Von polnischen Kumpels, „Polenzechen“ und „Ostarbeitern“ – Ein Blick auf 100 Jahre polnische Arbeitsgeschichte in Bochum (1871–1973)

Aufschrift „Bank Robotników e.G.m.b.H. “ (Polnische Arbeiterbank) in der Straße Am Kortländer
Aufschrift „Bank Robotników e.G.m.b.H. “ (Polnische Arbeiterbank) in der Straße Am Kortländer

Einleitung
 

„Vor Arbeit ganz grau“ ist die Stadt „tief im Westen“, wie es in dem Kultsong Bochum des Sängers Herbert Grönemeyer heißt, heute schon lange nicht mehr. Dennoch bleibt der Bergbau und der damit einhergehende wirtschaftliche sowie demografische Wandel ein tief prägendes Kapitel der Bochumer Geschichte. Mit der sich rasch entwickelnden Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im damals noch unter dem Namen „Rheinisch-Westfälisches Industriegebiet“ bekannten heutigen Ruhrgebiet begann aber auch ein wichtiger Abschnitt der polnischen Ost-West-Binnenmigration innerhalb des Deutschen Reiches. Die unter dem Begriff „Ruhrpolen“ zusammengefasste Bevölkerungsgruppe preußischer Staatsangehöriger polnischer Sprache migrierte in großer Zahl aus den damaligen preußischen Ostgebieten in das heutige Ruhrgebiet, um vorwiegend im Bergbau tätig zu werden.

Dass Bochum einst Zentrum des kulturellen Lebens dieser polnischen Arbeitskräfte gewesen ist, lässt sich noch an einigen wenigen Orten in der Stadt erkennen: In der Straße Am Kortländer weist eine verwitterte Aufschrift einer Wandfassade auf die ehemalige Existenz einer polnischen Arbeiterbank hin (siehe Bild 1 & 2), im Bochumer Stadtteil Dahlhausen erinnert eine Informationstafel an die polnischen Erwerbsmigrantinnen und Erwerbsmigranten und deren facettenreiches Vereinswesen in der Zeit des Kaiserreichs (siehe Bild 3) und in der St. Joseph Kirche betreibt die polnische katholische Mission in Bochum bis heute Seelsorge für die polnischsprachige katholische Gemeinde in der Gegend, inklusive regelmäßiger Messen (siehe Bild 4 & 5). Doch die polnischen Arbeitskräfte waren nicht nur während der Industrialisierung in Bochum und im Ruhrgebiet präsent: Sie blieben viele weitere Jahrzehnte im Deutschen Reich, erlebten die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte unter anderem als Zwangsarbeitende während der beiden Weltkriege und waren auch in der Nachkriegszeit in verschiedenen Bereichen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland tätig. Bis heute sind sie ein fester Bestandteil der deutschen Diversitätsgesellschaft.

Wie gestaltete sich die polnische Arbeitsgeschichte in Bochum und welchen Wandel durchlebte sie im Laufe der Jahrzehnte? Diese Frage ist Gegenstand des folgenden Beitrags, der, anlässlich des 700-jährigen Stadtjubiläums, auf einen Zeitraum von etwa 100 Jahren – ab dem Beginn der ruhrpolnischen Migration seit der Kaiserreichsgründung 1871 bis zur Schließung der letzten Bochumer Zeche 1973 – zurückblickt.

 

Mediathek
  • Bild 1: „Bank Robotników“

    Aufschrift „Bank Robotników e.G.m.b.H.“ (Polnische Arbeiterbank) in der Straße Am Kortländer
  • Bild 2: Nahaufnahme der Aufschrift „Bank Robotników“

    Nahaufnahme der Aufschrift „Bank Robotników e.G.m.b.H.“ (Polnische Arbeiterbank) in der Straße Am Kortländer
  • Bild 3: Informationstafel zur Erwerbsmigration im Kaiserreich

    Informationstafel der Stadt Bochum zur Erwerbsmigration im Kaiserreich mit einem Bild des polnischen Vereins Heiliger Josef im Stadtteil Dahlhausen
  • Bild 4: St. Joseph Kirche an der Stühmeyerstraße

    St. Joseph Kirche an der Stühmeyerstraße
  • Bild 5: Kruzifix mit polnischer Inschrift

    Kruzifix mit polnischer Inschrift vor der St. Joseph Kirche an der Stühmeyerstraße
  • Bild 6: Gußstahlglocke des Bochumer Vereins für die Weltausstellung in Paris 1867

    Gußstahlglocke des Bochumer Vereins für die Weltausstellung in Paris 1867 am Willy-Brandt-Platz vor dem Bochumer Rathaus
  • Bild 7: Fotografie einer Kundgebung auf der Zeche Hannibal, 1943

    Fotografie einer Kundgebung auf der Zeche Hannibal in Bochum aus dem Jahre 1943
  • Bild 8: Barackensiedlung ehemaliger Zwangsarbeitender

    Barackensiedlung ehemaliger Zwangsarbeitender während des Zweiten Weltkrieges im Stadtteil Bergen an der Bergener Straße
  • Bild 9: Barackensiedlung ehemaliger Zwangsarbeitender

    Barackensiedlung ehemaliger Zwangsarbeitender während des Zweiten Weltkrieges im Stadtteil Bergen an der Bergener Straße
  • Bild 10: Stolperschwelle

    Stolperschwelle zur Erinnerung an das KZ-Außenlager an der Kreuzung Kohlenstraße Höhe Obere Stahlindustrie
  • Bild 11: Kolonie Dahlhauser Heide

    Kolonie Dahlhauser Heide im Bochumer Stadtteil Hordel
  • Bild 12: Gestiftete Seilscheibe in der Kolonie Dahlhauser Heide

    Eine von der IGBE-Ortsgruppe Oberhordel und dem Förderverein Hannover zur Erinnerung an den Bergbau in Hordel gestiftete Seilscheibe in der Kolonie Dahlhauser Heide
  • Bild 13: Arbeiterhäuser

    Am Rübenkamp 4 – Sitz der Dokumentationsstelle zur Kultur und Geschichte der Polen in Deutschland Porta Polonica
  • Bild 14: LWL-Industriemuseum Zeche Hannover

    Malakowturm mit angrenzender Maschinenhalle der Zeche Hannover / LWL-Industriemuseum im Bochumer Stadtteil Hordel
  • Bild 15: Ehemaliges KZ-Außenlager an der Brüllstraße

    Ehemaliges KZ-Außenlager an der Brüllstraße in Bochum, Aufnahme vom 19. Juni 1950.
  • Bild 16: Ehemaliges KZ-Außenlager an der Brüllstraße

    Ehemaliges KZ-Außenlager an der Brüllstraße in Bochum, 1954.
  • Bild 17: Ehemaliges KZ-Außenlager an der Brüllstraße

    Ehemaliges KZ-Außenlager an der Brüllstraße in Bochum. Aufnahme vom 05. Februar 1954.
  • Schriftzug Bank „Robotników eGmbH”, Dom Polski in Bochum

    Der verblichene Schriftzug Bank „Robotników eGmbH” erinnert an die Vergangenheit des Viertels als Zentrum polnischer Institutionen im Ruhrgebiet.
  • Schriftzug Bank „Robotników eGmbH”

    Der verblichene Schriftzug Bank „Robotników eGmbH” erinnert an die Vergangenheit des Viertels als Zentrum polnischer Institutionen im Ruhrgebiet.