Auf den Spuren der Kunst nach dem Schrecken von Auschwitz. Nachbericht einer Studienfahrt.

Im Anschluss geht es für die Teilnehmenden auf das Gelände des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau/Państwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau (PMO). Dort durchlaufen sie im Rahmen der Führung die Ausstellung: Dabei geht es nicht nur inhaltlich durch die Lagergeschichte, sondern auch räumlich einmal quer über das Areal. Die roten Backsteinbauten der Baracken leuchten in der Nachmittagssonne – es ist ein merkwürdiger Gegensatz zu der hier ereigneten und gezeigten Geschichte. Die Räume sind jeweils mit verschiedenen Besuchergruppen gefüllt. Zu den „Höhepunkten“ gehören die Räume mit den Sammlungen der persönlichen Gegenstände der Inhaftierten, die ihnen bei ihrer Ankunft in dem Konzentrationslager abgenommen wurden. Die Berge an Koffern, Schuhen oder Kämmen, teilweise beschriftet mit den Namen ihrer Inhaber, treffen die Teilnehmenden auf emotionaler Ebene. Besonders eindrücklich sind die geschorenen Haare der Inhaftierten, die als ein schier endlos scheinender Haufen als Exponat ausgestellt werden.
Weitere Punkte sind das Krematorium und der Block 11 (der Todesblock). Die Spuren der Inhaftierten finden sich in den fotografischen Portraits, in Zeichnungen, ihren Gegenständen.
Anders als die Führung auf dem Gelände im Stammlager Auschwitz gestaltet sich die Tour im drei Kilometer entfernten Birkenau. Gegen die engen Gassen und die aneinander gereihten Backsteinbaracken wirkt die Fläche von Birkenau umso riesiger. Die wenigen Holzbaracken verstärken den Eindruck unvorstellbarer Größe. Spuren der Häftlinge finden sich aber auch hier; in Schnitzereien oder Malereien der inhaftierten Menschen in den Holzwänden der Baracken. Spuren finden sich aber auch in den ehemaligen Effektenlagern, die in der Lagersprache auch „Kanada“ genannt wurden und wo die Ankommenden ihr Hab und Gut abgeben mussten.[7]
Für die Reisegruppe ist der Abschnitt in Birkenau im Hinblick auf Gerhard Richter und seinen Bilderzyklus besonders wichtig: Sie besuchen die Stelle, an denen die heimlichen Fotografien vor über 70 Jahren aufgenommen wurden. Sie erhalten einen Eindruck von dem Areal, welches geradezu friedlich innerhalb der Birken dar liegt. Entsprechende Informationstafeln erinnern an die Verbrechen, die hier stattgefunden haben, und verweisen auch auf die Fotografien, die Gerhard Richter im Jahr 2014 als Vorlage für seine künstlerische Auseinandersetzung verwendet hat. Spätestens hier schließt sich der inhaltliche Kreis der Studienfahrt für die Teilnehmenden.
Zusätzlich zu der Tour erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studienfahrt Einblicke in Kunstsammlung der Gedenkstätte. Diese ist nicht Teil der regulären Dauerausstellung, sondern kann separat gebucht werden.[8] Dort finden sich Kunstwerke vier verschiedener Kategorien: legale Auftragsarbeiten im Lagerkontext, halblegale Bilder für private Zwecke (meist von SS-Männern), private und illegale Werke sowie Werke, die nach dem Kriegsende entstanden. Tausende Objekte sind im Fundus der Gedenkstätte, einige zu wertvoll im ideellen und erinnerungspolitischen Sinne, als dass sie ausgestellt werden können. Dazu gehören Kunstwerke von beruflichen Künstlern genauso wie von Laien-Künstlern, aber auch heimlich gefertigte Kunst, die das Leid der Häftlinge dokumentieren und den Gefangenen als Ventil dienten. Auch Auftragsarbeiten für die SS-Kommandeure und -Männer sind erhalten. Sie werden genauso aufbewahrt und ausgestellt wie Portraits, die von Josef Mengeles[9] Opfern gezeichnet werden mussten.[10] Doch sind die Gegenstände damit noch Kunst? Eine Frage, die von Guide und Teilnehmenden im Angesicht der fraglichen Gegenstände diskutiert wird. Dahinter stehe aber die eigentliche Frage, woran wir Kunst messen. An dem finanziellen Wert oder der Art der Technik, die der oder die Künstler/in angewendet hat? Vielleicht, so regt der Mitarbeiter der Gedenkstätte an, müsse man die Kunstgegenstände, egal welcher Kategorie sie entstammen, eher als Dokumente der Zeit sehen?
[7] Vgl. Israel Gutman, Michael Berenbaum: Anatomy oft he Auschwitz Death Camp, Washington D.C 1994, S. 251f.
[8] Vgl. Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau: Wystawa sztuki w byłej kuchni obozowej, Link: http://auschwitz.org/muzeum/zbiory-historyczne/wystawa-sztuki-w-bylej-kuchni-obozowej/, zuletzt abgerufen am 7.1.2020.
[9] Josef Mengele (1911-1979) war KZ-Arzt für das sog. Zigeuner-Lager sowie das Frauenlager. Dort war er unter anderem an der Selektion beteiligt und schickte auf diese Weise Tausende in den Tod. Er führte darüber hinaus pseudomedizinische Experimente an KZ-Häftlingen durch, die ebenfalls häufig tödlich endeten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gelang ihm die Flucht dank eines Pseudonyms nach Südamerika. Vgl. hierzu Franz Menges: Art. Mengele, Josef, in: NDB 17 (1994), S. 69-71.
[10] Weitere Informationen zu den Exponattypen finden Sie hier: http://auschwitz.org/muzeum/zbiory-historyczne/sztuka/, zuletzt abgerufen am 7.1.2020.