Marek Radke
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Überprüft man nun die Forderungen der Komposition nach Gewichtung, nach den Vorgaben des Goldenen Schnitts, nach Verankerung der Elemente in der Fläche, nach der Korrespondenz der Farben untereinander, der warmen, der kalten, der bewussten Dissonanzen oder Harmonien, dann unterscheiden sich die ersten konstruktiven Arbeiten nicht von ihren figürlichen Vorläufern. Allerdings verzichten sie nun auf benennbare Dinglichkeit. Sie bevorzugen ab jetzt einen minimalistischen Formenkanon. Linien, Rechtecke und Kreise stehen im Mittelpunkt. Ohne die Unterstützung von aufgestülpter Bedeutung sind sie allein auf sich gestellt, bilden Fläche und werden Bild, aber nur, weil eine tragfähige Konstruktion zu Grunde liegt.
Es ist dies die erste Zäsur im Schaffen Radkes, die er meistert und zwar glaubwürdig durch eine persönliche Entwicklung, die trotz des erratischen Blocks an herausragender konstruktiver Malerei innerhalb der künstlerischen Moderne des vergangenen Jahrhunderts einen eigenen Ausdruck findet. Ich muss in diesem Zusammenhang immer an das wunderbare Kleebild denken mit dem Titel „Hauptweg und Nebenwege“. Darauf wird die Differenzierung der Nuancen zum Fest vieler Möglichkeiten, zu einer Topographie des Schöpferischen schlechthin, wie sie auch für die Gesamtheit der konstruktiven Kunst gelten kann.
Sehr früh entschließt sich Marek Radke in einem neuen Entwicklungsschub die Umfassungslinien der geometrischen Figuren gleichsam nach außen zu schieben und sie als Grenzen von Flächen einzurichten, die von monochromer Farbe besetzt sind, also zu einem roten Kreis werden, einem orangenen Rechteck, einem blauen Quadrat. Form und Farbe gehen eine Einheit ein und streiten zugleich um die Deutungshoheit im Bild. Diese Spannung um die beiden alleinigen Bildgrößen nutzt Radke zu sehr konkreten Flächenkompositionen, die er als intellektuelle Spielräume für das Auge einrichtet.
Er erfindet eine Vielzahl von raffinierten Spielzügen aus Farbsetzungen und formalen Herausforderungen und fügt in der Folge ein Drittes hinzu. Er macht die Zeichen des Werdens sichtbar, die Spur des Pinsels und der Hände. Er hebt die Strenge der Form durch die Gestik der Struktur auf, bzw. setzt eins gegen das andere und erzielt eine Summe mit wechselnden Vorzeichen. Intellekt begegnet Emotion, Geometrie trifft Rhythmik, Statik und Dynamik sind in fruchtbarer Balance. Das ist auch ein Grund dafür, warum man bei Radkes Arbeiten zwar von minimalistischen Mitteln, aber niemals von Minimal Art sprechen kann, auch wenn seine Raumbilder in seriellen Reihen und mit den sogenannten Modulen in die Nähe von digital generierten Zeichen gerückt werden können. Der homo ludens experimentiert, und die Grenzen von Schein und Sein werden fließend.