Henryk Nazarczuk: Polnische Kriegsgräber in Deutschland. Eine Topographie des Todes
2005 haben sich Journalisten der Zeitung „Rzeczpospolita” und des Radiosenders „Zet” zur Suche nach dem Grab eines in Essen verstorbenen Aufständischen hinzugesellt. Nach der Veröffentlichung einiger Artikel, ergriffen diejenigen das Wort, die es schon mindestens zehn Jahren früher hätten ergreifen sollen. Zu lesen war: „Wir wussten nichts von dieser Situation und dass es so viele sind”, wie jemand der „Rzeczpospolita” ehrlich sagte, jemand, der dies in erster Linie gewusst haben müsste. Ein Feuerwerk der Ideen entzündete sich: „...wir rufen eine Kommission ins Leben, wir schicken Soldaten und Pfadfinder dorthin, wir stellen Kreuze überall dort auf, wo es möglich sein wird, wir feuern die polnische Diaspora mit höheren finanziellen Zuwendungen an und am besten wäre...“ usw. („Rzeczpospolita”, August 2006).
Die Gräber der Soldaten des Warschauer Aufstands machen nur einen geringen, für mich allerdings den besonders schmerzhaften Teil der gesamten Dokumentation aus. Der Kampf um den verschwundenen Friedhof mit den Gräbern der Aufständischen in Altengrabow, der Mitte der neunziger Jahre begann, ist zwar noch nicht ganz verloren, doch ich bin machtlos angesichts der Realität, dass es einen Friedhof gab und dass es ihn nicht mehr gibt. Hierzu erinnere ich mich an ein Fragment des Gedichtes, das ein junger Aufständischer kurz vor der Kapitulation schrieb (dieses Zitat führe ich auch in meiner Dokumentation im Internet an):
„A historia okłamie nas jutro,
groby nasze wyrówna ktoś obcy... ”[Und die Geschichte lügt uns morgen an,
Fremde ebnen unsere Gräber ein...]
Jetzt, nach dem ich 2016 von „Porta Polonica” den Vorschlag zur Zusammenarbeit bekam, sitze ich etwas „verschreckt” vor meinem Computer, da sich in 30 Jahren sehr viel angesammelt hat. Die ursprüngliche Sammlung von Informationen über die polnischen Kriegsgräber, die wir später als „Dokumentation” bezeichnet haben, entstand dank der Gräber, die ich außerhalb meiner Berufstätigkeit zufällig entdeckte. Sie hat sich dann auf Grund bei Behörden, Organisationen und Verlagen eingeholter Informationen über Standorte, Zahlen und Zustände der Gräber sowie auf Grund von Mitteilungen von Menschen, die uns oft Fotos von einem Friedhof schickten und dazu schrieben: „wir haben einen Spaziergang gemacht und den örtlichen Friedhof besucht, wo wir polnische Kriegsgräber fanden“ weiter entwickelt. Oft hieß es auch: „Wir haben die Fotos, die wir ihnen schicken, gemacht, weil sie Ihnen vielleicht nützlich sein können.” Ja, sie sind sehr nützlich und inzwischen verfüge ich über einen staatlichen Kreis von Briefpartnern. So erreichen mich auch Informationen von Menschen, die mich einmal um Hilfe bei der Suche nach einem Grab oder nach Informationen über die Umstände des Todes eines nahen oder ferneren Verwandten baten. Ich habe hunderte von Briefen beantwortet und unzählige positive Erlebnisse auf der Habenseite verbucht, darunter gefundene Gräber, wie die der Soldaten des Warschauer Aufstands, aber auch Danksagungen mit dem Tenor: ”...wir danken Ihnen dafür, dass Sie in unserer Familie zu einer historische Ordnung verholfen haben”.