Henryk Nazarczuk: Polnische Kriegsgräber in Deutschland. Eine Topographie des Todes

Deutschlandkarte mit der Topographie des Todes
Deutschlandkarte mit der Topographie des Todes (per Hand aufgeklebte Punkte im Zeitraum ca. 1985-2017)

Die Dokumentation der polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs war im Begriff zu entstehen und zwar der Opfer, die in Deutschland in den Grenzen nach dem 8. Mai 1945 verstarben oder ermordet und bestattet wurden, darunter die während des Polenfeldzugs im September 1939 in Kriegsgefangenschaft geratenen Soldaten, Häftlinge der Konzentrationslager, die Zwangsarbeiter, die Soldaten, die auf Seiten der Alliierten kämpften, festgesetzte Soldaten des Warschauer Aufstands 1944, Soldaten der Polnischen Volksarmee sowie polnische Frauen und Männer, die nach Beendigung der Kriegshandlungen in den Lagern der Alliierten für die „Displaced Persons“ (DPs) zu Tode kamen.

Geordnet nach Ländern und Themen entstand eine Dokumentation, die jeweils aus einem Text, einem eingeklebten - damals noch analogen - Foto, einem auf eine Landkarte geklebten Ortungspunkt, einer Folie und einem Schnellhefter bestand. Die Zahl der Schnellhefter wuchs rasch. Nach vielen Jahren bekam ich von dem in Hamburg eingerichteten Generalkonsulat der Republik Polen die Gelegenheit, mich im Rahmen der dort ausgerichteten Treffen der in Deutschland lebenden Polen vorzustellen und mit den Regierungsvertretern der Republik Polen über mein „Hobby” zu sprechen. Dabei kam ich zu Rada Ochrony Pamięci Walk i Męczeństwa (Rat zur Bewahrung des Gedenkens an Kampf und Martyrium). Dem Rat und dem Konsulat stellte ich von nun an regelmäßig aktualisierte Dokumentationen in Papierform zu Verfügung. Im Gegenzug wurden mir von Zeit zu Zeit verwertbare Informationen zugetragen. Man habe mir auch versichert, ich sei ein Patriot.

1994 schlug mir der Generalsekretär des Rates, der mittlerweile verstorbene Andrzej Przewoźnik, vor, mein Interesse auf die Ruhestätten der Soldaten der 1. Polnischen Panzerdivision von General Stanisław Maczek auszuweiten, die im Emsland, also im Westen Deutschlands, verstreut waren. Einige der Friedhöfe mit den Gräbern „der Maczeks” waren mir schon bekannt, da auch das Emsland zu den Einsatzorten der Firma gehörte, für die ich beruflich tätig war. Diesen Vorschlag, eine Dokumentation der Gräber von Soldaten der PPD anzulegen, nahm ich an. Nachdem ich das Informationsmaterial dann mit Hilfe des Generalkonsulats der RP in Hamburg zusammen hatte, dachte ich „jetzt habe ich richtig was zu tun”. Das Ganze dauerte insgesamt vier Jahre. Die fertige Dokumentation, die sich auf die Zahl der Gräber, auf ihren Erhaltungszustand sowie auf Empfehlungen unter anderem für die deutschen Behörden und das Konsulat bezog, erschien im Bulletin des Rates „Przeszłość i Pamięć” (Vergangenheit und Gedenken), Nummer 1 (6), 1998. Diese für mich bereits historische, etwas altertümliche Papierdokumentation bugsierte ich nun in Richtung der Technologie, die sich als modernes Wunder herausstellte und meinen bisherigen Möglichkeiten um Lichtjahre voraus war. Ich meine das Internet. Ich habe sie unter dem Link „1 Polska Dywizja Pancerna” (1. Polnische Panzerdivision) eingepflegt. 18 Jahre später werde ich sie um Angaben ergänzen, die darüber informieren, was von meinen Empfehlungen und Anregungen umgesetzt wurde. Gerne wüsste ich, wo dieses „Papierrelikt” nach der sogenannten „dobra zmiana” (Veränderung zum Guten)[6] verblieben ist. Seine Bestimmung sowie auch der Rat und das Instytut Pamięci Narodowej (Institut des Nationalen Gedenkens) sind der patriotischen Aufgeblasenheit zum Opfer gefallen.

 

[6] Wahlspruch der polnischen Regierung, die seit November 2015 die Geschicke des Landes bestimmt.

Mediathek
  • Deutschlandkarte mit der Topographie des Todes

    Per Hand eingeklebte Punkte im Zeitraum ca. 1985-2017
  • Henryk Nazarczuk

    Vor seiner Deutschlandkarte mit den Eintragungen der polnischen Kriegsgräber
  • Das erste von Tausenden Gräbern, die er dokumentierte

    Keine Angabe zum Ort
  • Lagerfriedhof in Husum-Schwesing

    KZ-Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme
  • Namenlose Grabstätte für polnische, russische und ukrainische Kinder in Hannover

    Gedenkort auf dem Friedhof Hannover-Seelhorst.
  • Gedenkort auf dem Friedhof Hannover-Seelhorst

    Sicht von der gegenüberliegenden Seite
  • Autoatlas mit Eintragungen der Gräber von Henryk Nazarczuk

    Mit Markierungen aus dem Zeitraum ca. 1985-2017
  • Materialsammlung zum Atlas der Gräber von Henryk Nazarczuk

    Handschriftliche Notizen, kopierte Quellen und Karten. Deutsch und Polnisch.
  • Henryk Nazarczuk - Video besuchter Friedhöfe

    Entstehungszeitraum unbekannt. Veröffentlicht auf Porta Polonicum mit der Genehmigung von Henryk Nazarczuk
  • Henryk Nazarczuk, 2016

    Henryk Nazarczuk in Hannover, 2016