläche wird reduzierter, der pulsierende Rhythmus ruhiger, die Farben wirken oft samtweich und gedämpft. Mit der Zeit weicht die diagonale Ausrichtung einer senkrecht angelegten Ordnung, als richteten sich die Reliefs innerlich auf. Das Geschehen konzentriert sich nach und nach um die vertikale Mittelachse – ein neues und wichtiges Element des Bildaufbaus. Parallel gebündelt durchziehen senkrechte, seltener waagerechte, Linien das Quadrat. Von den geometrischen Formen bleibt lediglich das verkleinerte, zuweilen geradezu miniaturisierte Quadrat (seltener ein Kreis), als wäre es zu einem dezenten Punkt, ja zu einem Farbtupfer zusammengeschrumpft. (Abb. 07, 08, 09, 10, 11) Die Bilder werden auch nicht mehr betitelt; als eine Art Signatur bekommen sie das jeweilige Datum. Sie seien wie Blätter aus einem Tagebuch, die die momentane emotionale Lage und den Verdichtungsgrad der Energie festhalten, meint der Künstler. So verfährt er konsequent bis heute.
Im Katalog zur zweiten Krakauer Ausstellung 2002 heißt es: „Nowacki vertraut auf Intuition. Er fühlt sich frei, was paradoxerweise mit der fast radikalen Reduzierung von Formen und Farben einhergeht. Nun ändert sich auch die Rolle der Holzleisten, die auf die Bildfläche gelegt werden. Sie grenzen die Farbfelder voneinander nicht mehr ab, sondern werden – vor dem monochromen Hintergrund situiert und unabhängig geworden – allmählich zum wichtigsten Element der Bildkomposition.“[3] Im nächsten Katalog, ein Jahr später, lesen wir: „Bei aller Beschränkung des Formenrepertoires auf zwei Grundelemente, das Quadrat und die vertikale gerade Linie, erzeugt die Verbindung der beiden aus ihnen gebildeten konträren Symmetrieformen eine bildimmanente Spannung und Bewegtheit, die sich dem Betrachter über die Empfindung seiner eigenen Körpersymmetrie und körperlichen Bewegungswahrnehmung erschließt. Vor allem die 2001 entstandenen Reliefs mit optisch ausgeprägter, ja dominierender Mittelachse folgen der bilateralen Symmetrie des menschlichen Körperbaus. Indem sie diese Symmetrieachse dem Quadrat einbeschreiben, erzeugen sie auf abstrakte Weise denselben Eindruck wie Leonardo da Vincis berühmte Proportionsskizze des menschlichen Körpers, den er einem punktsymmetrisch angelegten Kreis und Quadrat eingezeichnet hat.“[4]
[3] Bożena Kowalska, Andrzeja Nowackiego geometria sterowana emocją, in: Ausstellungskatalog, Andrzej Nowacki, Po drugiej stronie kwadratu, Międzynarodowe Centrum Kultury, Kraków 2002.
[4] Hubertus Gaßner, Rhythmus und Resonanz, in: Ausstellungskatalog, Andrzej Nowacki, Im Quadrat. Die inneren Klänge einer geometrischen Welt, Rochow Museum, Reckahn 2003, S. 10.